Pernille Harder und die Last, Wolfsburg wehtun zu müssen
Für den VfL Wolfsburg schoss Pernille Harder Tore wie am Fließband, bevor sie dem Autoclub im vergangenen Sommer den Rücken kehrte. Nun will die Dänin mit dem FC Chelsea ihren Ex-Club aus der Champions League werfen.
Eine emotionale Bindung zu den "Wölfinnen" ist auch viele Monate nach ihrem Wechsel auf die Insel noch vorhanden. Dies zeigte sich sehr deutlich, als die 28-Jährige am vergangenen Mittwoch im Viertelfinal-Hinspiel der "Königsklasse" gegen den VfL das 2:0 erzielte. Nur ganz kurz streckte Harder die Arme aus, dann drückte sie die Hände herunter und signalisierte so, den Jubel aus Respekt vor ihrem früheren Verein nicht übertreiben zu wollen. Das Lächeln von Europas zweimaliger Fußballerin des Jahres wirkte zudem wie eingefroren in den Momenten, als sie von ihren Teamkameradinnen beglückwünscht wurde.
Harder und Wolfsburg - das war von 2017 bis 2020 eine Liebesbeziehung. Viermal gewann sie mit den "Wölfinnen" das Double, erzielte in 114 Pflichtspielen sagenhafte 105 Treffer.
In Wolfsburg zur Weltklasse-Spielerin gereift
"Es ist natürlich etwas Besonderes, gegen die Mannschaft zu spielen, für die ich dreieinhalb Jahre gespielt habe", sagte die 28-Jährige dem NDR. Am Mittellandkanal entwickelte sich die Dänin zu einer Weltklasse-Spielerin, für die Chelsea dem Vernehmen nach die im Frauenfußball ungewöhnlich hohe Ablösesumme von 350.000 Euro an den VfL überwiesen haben soll. Als Gegenleistung erwartet der Club aus West-London viele, viele Tore von der 28-Jährigen - und bestenfalls den Champions-League-Sieg.
Auf dem Weg zum ersehnten "Königsklassen"-Triumph, der Harder noch in ihrer Titelsammlung fehlt, müssen die Engländerinnen heute (14 Uhr) zunächst ihren vom Spielverlauf her schmeichelhaften 2:1-Erfolg aus dem ersten Duell mit dem VfL verteidigen.
Wechsel nach England: "Brauche mehr Aufregung"
Mit den Niedersächsinnen scheiterte die Vize-Europameisterin von 2017 im vergangenen Jahr erst im Finale an Olympique Lyon (1:3). Zwei Tage später wurde Harders Wechsel von Wolfsburg an die Stamford Bridge offiziell verkündet. Die Endspiel-Pleite gegen das französische Ausnahme-Team war dabei nicht ausschlaggebend für die Entscheidung der Stürmerin.
"Ich brauche mehr Aufregung, ich konnte fühlen, dass ich eine neue Herausforderung brauchte, bei der nicht alles einfach und unkompliziert war." Chelsea-Stürmerin Pernille Harder
"Es geht nicht um Wolfsburg, sondern um mich. Der Verein hat mir als Person und Spielerin viel gegeben. Aber ich brauche das Gefühl, dass es nicht sicher ist, ob wir alle Spiele gewinnen werden. Ich brauche mehr Aufregung, ich konnte fühlen, dass ich eine neue Herausforderung brauchte, bei der nicht alles einfach und unkompliziert war", erklärte sie in einer Dokumentation der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt Dänemarks, "DR".
Harder bei Chelsea mit Partnerin Eriksson vereint
Als Bundesliga-Torschützenkönigin (27 Treffer) wechselte Harder zu Chelsea, das seinerzeit noch nicht zu den absoluten europäischen Top-Teams zählte. Doch weil die Women’s Super League in puncto Vermarktung und TV-Einnahmen inzwischen ein Vorbild für nahezu alle anderen Frauen-Ligen ist, steht den Clubs viel Geld zur Verfügung, um ihre Kader mit internationalen Stars zu verstärken. Der schnöde Mammon sowie der Wunsch nach einer neuen sportlichen Herausforderung waren aber nicht die einzigen Gründe für die Dänin, den "Blues" den Vortritt vor anderen interessierten Vereinen zu geben.
Harder wechselte auch der Liebe wegen zu den Londonerinnen. Ihre Partnerin Magdalena Eriksson steht bereits seit 2017 bei Chelsea unter Vertrag. "Mit der Fernbeziehung ist es einfach zu schwer geworden. Wir haben immer beide aus Sicht des Fußballs entschieden, die Karriere kam zuerst. Aber jetzt haben wir einen Punkt erreicht, an dem wir einfach wieder zusammen sein wollen", erklärte die 28-Jährige "DR".
Stürmerin bei den "Blues" nicht immer erste Wahl
Gemeinsam mit der schwedischen Nationalspielerin, die Kapitänin des FC ist, und vielen weiteren Stars wie der australischen Ausnahme-Stürmerin Samantha Kerr oder der deutschen Nationalspielerin Melanie Leupolz will Harder nun mit Chelsea Titel sammeln. In der Liga läuft es für die "Blues" rund. Am vergangenen Sonntag verteidigte das Team von Trainerin Emma Hayes durch einen 2:0-Sieg gegen Aston Villa die Tabellenführung.
Harder saß dabei zunächst auf der Bank. Sie wurde erst nach 59 Minuten eingewechselt. Ein Umstand, der für die Tiefe in Chelseas Kader spricht und Harder vor die aus Wolfsburger Zeiten ungewohnte Situation stellt, um ihren Stammplatz tagtäglich kämpfen zu müssen. Aber die 28-Jährige wollte es ja nicht anders. Es sollte eben nicht mehr "alles einfach und unkompliziert" sein...