"Köpfe freibekommen" - Hrubesch will DFB-Frauen zu Olympia führen
Horst Hrubesch geht seine Aufgabe als Interims-Bundestrainer der deutschen Frauen-Nationalmannschaft voller Vorfreude an. Das große Ziel der deutschen Fußball-Legende ist die Qualifikation für Olympia 2024.
Er habe "in keinster Weise Bedenken" gehabt, den Posten nach 2018 ein zweites Mal anzutreten, erklärte der 72-Jährige am Freitagmorgen bei einer Pressekonferenz auf dem Campus des Deutschen Fußball-Bundes. "Ich kenne die meisten Spielerinnen und weiß, was da für eine Qualität drinsteckt. Der entscheidende Faktor war, dass da Olympia hinten draufsteht. Ich glaube, dass das für die Mädels das absolute Highlight ist. Allein für den Frauenfußball in Deutschland ist das ein Ansporn - du musst einfach dabei sein", erklärte der frühere Nationalspieler.
"Fußball ist ein ganz einfaches Spiel. Du musst nur mehr Tore schießen und keine zulassen." Horst Hrubesch
Der Nachwuchschef des Zweitligisten Hamburger SV vertritt auf unbestimmte Zeit die erkrankte Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg. Ob die 55-Jährige auf die Bank des Rekordeuropameisters zurückkehrt, ist ungewiss. "Wir wollen, dass sie sich gut erholt. Wir setzen uns dann zusammen, um alle Themen zu besprechen. Da wird in keinster Weise Druck ausgeübt", sagte DFB-Präsident Bernd Neuendorf.
Voss-Tecklenburg war bei der WM in Australien und Neuseeland mit dem deutschen Team in der Vorrunde gescheitert. Anschließend wurde die Kritik an ihr lauter.
"Wir werden bestimmen, was passiert"
Nun soll Hrubesch die verunsicherte Mannschaft wieder aufrichten. "Wir müssen die Köpfe freibekommen und einfach Spaß haben. Mich interessiert der Gegner nicht. Mich interessiert das, was wir spielen. Das werden wir den Mädels wieder einimpfen und dann werden wir bestimmen, was da passiert. Und wir werden die Spiele gewinnen", sagte der langjährige Bundesliga-Torjäger. Seine Erfolgsformel: "Fußball ist ein ganz einfaches Spiel. Du musst nur mehr Tore schießen und keine zulassen."
Neuendorf schwärmt von Hrubesch und dankt HSV
Damit hatte der 72-Jährige die Lacher auf seiner Seite. Und Neuendorf ist felsenfest überzeugt davon, dass Hrubesch auch beim Nationalteam den richtigen Ton treffen wird. "In der jetzigen Situation haben wir alle das Gefühl, dass er ein Händchen für die Situation und die Spielerinnen hat. Dass er mit ihnen richtig umzugehen weiß und die richtige Ansprache hat. Und vor allem hat er auch eine extrem hohe Akzeptanz bei den Spielerinnen. Und das ist glaube ich ganz wichtig", sagte der DFB-Boss.
Es sei eine "glückliche Fügung", dass der Verband Hrubesch so kurzfristig für die Aufgabe habe gewinnen können, ergänzte Neuendorf und dankte dem HSV für die gute Zusammenarbeit. Dessen Vorstand Jonas Boldt habe sich "top verhalten".
Hrubesch tritt zweite Amtszeit an
Hrubesch hatte bereits 2018 zwischen den Amtszeiten von Steffi Jones und Voss-Tecklenburg die DFB-Frauen trainiert. Insofern kennt der gebürtige Hammer noch einige Spielerinnen wie Kapitänin Alexandra Popp, Svenja Huth oder Lina Magull. Britta Carlson, die zuletzt Voss-Tecklenburg vertrat, gehört weiter zum Betreuerstab. Nach Angaben von DFB-Sport-Geschäftsführer Andreas Rettig habe es Carlson abgelehnt, Voss-Tecklenburg dauerhaft zu vertreten: "Das müssen wir akzeptieren."
Zurück als weiterer Co-Trainer ist der Hrubesch-Vertraute Thomas Nörenberg. Nach wie vor vakant ist die Sportdirektoren-Stelle für die Frauen.
Nationalspielerinnen drängten auf Lösung
Viele Nationalspielerinnen hatten zuletzt deutlich eine Lösung gefordert, da ihnen der Schwebezustand um Voss-Tecklenburg sichtlich zu schaffen machte. Die Bundestrainerin fehlt nunmehr seit sechs Wochen, die WM-Analyse konnte nicht abgeschlossen werden. Das WM-Debakel und die anschließende 0:2-Auftaktniederlage in Dänemark in der Nations League sorgten für tiefe Verunsicherung.
"Mir fehlt die Freude, mit der sie sonst immer gespielt haben. Und die Charaktereigenschaft, nie aufzugeben. Ich werde sie fragen, warum das so ist." Horst Hrubesch
Ein kleiner Stimmungsaufheller beim Rekordeuropameister war dann der darauffolgende 4:0-Erfolg in Bochum gegen Island, bei dem das DFB-Team sein fraglos vorhandenes großes Potenzial aufblitzen ließ. Er glaube "an diesen Kader und an diese Spielerinnen. Ich weiß, was sie können, und gehe davon aus, dass sie liefern", betonte Hrubesch. "Wir müssen jedes Spiel 100 Prozent geben und voll auf Tore spielen."
Weiterer Gegner in der Gruppe A3 ist Wales, auf das Deutschland am kommenden Freitag (17.45 Uhr) in Sinsheim trifft. Vier Tage später, am Dienstag, den 31. Oktober, steht das Rückspiel gegen Island in Reykjavík an (20 Uhr).
DFB-Team will über Nations League zu Olympia
Nur der Gruppenerste hat noch eine Chance auf das Olympia-Ticket für Paris 2024, muss aber das Halbfinale überstehen. Neben Gastgeber Frankreich dürfen lediglich zwei europäische Teams zu den Sommerspiele - die beiden Finalisten der Nations League. Hrubesch hatte schon bei seiner ersten Amtszeit die gefährdete WM-Qualifikation für Frankreich 2019 gerettet.
Falls die Sommerspiele verpasst würden, wäre die EM 2025 in der Schweiz das nächste große Turnier. So weit aber will Hrubesch noch nicht denken: "Ich bin davon überzeugt, dass wir mit dem Kader und der Mannschaft auf Olympia losgehen können und das hinkriegen."
Neuendorf schlug in dieselbe Kerbe: "Wir alle haben ein gemeinsames Ziel - und das ist die Qualifikation für Olympia. Und wir hoffen, dass wir mit Horst da in den nächsten Spielen ein gutes Stück vorankommen und die Qualifikation auch schaffen."
Däbritz und Huth zurück im Kader - Frohms fällt aus
Bei seinem Comeback als Bundestrainer vertraut Hrubesch zunächst auf bewährte Kräfte. Im Kader für die Duelle mit Wales und Island gibt es kaum Veränderungen im Vergleich zum Aufgebot der vorigen Partien. "Jetzt, wo der Druck da ist, erwarte ich, dass das bestehende Konstrukt direkt funktioniert", sagte er. Neu im Team sind lediglich die Rückkehrerinnen Sara Däbritz (Olympique Lyon) und Svenja Huth (VfL Wolfsburg). Däbritz hatte zuletzt wegen eines Trauerfalls gefehlt, Huth wegen der Geburt ihres Sohnes.
Verzichten muss Hrubesch hingegen auf Stammkeeperin Merle Frohms vom VfL Wolfsburg wegen einer Gehirnerschütterung. "Es hätte keinen Sinn gemacht, den ganzen Kader umzuwerfen", sagte Hrubesch, der auf Experimente verzichtet: "Ich sehe viel Potenzial bei diesen Spielerinnen und habe daher großes Vertrauen, dass wir diese beiden wichtigen Nations-League-Spiele positiv gestalten werden. Wir wollen es zusammen angehen."