SV Meppen: "Power-Ernst" Middendorp startet Rettermission in Elversberg
Mit der Auswärtspartie bei Spitzenreiter SV Elversberg beginnt Trainer-Routinier Ernst Middendorp heute seine Rettermission bei Drittliga-Schlusslicht SV Meppen. Der 64-Jährige hat für das Engagement bei den Emsländern seinen Job in Südafrika aufgegeben. Wobei seine Zeit beim Swallows FC vielleicht ohnehin bald abgelaufen wäre.
Am vergangenen Freitag war Ernst Middendorp wieder einmal in seinem Element. Seine "Moroka-Schwalben" hatten das Heimspiel in der südafrikanischen Premiership gegen die Orlando Pirates mit 1:4 verloren und müssen als Tabellen-14. weiter um den Klassenerhalt bangen. Der deutsche Coach redete anschließend im Interview Tacheles. Einigen seiner Spieler mangele es an Identifikation mit dem Verein kritisierte er nach der fünften Pleite in seiner zehnten Begegnung als Swallows-Übungsleiter. Ob er die Enttäuschung der Fans verstehen könne, wurde der Fußballlehrer anschließend gefragt. "Ich bin Trainer und kein PR-Berater, oder was auch immer", entgegnete der 64-Jährige genervt.
Nicht ungestellt blieb natürlich auch die Frage nach seiner eigenen Position, schließlich holte Middendorp lediglich elf Punkte mit dem Verein aus Johannesburg. "Wenn er mit den Ergebnissen nicht zufrieden ist, soll er sich entscheiden", antwortete der Coach und meinte mit "er" Leon Prins, den CEO des Vereins. Südafrikanische Medien mutmaßten anschließend, der Coach habe mit seinen deutlichen Aussagen seine Entlassung forcieren wollen.
Zu einer solchen aber kam es nicht mehr. Am vergangenen Dienstag beendete Middendorp selbst sein ursprünglich noch bis 2026 datiertes Arbeitsverhältnis mit dem Verein und kehrte in seine emsländische Heimat zurück, um dort die Meppener vor dem Drittliga-Abstieg zu bewahren.
"Power-Ernst" soll Meppen Beine machen
Gerade einmal drei Siege hat der SVM in 25 Partien gefeiert. Gewiss war nicht alles schlecht unter Middendorps Vorgänger Stefan Krämer, der am vergangenen Sonnabend nach dem 2:3 im Kellerduell mit dem Halleschen FC entlassen worden war. Doch bei nüchterner Betrachtung gibt der Kader wohl auch nicht sonderlich viel mehr her, als jene mickrigen 20 Zähler, die bisher zusammengespielt wurden. Vielleicht aber fehlte dem einen oder anderen Spieler ja auch nur die richtige Ansprache. Eine deutliche Ansprache ist jeit jeher das Markenzeichen vom "Widerständler aus Südafrika" ("Süddeutsche Zeitung").
"Ich bin ein geborener Leader, ein General. Ich gebe gerne den Ton an. Als Untertan bin ich dafür nicht zu gebrauchen! Mich kann man nur behalten oder entlassen." Ernst Middendorp
"Ich bezeichne meinen Stil als autoritär-kommunikativ", hatte der 2005 zum Jahrhundert-Trainer von Arminia Bielefeld gewählte Middendorp einmal gesagt. In der Realität sah das dann häufig so aus: "Steh' da nicht rum wie eine Eieruhr", herrschte "Power-Ernst", wie er gerufen wird, einst einen Spieler an. Daran, dass er kein Freund von flachen Hierarchien ist, ließ der aus dem emsländischen Freren stammende Übungsleiter auch nie einen Zweifel: "Ich bin ein geborener Leader, ein General. Ich gebe gerne den Ton an. Als Untertan bin ich dafür nicht zu gebrauchen! Mich kann man nur behalten oder entlassen."
Über 400 Partien als Trainer in Südafrika
Ob dieser strenge Führungsstil im modernen Fußball noch zeitgemäß ist, sei dahingestellt. Eine Karriere als Diplomat wird Middendorp vermutlich nicht mehr einschlagen. Dass er Mannschaften neue Impulse geben kann, hat er aber häufig genug bewiesen. Zuletzt 14 Jahre im Ausland. Der Coach arbeitete in China, Thailand auf Zypern und besonders lange in Südafrika. Bei über 400 Erstliga-Partien stand Middendorp dort an der Linie. Auch wenn er sich immer wieder mit Schiedsrichtern, Verantwortlichen und Reportern in die Haare bekam, genießt er einen guten Ruf in dem Land.
Meppen "eine sehr reizvolle Aufgabe"
Umso überraschender war daher nun sein Wechsel nach Meppen - zumindest für Außenstehende. Denn Middendorp scheint auf diese Chance, sich in Deutschland wieder beweisen zu dürfen, gewartet zu haben. "Ich denke, dass man erkennen kann, dass ich solche Projekte eigentlich immer ganz gerne annehme, weil ich denke, dass man da vielleicht auch mit der Erfahrung, insbesondere jetzt über die fast 30 Jahre, relativ schnell sieht, wo man da ansetzen muss und kann. Es ist eine sehr reizvolle Aufgabe", erklärte der 64-Jährige der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Die Verbundenheit zum Emsland habe natürlich auch Einfluss auf seine Entscheidung genommen, ergänzte er.
Debüt in Elversberg: "Kopf hoch, Brust raus!"
Am Mittwochnachmittag leitete Middendorp die erste Trainingseinheit mit seinem neuen Team. Wenig überraschend nahm er dabei nicht die Rolle des stillen Beobachters ein, sondern sich einige seiner Akteure gleich lautstark zur Brust. So forderte er beispielsweise: "Lass den Entertainment-Shit raus", oder kritisierte: "Mach' die Bude, Mensch! Hau das Ding in die Kiste!" So einfach kann Fußball gehen. Oder eben auch nicht. Denn ob der Krämer-Nachfolger beim kickenden Meppener Personal den richtigen Ton trifft, wird sich erstmals zeigen, wenn die Partie bei Tabellenführer Elversberg ansteht (14 Uhr, im Livecenter bei NDR.de).
Middendorp kündigt "Veränderungen" an
Einige SVM-Profis dürften dann bei der Verlesung der Startformation ziemlich dumm aus der Wäsche gucken. Denn: "Ich habe die Spieler jetzt nur drei Tage gesehen, aber ich habe klare Eindrücke bekommen", sagte Middendorp und kündigte "Veränderungen" an.
Scheinbar Unmögliches, einen Sieg beim designierten Aufsteiger, will der 64-Jährige sofort erledigen und hat dafür auch ein Rezept parat: "Wir müssen jetzt maximal als Team stattfinden, sonst kann man in Elversberg nichts holen. Der Druck ist da. Aber Angst ist ein schlechter Ratgeber. Kopf hoch, Brust raus!"
Mögliche Aufstellungen:
SV Elversberg: Kristof - Fellhauer, Antonitsch, Correia, Neubauer - Jacobsen, Dürholtz, Feil, Rochelt - Woltemade, Schnellbacher
SV Meppen: Domaschke - Ballmert, Soares, Mazagg, Risch - Käuper, Blacha, Hemlein, Alvarez, Abifade - Pourié