Paukenschlag bei Hansa Rostock: Fünf Aufsichtsräte zurückgetreten
Nächster Paukenschlag bei Fußball-Drittligist Hansa Rostock: Fünf der sieben Mitglieder des Aufsichtsrats sind zurückgetreten, wie die Mecklenburger am Montag bekanntgaben.
Beim FC Hansa Rostock hat ein Großteil des Aufsichtsrats die Segel gestrichen: Unter den fünf zurückgetretenen Aufsichtsräten ist auch der bisherige Vorsitzende des Gremiums, Rainer Lemmer. Demnach verbleiben vorerst nur Martin Ohde und Sebastian Eggert im höchsten Kontrollgremium des Vereins. Mit Lemmer (neun Jahre im Aufsichtsrat), Christian Stapel (neun Jahre), Henryk Bogdanow (acht Jahre), Frank Schollenberger (vier Jahre) und Immanuel Fuhrmann (drei Jahre) ziehen sich viele langjährige Mitglieder zurück.
Hansa-Aufsichtsrat: "Rote Linie überschritten"
Einer von mehreren Rücktrittsgründen war ein Banner mit schwer beleidigendem Inhalt, das am Sonnabend beim Spiel zwischen dem FC Hansa Rostock und Rot-Weiss Essen im Ostseestadion gezeigt wurde und sich gegen ein Mitglied des Aufsichtsrats richtete. Auch der Überfall auf den Fanzug mit Anhängern von Rot-Weiss Essen am vergangenen Sonnabend sowie rassistische Entgleisungen haben bei der Entscheidung der fünf Aufsichtsratsmitglieder eine Rolle gespielt. Damit sei "eine rote Linie überschritten" worden: "Wir wollen uns nicht schweigend mit dieser Entwicklung gemein machen, bitten alle Mitglieder, Fans und für den Verein tätige Personen einige Sekunden innezuhalten und das Geschehene zu reflektieren", so die Zurückgetretenen.
"Entwicklung erfüllt uns mit Sorge"
Ihre Arbeit als ehrenamtliche Aufsichtsräte verbinden die Zurückgetretenen mit den Werten des FC Hansa Rostock wie "Zusammenhalt, Fairness, Tradition, Weltoffenheit und Respekt gegenüber Menschen sowie sportlichen Gegnern". Seit einiger Zeit beobachte man allerdings "eine Entwicklung, die uns mit Sorge erfüllt, die unsere Werte zunehmend in Frage stellt und unseren Grundkonsens eines gemeinschaftlichen Zusammenwirkens in solchen Strukturen unmöglich macht".
Auf NDR Anfragen haben der Vorstandsvorsitzende Jürgen Wehlend wie auch die aktuellen und bisherigen Mitglieder des Aufsichtsrates nicht reagiert.
Theede: "Es muss angegangen werden"
Kai-Uwe Theede, ehemaliger Aspirant auf einen Posten im Aufsichtsrat von FC Hansa Rostock und Präsident des Oberlandesgerichts in Rostock, äußerte bei NDR MV Das Interview sein Unverständnis für den Rücktritt mehrerer Aufsichtsräte: "Der Verein Hansa Rostock hat 28.000 Mitglieder. [...] Von diesen 28.000 sind 27.000 so aufgestellt, dass sie diese Werte auch vertreten und verkörpern. Die warten seit Jahren darauf, dass endlich etwas passiert." Als kritisches Mitglied des FC Hansa Rostock sieht er eine Menge Arbeit auf seinen Verein zukommen: "Wir müssen uns bemühen, dass wir alle miteinander die Kogge wieder flott bekommen. Das wird harte Arbeit und das wird auch Jahre dauern. Aber es muss angegangen werden." Hier sieht er vor allem auch die Vereinsführung in der Pflicht: "Es muss das Signal gesendet werden: Wir wollen uns von den gewaltbereiten Tätern trennen, wir wollen die nicht im Stadion haben. Die verkörpern nicht das, wofür Hansa Rostock steht."
Nachrückkandidaten ergänzen Aufsichtsrat
Laut Satzung sollen nun die Nachrückkandidaten aus der Wahl vom Herbst 2021, Anne Schäfer und Sven Moschner, den Aufsichtsrat ergänzen. Sollte Schäfer das Amt antreten, würde erstmals eine Frau dem Hansa-Aufsichtsrat angehören. In knapp vier Wochen, am 24. November, steht bei Hansa außerdem die alljährliche Mitgliederversammlung an. Auch wenn dort keine neuen Aufsichtsratsmitglieder gewählt werden können, steht der stark dezimierte Aufsichtsrat trotz der aktuellen Notsituation vor einer wichtigen Entscheidung. Das Gremium muss bald einen neuen Trainer absegnen.
Polizei: Erst flogen die Steine
Die Bundespolizei Rostock ist sich inzwischen nach eigenen Angaben sehr sicher, dass es sich bei den Angreifern auf den Fan-Zug in Brandenburg tatsächlich um Chaoten aus dem Umfeld des Clubs handelte. Das habe die Auswertung der vorliegenden Videos ergeben - beispielsweise durch auffällige Kleidungsstücke wie blau-weiß-rote Sturmhauben. Zudem teilte die Bundespolizei mit, dass der Zug erst mit Steinen beworfen wurde und dann die Notbremse gezogen wurde.
Drese: Verein droht, im Chaos zu versinken
Inzwischen hat sich auch Mecklenburg-Vorpommerns Sportministerin Stefanie Drese (SPD) zu der Situation beim FC Hansa Rostock geäußert. "Der Verein muss sich auf allen Ebenen glaubhaft und entschlossen lossagen von Gewalt, Hass und Bedrohung, ansonsten droht er im Chaos zu versinken", sagte Drese am Dienstag in Schwerin. Dem Hansa-Vereinsvorstand sicherte sie ihre Unterstützung zu. "Ich habe bei einem persönlichen Gespräch vor wenigen Wochen den Eindruck gewonnen, dass der Vorstandsvorsitzende mit Überzeugung den FC Hansa aus dem Sumpf von Gewalt und Hass ziehen und in ruhigeres Fahrwasser lenken will", begründete die Ministerin.