Nordduell im Datencheck: HSV und Hannover 96 überraschend ähnlich
Der HSV empfängt heute Hannover 96 in der 2. Liga zum Nordduell - in der Rückrundentabelle ein Gipfeltreffen. Die Datenanalyse zeigt Ähnlichkeiten in der Spielanlage der beiden Mannschaften und auch, wer das Spiel wohl gewinnen wird.
Der Hamburger Sport-Verein hat heute Abend (18.30 Uhr/im NDR Livecenter) den Hannoverschen Sportverein von 1896 zu Gast - also kurz der HSV den HSV. Und bei Betrachtung der sportlichen Erfolge, aber aus Sicht der Niedersachsen oftmals als despektierlich wahrgenommen: der große HSV gegen den kleinen.
Was nicht so offensichtlich ist wie die Namensgleichheit: Die beiden Clubs haben sich auf dem Spielfeld in dieser Saison ziemlich angenähert: Tim Walter lässt in Hamburg einen ähnlichen Fußball spielen wie Stefan Leitl in Hannover. Das zeigt ein Blick in die Daten von GSN.
Beide Teams sind sehr ballsicher, ihnen gelingt es wie kaum einer anderen Mannschaft, den Ball in den eigenen Reihen laufen zu lassen. Beim Wert der durchschnittlichen Dauer der Angriffe mit Torerfolg belegen der HSV (28,80 Sekunden) und Hannover (28,70) im Ligavergleich die Plätze zwei und drei (nur Karlsruhe ist besser). Die optische Ähnlichkeit der Auftritte unterstreicht auch das Spieltempo, das anhand der Pässe pro Minute bei eigenem Ballbesitz bestimmt wird. Dort schneiden beide nur mittelmäßig ab.
HSV und 96 haben mit die besten Dribbler der Liga
Als Clubs mit großem Namen haben es Hamburg und Hannover oftmals mit tiefstehenden Gegnern zu tun. Da helfen Spieler, die ihre Stärken im Dribbling haben. 96 ist mit im Schnitt 10,50 erfolgreichen Dribblings im letzten Drittel des Spielfelds pro Partie das drittbeste Team, das entspricht einer Quote von 58 Prozent, was sogar Rang zwei im Ligavergleich bedeutet.
Hannover droht allerdings einen der Leistungsträger auf der Außenbahn - Derrick Köhn - zu verlieren. Der gebürtige Hamburger, der alle Jugendmannschaften des HSV durchlief, steht vor einem Wechsel zu Galatasaray Istanbul.
Beim HSV sind es sogar 11,65 erfolgreiche Dribblings (Bestwert), die Quote ist allerdings schlechter.
Spielanlage beider Teams ähnlich
Die Niedersachsen führen pro 90 Minuten 71,70 Bodenzweikämpfe in der Offensive (Rang drei). Der HSV gewinnt 66 Prozent der offensiven Kopfballduelle und 42 Prozent seiner Bodenzweikämpfe im Angriff - beides Ligabestwerte.
Lange Ballstafetten, die die gegnerische Abwehr zermürben, und viele Dribblings im letzten Drittel, aber auch die Bereitschaft, in der Offensive zu ackern: Die Spielanlage bei eigenem Ballbesitz ähnelt sich durchaus. Und das gilt auch für die Torausbeute nach 20 Spieltagen: Bei den Hamburgern sind es 40:27, bei Hannover 37:26. Allerdings steht der zweitplatzierte HSV in der Tabelle sechs Punkte und vier Ränge besser da.
96-Trainer Leitl und der "verdiente Gipfel" beim HSV
Trotzdem spricht Leitl vor dem Duell von einem "verdienten Gipfel". Dem 96-Coach, der in der Winterpause das System von Dreier- auf Viererkette umgestellt hat, scheint die Kehrtwende gelungen zu sein. Nach sechs sieglosen Spielen in Folge gab es zuletzt zwei Siege hintereinander und Platz zwei in der Rückrunden-Tabelle. Und die aktuell sechs Zähler Rückstand auf den HSV (viertbestes Team der Rückrunde) bedeuten ja auch, dass Hannover mit einem weiteren Sieg wieder mittendrin im Aufstiegsrennen wäre.
Die Winter-Analyse des HSV und ihre Folgen
Das beherrschende Winter-Thema beim HSV war die große Analyse der nicht zufriedenstellenden Hinrunde mit 31 Punkten und Rang drei. Und es hat sich seitdem wirklich einiges verändert im Spiel der Mannschaft von Walter. Die Daten von GSN zeigen, dass die Spieler weniger foulen, mehr Bälle abfangen und erobern, deutlich mehr Pässe in die gefährlichen Zonen spielen und auch mehr Tore schießen.
Letzteres ist kurios, denn seit der Winterpause verzeichnet der HSV weniger Expected Goals, hat also schlechtere Chancen. Hinzu kommen weniger Angriffe mit Torabschlüssen und überhaupt weniger Schüsse sowie weniger Dribblings im letzten Drittel. Oder anders ausgedrückt: Walters Team agiert im Angriff deutlich effizienter.
Das geht allerdings einher mit mehr Ballverlusten und vor allem solchen in der eigenen Hälfte sowie mehr individuellen Fehlern, die zu Gegentoren führen. Außerdem wurden mehr Schüsse aufs eigene Tor zugelassen, der Wert der Expected Goals bei den Gegnern ist gestiegen und es gab im Schnitt auch tatsächlich mehr Gegentore.
Wird Hannover zum nächsten Stolperstein für den HSV?
An dieser Stelle könnten Leitls Mannen ansetzen, um so zum nächsten Stolperstein für die Hamburger zu werden. Zumal der HSV ausgerechnet in seinem eigentlich als Festung bekannten Volksparkstadion zuletzt zweimal hintereinander verloren hat. 96 muss dafür allerdings Tempo in sein Spiel bekommen: Denn der HSV ist das schlechteste Team beim Gegenpressing in der gegnerischen Hälfte. Bei den Balleroberungen nach Ballverlust pro Spiel innerhalb von 5 und 10 Sekunden steht beim Walter-Team jeweils eine 0,0.
Hannover ist hier hingegen besonders stark. Durch aggressives Pressing und Gegenpressing - besonders in der Hälfte des HSV, wo dieser auch noch anfällig ist - könnten die Niedersachsen die Ballkontrolle der Hamburger stören und Fehler erzwingen, die zu Torchancen führen.
Bei den abgefangenen Bällen insgesamt und den abgefangenen Bällen durch Mittelfeldspieler belegt Hamburg selbst den Abstiegsrelegationsrang. Nimmt man noch die Tacklings insgesamt und die gegen gegnerische Dribblings (beide Male ebenfalls Rang 16) hinzu, offenbart sich nach wie vor eine allgemeine Schwäche in der Defensivarbeit und im direkten Zweikampfverhalten.
Und diese zeigt sich auch beim Verteidigen von langen Bällen und von Standards. 96 erzielte derweil die zweitmeisten Treffer der Liga nach Einwürfen, Ecken und Freistößen. Aber: Mit dem gelbgesperrten Abwehrchef Marcel Halstenberg fällt ausgerechnet Hannovers bester Spieler für das Nordduell aus.
Berechung: Hamburger landen deutlich vor Hannover
Die Hamburger sind Favorit im Traditionsduell und haben laut der GSN-Berechnung auch am Saisonende deutlich die Nase vorn: Demnach wird der HSV mit 64 Punkten am Ende Zweiter, Hannover mit 49 Zählern nur Achter. Und spätestens bei einem Klassenunterschied wäre es (erst einmal) keine Frage mehr, welcher der große und welcher der kleine HSV ist.