Hrubesch und die DFB-Frauen: Klarheit, einstweilen
Horst Hrubesch vertritt die erkrankte Martina Voss-Tecklenburg und wird Bundestrainer "bis auf Weiteres", wie es in einer DFB-Mitteilung heißt. Der 72-Jährige springt nach 2018 zum zweiten Mal bei der Nationalmannschaft der Frauen ein. Eine Einordnung.
Im September wurde bekannt, dass Voss-Tecklenburg erkrankt ist - sie sei "mental und körperlich angeschlagen" von der für die Deutschen missglückten WM aus Australien zurückgekommen, sagte ihr Ehemann Hermann Voss-Tecklenburg der "Bild". Seitdem befindet sich der DFB in einer schwierigen Situation: Einer erkrankten Mitarbeiterin muss man Erholung zugestehen, ganz sicher kann man sie - weder rechtlich noch moralisch - nicht entlassen.
Vertrackt ist die Lage aber auch deshalb, weil die Trainerin den Rückhalt im Team verloren hat und weil es nach dem frühen WM-Aus viel Kritik an taktischen und personellen Entscheidungen gegeben hatte.
Rückkehr von "MVT" ungewiss
Zuletzt hatten auch mehrere Nationalspielerinnen sich Klarheit auf dem Posten der Bundestrainerin gewünscht. Bei den ersten beiden Spielen in der Nations League betreute Assistenztrainerin Britta Carlson die Mannschaft. Ambitionen, das Chefinnen-Amt zu übernehmen, hat sie keine - zudem ist sie eine loyale Mitarbeiterin in einem freundschaftsähnlichen Verhältnis zu Voss-Tecklenburg.
Die 55-Jährige hat keinen Kreuzbandriss wie eine Spielerin, bei der sich die Rückkehr auf den Platz zumindest grob abschätzen lässt. Dieser Schwebezustand aber führte bei den Spielerinnen zu Verunsicherung.
Hrubesch kommt mit Rückenwind
Nun also präsentiert der DFB die Variante Horst Hrubesch - zurück in die Zukunft. Das HSV-Urgestein übernahm bereits 2018 für acht Monate das Amt der erfolglosen Bundestrainerin Steffi Jones - und die Spielerinnen schwärmen noch heute von der Zusammenarbeit mit "Horst". Von Gesprächen auf Augenhöhe, ehrlichem Interesse, der Gabe, zu motivieren, dem kumpelhaften und so angenehmen Umgang.
Das heißt: Hrubesch kommt mit Rückenwind und wird vom Team mit offenen Armen empfangen. Der neue DFB-Geschäftsführer Sport Andreas Rettig hat in den vergangenen Tagen mit den wichtigsten Spielerinnen die Lage besprochen - auch dort könnte es ein klares Ja zum Routinier gegeben haben.
"Herzensangelegenheit" für Hrubesch
Dieser leitet das Nachwuchsleistungszentrum des HSV, für die Lehrgänge und Länderspiele der Fußballerinnen wird er vom Verein - ebenso wie Co-Trainer Thomas Nörenberg - freigestellt. Die Nationalmannschaft sei "eine Herzensangelegenheit", so Hrubesch. Nörenberg gehörte beim DFB unter Hrubesch und anschließend auch unter Voss-Tecklenburg zum Trainerteam, das er nach der erfolgreichen Euro im vergangenen August freiwillig verließ.
Zum Bedauern vieler Fußballerinnen, die seine menschliche Art sehr schätzen. Nach Informationen der "Bild" sollen die beiden das Team gemeinsam mit Britta Carlson mindestens bis Jahresende betreuen, eine DFB-Sprecherin bestätigte dies gegenüber dem NDR nicht und verwies auf die Formulierung "bis auf Weiteres".
Der DFB verschafft sich Zeit
Das schafft ein bisschen Klarheit - eben nur "bis auf Weiteres". Eine Dauerlösung mit Hrubesch wird es nicht geben. Und die Probleme im schwierigen Umgang mit Martina Voss-Tecklenburg, ihrer Krankheit, aber auch der internen und externen Kritik - sie werden aufgeschoben und eine Lösung scheint weit entfernt. Der DFB verschafft sich Zeit. Und setzt darauf, dass Hrubesch das Team erneut so begeistern kann wie in seiner ersten Amtszeit als Interimsbundestrainer.