St. Pauli-Kapitän Irvine: "Der Derbysieger hat das Recht, anzugeben"
Zwei Fußballclubs in einer Stadt, das ist immer etwas Besonderes. St. Paulis Kapitän Jackson Irvine spricht im NDR Interview über die Bedeutung von Derbys, den Stadtteil St. Pauli und warum er die Duelle mit dem HSV vermisst.
Herr Irvine, was macht ein Stadtderby im Fußball so besonders?
Jackson Irvine: Als Fußballfan hast du eine enge Verbindung zu deiner Stadt, deiner Community. Beim Derby kommt alles eng zusammen: Du spielst gegen den Verein aus der Nachbarschaft und es geht darum, wer zu Hause angeben darf. Wenn man in der Stadt lebt und Freunde und Familie hat, die den anderen Verein unterstützen, dann bedeutet ein Sieg, dass man diesen Moment bis zum nächsten Derby genießen kann. Oft zählt nur dieses eine Spiel, diese eine Nacht. Der Derbysieger hat das Recht, anzugeben.
Sie haben fünfmal mit St. Pauli gegen den HSV gespielt. Was hebt diese Spiele von anderen ab?
Irvine: Das Gefühl in der Vorbereitung auf solche Spiele ist anders. Man spürt die Energie in der Stadt, die Spannung bei allen rund um den Verein. Selbst kleine Begegnungen, ob im Café oder Supermarkt, zeigen, dass die Menschen wissen, wie wichtig diese Woche und dieses Spiel sind. Und dann die Spiele selbst: Es herrscht eine Partyatmosphäre, aber gleichzeitig auch eine gewisse Aggressivität. Diese Kombination macht die Spiele so besonders, wie ein großes Feuerwerk.
Wie würden Sie die Rivalität zwischen den beiden Vereinen beschreiben?
Irvine: Man spürt die Intensität und die Energie rund um das Spiel. Aber ich denke, die Feindseligkeit ist vielleicht nicht ganz so hoch wie bei anderen Spielen, wie zum Beispiel gegen Hansa Rostock. Diese Spiele haben eine andere Art von Emotion. Das Derby ist weniger aggressiv, sondern kommt mehr aus dem Herzen. Es geht mehr darum, aus Liebe zum Verein zu gewinnen, als darum, den anderen zu besiegen.
Was macht die Liebe zum FC St. Pauli aus, was ist die Seele dieses Vereins?
Irvine: Der Verein ist untrennbar mit der Idee von Gemeinschaft und gemeinsamen Werten verbunden. Etwa, für Menschenrechte einzustehen. Das sollte selbstverständlich sein, ist es aber leider nicht immer. Aber wir möchten für unsere Werte einstehen, als Verein, aber auch mit den Fans und Menschen drumherum. Das ist sehr wichtig, diese Dinge auch zwischen dem Fußball und der Community zu verbinden, denn Fußball kann dabei eine große Rolle spielen.
Ist das ein Unterschied zum HSV?
Irvine: Ich glaube, für Vereine mit einer bestimmten Größe ist es schwierig, sich auf Werte und Ansichten einigen zu können, mit denen sich alle identifizieren können und niemand abgestoßen wird. Für St. Pauli aber stehen die Werte an erster Stelle: Wenn du Teil des Clubs sein willst, wenn du den Verein repräsentieren willst, dann musst du dich an diese Werte halten. Das unterscheidet St. Pauli von den meisten Vereinen dieser Welt.
Der HSV war lange der große Club, St. Pauli der Stadtteilverein. Was macht denn den Stadtteil aus?
Irvine: Ich war von Anfang an willkommen. Als ich ins Viertel gezogen bin, kamen wir mit einem Van in die schmalen Straßen und fanden keinen Parkplatz. Wir wussten, wir müssen schnell den Van ausräumen, weil wir die Straße etwas blockierten. Da kam eine Gruppe junger Leute, vielleicht Anfang 20, die sahen uns und packten direkt mit an. Das ist St. Pauli, ein Ort wo man sich einfach hilft. So wird man hier behandelt, so erlebe ich den Stadtteil.
Welche Rolle spielt das Millerntorstadion für Sie?
Irvine: Die Energie rund um das Stadion und den Club im Allgemeinen, besonders an einem Spieltag, ist wirklich einzigartig - etwas, das man im Fußball sonst nirgendwo erlebt. Ich hatte viele Freunde und Familie, die mich während meiner Karriere begleitet haben, sowohl im internationalen Fußball als auch im Vereinsfußball, und jeder, der hierher gekommen ist, war einfach nur überwältigt und hat gesagt: "Wow, das ist wirklich etwas ganz anderes."
An welches Derby gegen den HSV erinnern Sie sich besonders gern?
Irvine: Mein Lieblingsderby war 2022, das 3:0 zu Hause. Es war mein erstes Derby als Kapitän und mein erstes am Millerntor. Wir hatten eine schwierige Phase und brauchten einen großen Sieg. Es war ein fantastischer Abend, und ich habe danach bis 3 Uhr morgens mit den Fans gefeiert.
Vermissen Sie es, gegen den HSV zu spielen?
Irvine: Ja, natürlich. Jeder, der etwas anderes sagt, liegt falsch. Diese Spiele sind etwas Besonderes. Am Anfang der Saison sind das die Spiele, nach denen man als erstes im Spielplan schaut. Sie fehlen auf jeden Fall.