Nach Pokal-Aus: Viele Baustellen bei Werder Bremen vor Bayern-Duell
Mit Traditionen soll man nicht brechen, sagt der Volksmund. Werder leistete Folge, verabschiedete sich am Sonnabend mal wieder in der ersten Runde des DFB-Pokals und darf sich nun in einer wenig ruhmreichen Kategorie Erstliga-Rekordhalter nennen: als Bundesligist, der am häufigsten gegen unterklassige Teams in der ersten Runde aus dem Wettbewerb ausgeschieden ist. Zweimal in den vergangenen drei Spielzeiten, sechs mal in den vergangenen 13 und insgesamt elf Mal.
Füllkrug: "Wir verteidigen schlecht"
"Es ist mein Anspruch, und ich glaube auch der Anspruch der meisten hier, gegen einen Drittligisten weiterzukommen. Dennoch werden wir als Mannschaft diesem Anspruch nicht gerecht", übte Niclas Füllkrug schonungslos Kritik am eigenen Team. "Wir sind unserem Ruf wieder gerecht geworden und verteidigen schlecht."
"Wie clever das jetzt war, da sich eine Rote Karte an der Mittellinie zu holen, sei auch mal dahingestellt. Dadurch leidet man als gesamte Mannschaft." Niclas Füllkrug
Mit Rotsünder Amos Pieper ging der Bundesliga-Torschützenkönig ungewohnt hart ins Gericht. "Ich versuche, mich in diesem Interview ein bisschen zurückhalten", sagte Füllkrug. "Wie clever das war, sich die Rote Karte an der Mittellinie abzuholen, sei mal dahingestellt", sagte Füllkrug in Richtung Pieper: "In jedem Fall leidet man dadurch als gesamte Mannschaft."
Den Nationalspieler ärgerte die Defensivarbeit seiner Kollegen zum wiederholten Male. "Das war eine Drittliga-Mannschaft", sagte er: "Da muss es auch mit einem Mann weniger klar sein, dass wir als Sieger vom Platz gehen. Dass wir in Unterzahl zwei Tore geschossen haben, spricht auf jeden Fall wieder dafür, dass wir kein großes Problem in der Offensive haben." Es liege "am Trainer-Team und der Vereinsführung, das zu analysieren. Es ist ja nicht das erste Mal passiert", schloss Füllkrug seinen Rundumschlag.
Fritz weist Füllkrug zurecht
Die Stimmung in Bremen ist nach der Pokal-Pleite und vor dem Ligastart gegen den Rekordmeister angespannt. Werders Profifußball-Leiter Clemens Fritz rief Füllkrug umgehend zur Ordnung: "Wir sollten nicht mit dem Finger auf andere zeigen. Die Offensive sollte nicht die Defensive und sie nicht die Offensive kritisieren. Wir müssen uns mannschaftlich im Defensiv-Verbund und auch individuell verbessern. Jeder sollte bei sich anfangen", sagte der 42-Jährige der "Bild".
Füllkrug hatte in der 77. Minute trotz Unterzahl - Pieper war bereits in der elften Minute vom Platz geflogen - zum zwischenzeitlichen 2:1 getroffen. Doch auch die zweite Führung des Nachmittags reichte den Bremern nicht zum Sieg.
Stattdessen setzten sich die Defensivprobleme der Grün-Weißen aus der vergangenen Spielzeit im ersten Pflichtspiel der neuen Saison fort: mangelnde Absprache von Niklas Stark und Romano Schmid vor dem 1:1, mangelnde Zweikampfführung und Handlungsschnelligkeit von Christian Groß und Anthony Jung vor dem 2:2 sowie Marco Friedl und Milos Veljkovic vor dem 2:3.
Freitag kommt Bayern München zum Ligastart
Es fehlte die Klarheit in der Kommunikation, es fehlte die Klarheit in den Aktionen: Grundlagen, die man von einem Bundesligisten eine Woche vor dem Ligastart auch in Unterzahl erwarten können muss. "Wir gehen zweimal in Führung, verteidigen aber schlecht. Das ist natürlich schwer aus dem Kopf zu kriegen. Wir müssen uns an die eigene Nase packen, es gibt jetzt einen neuen Wettbewerb", resümierte Trainer Ole Werner auch mit Blick auf den Bundesliga-Auftakt. Die "Baustelle" Abwehr, "die wir seit Längerem haben", so Werner, sollten die Bremer besser schleunigst schließen.
Am kommenden Freitag kommt der Rekordmeister Bayern München (20.30 Uhr, im NDR Livecenter) mit Topstürmer Harry Kane ins Weserstadion, mit einer ähnlichen Defensivleistung wie gegen Viktoria Köln droht der absolute Saisonfehlstart.
Was passiert mit Füllkrug und Gruev?
Fehlende Klarheit auf dem Feld, fehlende Klarheit aber auch neben dem Platz: Symptomatischerweise ging es neben der Spielanalyse nach der Pokalpartie auch sehr schnell um Personalien - wie schon seit Wochen. Zur Frage, ob Topstürmer Füllkrug bleibt, gesellt sich nun auch die nach einem möglichen Wechsel von Ilia Gruev. Coach Werner reagierte ausweichend: "Ich weiß ehrlich gesagt gar nicht, ob er vor einem Wechsel steht", sagte er und begründete Gruevs Fehlen im SVW-Kader wenig später mit der Integration von Neuzugang Senne Lynen, "weil er neu dabei ist und wir ihn integrieren müssen. Und wenn ich einen mitnehme, muss ich einen anderen zu Hause lassen. So ist es eben."
Auch Füllkrug wurde erneut nach seiner Zukunft gefragt, seine Antwort fiel kryptisch aus: "Ich weiß, was ich machen möchte und was nicht." Ob das bedeute, dass er wechseln oder bleiben will, wollte der Torschützenkönig der vergangenen Saison nicht beantworten und ergänzte: "Natürlich wäre es für die Gesamtheit einfacher, wenn alles schneller und zügiger gegangen wäre."
Seine Mitspieler wüssten, "was Sache ist. Ich spiele immer mit offenen Karten". Deshalb wüssten auch alle, "dass ich voll hier bin und professionell bin". Ob die Pokalblamage und der Saisonstart auf seine Entscheidung Einfluss haben, wollte der 30-Jährige ebenfalls nicht beantworten.
Mehr Klarheit von allen Beteiligten scheint vonnöten, damit dem Pokal-Schock nicht noch ein Liga-Schreck zum Start folgt.