Fans des FC St. Pauli im Millerntor-Stadion © picture alliance / BEAUTIFUL SPORTS | BEAUTIFUL SPORTS/Buriakov

NS-Diskussionen um "Herz von St. Pauli": Kult-Hymne vor dem Aus?

Stand: 12.02.2025 14:26 Uhr

Darf die Kult-Hymne "Herz von St. Pauli" am Millerntor weiter gespielt werden? Der Song sorgt wegen der Nazi-Vergangenheit seines Texters für Diskussionen bei dem Fußball-Bundesligisten.

Ausverkauftes Millerntor, die Fans können es kaum erwarten, gleich geht es los. "Das Herz von St. Pauli, das ist meine Heimat, in Hamburg, da bin ich zuhaus", dröhnt es aus den Boxen. Die Zuschauer schunkeln und singen mit. Der Song ist Kult auf dem Kiez - doch die Hymne, die beim Hamburger Stadtteilclub seit vielen Jahren als festes Ritual zum Stadionerlebnis gehört, steht wegen ihrer NS-Vergangenheit womöglich vor dem Aus. 

Freitag eine Entscheidung des Clubs?

Beim FC St. Pauli, der für Vielfalt und Toleranz steht, der sich vehement gegen rechts positioniert und für eine bunte Gesellschaft engagiert, sind sie alarmiert. Für Freitag, also am Tag vor dem Heimspiel gegen den SC Freiburg (15.30 Uhr, im NDR Livecenter), werde man "voraussichtlich" über den weiteren Umgang mit dem "Herz von St. Pauli" informieren, hieß am Mittwoch seitens des Clubs. Die Anfragen stapeln sich, das Interesse am künftigen Umgang mit dem sensiblen Thema ist riesig.

Recherche des FC-St.-Pauli-Museums

"Der FC St. Pauli möchte sich kritisch mit seiner Vergangenheit auseinandersetzen und wird dementsprechend auch die Geschichte der Entstehung des Liedes 'Das Herz von St. Pauli' prüfen und diskutieren", hieß es in einem Beitrag des clubeigenen Blogs zum Thema. Dies sei nicht nur ein Thema des Vereins und seiner Mitglieder, sondern man wolle dabei auch den Austausch mit den eigenen Fans suchen.

"Der FC St. Pauli möchte sich kritisch mit seiner Vergangenheit auseinandersetzen und wird dementsprechend auch die Geschichte der Entstehung des Liedes 'Das Herz von St. Pauli' prüfen und diskutieren."

Auslöser für die hitzigen Diskussionen, die inzwischen über die Anhängerschaft hinausgehen, ist eine umfassende Recherche des FC-St.-Pauli-Museums zur Entstehung des Liedes "Das Herz von St. Pauli". Konkret geht es um die Biographien des Interpreten (Hans Albers), des Komponisten (Michael Jary) und des Texters (Josef Ollig), deren Wirken das Museum in einem Podcast zur Geschichte des Clubs näher beleuchtet.

Texter Josef Ollig mit NS-Vergangenheit

Vor allem Olligs Rolle als Soldat der Wehrmacht und Kriegsberichterstatter für die NS-Propaganda macht weiten Teilen der aktiven Fanszene schwer zu schaffen. Ollig war 1940 zur Luftwaffe eingezogen worden. Im Jahr 1941 nahm er am Feldzug gegen die Sowjetunion teil und war als Angehöriger eines Flak-Korps an mehreren Schlachten beteiligt, unter anderem in Kiew und Moskau. Im November 1941 erhielt er das Eiserne Kreuz zweiter Klasse, einen Monat später das Sturmabzeichen aller Klassen und wurde zum Unteroffizier befördert.

Werk vom Autor trennen?

Während einige Fans die Meinung vertreten, dass St. Pauli Werk und Autor in diesem Fall trennen möge, weil man den Song längst positiv besetzt hat, fordern andere das abrupte Ende des musikalischen Rituals. Dass am Millerntor nicht die Version von Albers, sondern die rockige von "Phantastix & Elf" gespielt wird, kann den Ärger nicht ersticken.

"Wir erleben eine überwiegend differenzierte Diskussion über den Umgang mit dem Lied auf Basis einer fundierten Recherche", teilte der Club dem "Hamburger Abendblatt" kürzlich mit: "Wir merken, wie wichtig vielen Fans das Lied ist, aber auch, wie verantwortungsvoll sie mit der Situation umgehen."

Die Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit ist beim FC St. Pauli nicht neu. So sorgte in den 1990er Jahren etwa der Stadionname für hitzige Debatten. Die Arena trug zu Ehren des früheren Vereinspräsidenten jahrelang den Namen "Wilhelm-Koch-Stadion". Als dessen Vergangenheit als NSDAP-Mitglied aufgedeckt wurde, traf der Club eine klare Entscheidung: 1998 wurde das Stadion umbenannt und heißt seitdem Millerntor-Stadion.

Weitere Informationen
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Dieses Thema im Programm:

Hamburg Journal | 14.02.2025 | 19:30 Uhr

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