Felix Magath: Spielmacher-Genie und Meistertrainer
Felix Magath war Regisseur der großen HSV-Mannschaft in den 1980er-Jahren, als Trainer gewann er Meistertitel mit Bayern München und dem VfL Wolfsburg. Der mittlerweile 70-Jährige denkt noch nicht an die Fußballrente.
Ernst Happel hatte sein Urteil über Felix Magath schnell gefällt: "Das ist ein Klosterschüler, aus dem im harten Profigeschäft nie etwas wird." Doch auch einer der besten Trainer aller Zeiten war nicht frei von Irrtümern. Als Spieler war Magath Kopf des großen Hamburger SV in den 1970er- und 80er-Jahren, heimste zahleiche Titel ein. Nach einigen Anlaufschwierigkeiten wurde aus dem gebürtigen Aschaffenburger auch ein erfolgreicher Trainer. Spitzname "Quälix".
1976 kam der Sohn eines amerikanischen Besatzungssoldaten aus Puerto Rico und einer deutschen Mutter vom 1. FC Saarbrücken zum HSV und etablierte sich ohne Startschwierigkeiten im Team. Der damals 23 Jahre alte Linksfuß bestach durch seine brillante Technik, Übersicht und hohe Laufbereitschaft. Am Ende seiner ersten Saison in Hamburg hielt Magath den ersten Pokal in den Händen. Im Finale des Europacups der Pokalsieger besiegte der HSV den RSC Anderlecht, Magath selbst erzielte den Treffer zum 2:0-Endstand.
Torschütze bei zwei Europacup-Erfolgen
Der Hamburger SV war nach Jahren im Mittelmaß wieder eine der besten Adressen in der Bundesliga. Zwischen 1979 und 1984 gewannen die Hanseaten drei deutsche Meisterschaften und wurden drei Mal Vize-Meister. Unter Happel entwickelte sich der HSV zu einer europäischen Spitzenmannschaft, die 1983 ihren Zenit erreichte.
Als Außenseiter gingen die Hamburger in das Finale von Athen um den Europacup der Landesmeister gegen Juventus Turin: Gerade einmal acht Minuten sind gespielt, als Magath an den Ball kommt, Roberto Bettega aussteigen lässt und das Leder unhaltbar ins Tor schießt. Der HSV verteidigt seinen Vorsprung und ist die beste Mannschaft Europas. "Mein emotionalster Moment", erklärte Magath später.
Keine Hauptrolle im DFB-Team
In der Nationalmannschaft spielte der HSV-Regisseur jedoch nicht die Hauptrolle. Profis aus Hamburg besaßen keinen hohen Stellenwert bei Bundestrainer Jupp Derwall, der Paul Breitner Magath vorzog. Er hatte deshalb 1982 seinen Rücktritt erklärt und konnte erst zwei Jahre später von Teamchef Franz Beckenbauer zu einem Comeback überredet werden. Magaths letztes von 43 Länderspielen war das WM-Finale 1986 gegen Argentinien, in dem er allerdings nach einer Stunde ausgewechselt wurde.
Zebec und Happel als Vorbilder
Magaths aktive Karriere war beendet. Ohne Pause wechselte er die Seiten und übernahm den Manager-Posten beim HSV, für den er insgesamt 306 Bundesliga-Spiele bestritten hatte. Nach zwei Jahren wurde er entlassen, auch in Saarbrücken und Uerdingen wurde Magath nicht glücklich und beklagte die fehlende "Nähe zum Ball".
Die Entscheidung, als Trainer zu arbeiten, kam deshalb nicht überraschend. Abseits vom hektischen Profi-Fußball übernahm Magath 1992 den Verbandsligisten FC Bremerhaven. Ein Jahr später wechselte er als Assistent von Benno Möhlmann erneut zum HSV und wurde am 6. Oktober 1995 zum Chef befördert.
Wie seine Vorbilder Branko Zebec und Happel drillte Magath seine Spieler, Spitznamen wie "Quälix" machten bald in Hamburg die Runde. Nach kurzfristigen Erfolgen nutzten sich Magaths Methoden jedoch ab, er wurde in der Branche als "Feuerwehrmann" und "Retter" gesehen und vor allem von Clubs im Abstiegskampf verpflichtet. Nachdem er Eintracht Frankfurt aus einer fast aussichstlosen Situation zum Klassenerhalt geführt hatte, urteilte Jan Aage Fjörtoft: "Ob Felix Magath die Titanic gerettet hätte, weiß ich nicht. Aber die Überlebenden wären topfit gewesen."
"Ich habe meinen Job nicht gemacht, um beliebt zu sein." "Quälix" Felix Magath
Sensations-Vizemeister mit dem VfB Stuttgart
Beim VfB Stuttgart bewies der Aschaffenburger, dass er mehr ist als ein Heißmacher. Mit der jungen Mannschaft wurde er sensationell 2003 Vizemeister und erstmals (wie auch 2005 und 2009) zum Trainer des Jahres gewählt. Rekordmeister Bayern München warb Magath ab und vertraute ihm die notwendig gewordene Erneuerung seiner Mannschaft an. Zumindest auf nationaler Ebene wurden Manager Uli Hoeneß und Co. nicht enttäuscht. Zweimal in Folge holten die Münchner unter Magath das Double aus Meisterschaft und DFB-Pokal. Doch fehlender Erfolg in der Champions League und eine schwache Saison in der Bundesliga führten im Januar 2007 zu Magaths Entlassung.
"Mächtigster Coach der Bundesliga-Geschichte" in Wolfsburg
Keine vier Monate später hatte der Coach einen neuen Job: beim VfL Wolfsburg. Viele Experten rieben sich verwundert die Augen. Was will ein ehemaliger Trainer von Bayern München bei einem Werksclub, der zweimal in Folge nur knapp dem Abstieg entgangen war?
Doch Magath wurde in Wolfsburg viel mehr als nur Coach der Profi-Mannschaft. In Personalunion war er gleichzeitig Sportdirektor und Mitglied im Vorstand, mithin der "mächtigste Coach, den es wohl jemals in der Bundesliga gegeben hat" ("Spiegel"). Magath holte Dutzende neue Spieler und hatte 2009 seine Erfolgself gefunden. Dank einer fast unglaublichen Rückrunde wurde der VfL zum ersten Mal deutscher Meister. "Wolfsburg war sicher meine bisher produktivste und einflussreichste Trainerstation", bilanzierte Magath später.
"Was ich verantworte, will ich auch entscheiden." Felix Magath
Abschied von den "Wölfen" nach der Meisterschaft
Eine direkte Fortsetzung der Erfolgsgeschichte gab es nicht. Magath, der generell eine schleichende Entmachtung der Trainer beklagte und sein Schicksal lieber selbst in die Hand nimmt, hatte schon vor dem Gewinn der Meisterschaft seinen Abschied zu Schalke 04 verkündet.
Dort holte er in seinem ersten Jahr überraschend die Vizemeisterschaft, bevor er in der Folgesaison nach einem Machtkampf mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden Clemens Tönnies vorzeitig die Koffer packen musste - und vollkommen überraschend im März 2011 wieder in Wolfsburg anheuerte. Die zweite Stippvisite bei den Niedersachsen war von wenig Erfolg gekrönt. Auch die weiteren Stationen bei FC Fulham und in China verliefen wenig befriedigend. Shandong Luneng Taishan rettete er immerhin vor dem Abstieg, was ihm zuvor beim Londoner Club nicht gelungen war.
Hertha BSC rettet sich ausgerechnet gegen den HSV
Mit Vertragsende im Dezember 2017 verließ Magath den chinesischen Club - und tauchte im März 2022 dann völlig überraschend wieder auf der Bundesliga-Bühne auf. Hertha BSC präsentierte den damals 68-Jährigen als Nachfolger für den entlassenen Tayfun Korkut. Magath sollte die Berliner vor dem Abstieg retten - und das gelang über die Relegation. Ausgerechnet gegen Magath Herzensclub HSV, an dessen Entwicklung der Ex-Profi gerne und viel Kritik übte, feierten die Berliner den Klassenverbleib. Direkt nach der Rettung verabschiedete sich Magath vom Hauptstadtclub, der ihn aber auch nicht fragte, ob er weiter machen wolle.
Kein Gedanke an die Fußballrente
"Ich habe beim HSV so viele wichtige Jahre verbracht, er wird immer ein ganz besonderer Verein für mich sein", betonte Magath mehr als einmal. Während der HSV-Dauerkrise der vergangenen Jahre war er mehrfach als "große Lösung" intern wie extern im Gespräch, zu einer Einigung kam es nie.
An die Fußballrente denkt der passionierte Schachspieler aber auch mit 70 nicht. "Mir geht es besser, wenn ich etwas zu tun habe, weil ich den ganzen Tag aktiv und mit meiner Mannschaft beschäftigt bin. Hertha tat mir gut", sagte er dem "kicker". "Ich zog daraus diese Erkenntnis: Ich bin absolut sicher, dass ich mit meinem Wissen und Input noch jeder Mannschaft in Deutschland und international helfen kann, in der Ersten, Zweiten, Dritten oder Vierten Liga."
"Der Fußball ist mein Leben"
Danach habe er "mit mehreren Nationalverbänden wegen der Position als Nationaltrainer gesprochen. Aber bei den Verbänden geht es nicht immer professionell zu. Dann sage ich lieber: ohne mich!" Auch wolle er keinen großen Club wie einst den FC Bayern mehr anleiten. "Dieser Bling-Bling-Fußball, wo es vor allem um die Kohle und die Selbstdarstellung geht, reizt mich nicht."
Magath ist ein ausgesprochener Kritiker des Fußball-Zeitgeistes. Arbeit, Leistung, Siegeswillen - was er als Spieler und Trainer als Tugenden lebte, findet er seiner Ansicht nach heute nur noch selten. Für ihn steht und stand der Erfolg der Mannschaft über allem.
Der frühere Nationalspieler blickt mit großer Zufriedenheit auf sein Leben zurück. Er habe, was seine Karriere angeht, nichts zu bereuen. "Kaum einer hatte so ein Glück wie ich. Was mir Spaß machte, konnte ich beruflich ausüben. Es vollzog sich eine Entwicklung wie im Traum", sagte er: "Der Fußball ist mein Leben."