Middendorp und Co - Deutsche Trainer im Ausland zwischen Lust und Frust
Thomas Doll, Florian Kohfeldt, Ernst Middendorp und Josef Zinnbauer coachten einst Fußball-Bundesligisten. Aktuell stehen die vier deutschen Trainer bei ausländischen Vereinen unter Vertrag. Mit Ausnahme von Ex-HSV-Coach Zinnbauer durchleben sie dabei gerade keine einfachen Zeiten.
Viel fehlte nicht, und die Cape Town Spurs hätten am vergangenen Spieltag der südafrikanischen Premier Division endlich den langersehnten zweiten Saisonsieg gefeiert. Bis zur 79. Minute führte der Club aus Kapstadt in der Auswärtspartie beim AmaZulu FC mit 1:0, dann ließ Celimpilo Ngema die Träume der Gäste von einem dreifachen Punktgewinn mit dem Ausgleich platzen. Kurz nach dem Schlusspfiff steht Ernst Middendorp vor einer riesigen Werbetafel und erklärt im TV-Interview seine Sicht der Dinge.
"Wir haben den Punkt und ich sehe, dass jeder glücklich ist. Aber für mich persönlich ist der Punkt zu wenig. Bevor das 1:1 fällt, müssen wir das 2:0 oder 3:0 machen", sagt der 65-Jährige und ergänzt mit ernster Miene: "Ich hoffe, ich bin nicht der einzige, der das Spiel so gesehen hat." Die Reporterin hakt nach, spricht den Trainer-Routinier auch auf Tormöglichkeiten der Hausherren im zweiten Abschnitt an. Middendorp blickt sie daraufhin entgeistert an. "Ich weiß ja nicht, was eure sogenannten Experten aus diesem Spiel machen", erwidert der gebürtige Emsländer. Dann beginnt er aufzuzählen, was sein Team alles richtig und falsch gemacht hat.
Cape Town Spurs Middendorps 26. Trainerstation
Das Feuer lodert also auch mit 65 Jahren und auf seiner inzwischen bereits 26. Trainerstation noch immer in Middendorp. Die Cape Town Spurs sind der zwölfte Verein, den er in seiner Wahlheimat Südafrika betreut. Dass er beim Schlusslicht ein ziemliches Himmelfahrtskommando angetreten hat, ist dem "Jahrhundertcoach" von Arminia Bielefeld natürlich bewusst. Komplizierte Aufgaben haben aber eben auch schon immer einen besonderen Reiz auf "Power-Ernst", wie ihn der Boulevard einst taufte, ausgeübt.
Nach Meppen-Abgang Kurzintermezzo in Tansania
Den SV Meppen hatte Middendorp in der Vorsaison in ähnlich aussichtsloser Situation übernommen wie nun die Spurs und den Drittligisten beinahe noch zum Ligaverbleib geführt. Den Neubeginn beim emsländischen Traditionsclub zu moderieren, fiel dem 65-Jährigen dann jedoch schwer. Nach lediglich fünf absolvierten Regionalliga-Spielen trat er als Coach und Sportlicher Leiter zurück. "Ich habe der Mannschaft mitgeteilt, dass ich nicht dafür geeignet bin, Amateure zum Laufen zu bringen", erklärte Middendorp. Er sei kein "Animateur", ergänzte er.
Es folgten ein zweiwöchiges Intermezzo beim Singida Big Stars FC in Tansania sowie der Amtsantritt bei den Spurs. "Er ist der richtige Mann für diese Aufgabe und weiß, was auf ihn zukommt. Er kennt viele der Spieler und weiß, worauf es ankommt", erklärte Sean Connor, Technischer Direktor des südafrikanischen Clubs. Bis dato ist Middendorp allerdings noch nicht der erhoffte Heilsbringer. Von vier Partien unter seiner Regie verloren die Spurs drei. "Aber wir machen Fortschritte", stellte der 65-Jährige nach dem Remis beim AmaZulu FC zufrieden fest.
Kohfeldt mit Eupen nach starkem Beginn abgestürzt
Selbiges würde Florian Kohfeldt gerne auch über die von ihm trainierte KAS Eupen behaupten. Doch die Königliche Allgemeine Sportvereinigung ist in Belgiens Jupiler Pro League nach zehn Punkten aus den ersten fünf Spielen inzwischen auf den vorletzten Tabellenplatz abgestürzt. Seit dem 28. Oktober wartet der Club mit dem laut Kohfeldt zweitniedrigsten Etat in der Eliteklasse auf einen dreifachen Punktgewinn.
Um seinen Job muss sich der frühere Coach von Werder Bremen und dem VfL Wolfsburg aktuell dennoch keine Sorgen machen. Sein Vertrag bei der KAS ist unbefristet und die Clubführung steht noch felsenfest hinter ihm.
Ex-Werder-Trainer wollte unbedingt Auslanderfahrung machen
Trotz der sportlichen Misere hat es Kohfeldt nicht bereut, den Schritt ins Ausland gegangen zu sein. "Viele Kollegen haben immer wieder davon geschwärmt und gesagt, dass ein Trainer im Ausland einfach eine andere Rolle hat als ein Trainer in Deutschland. Diese Lebenserfahrung wollte ich auch machen", erklärt der gebürtige Siegener. In Eupen ist er nicht nur als Trainer im eigentlichen Sinne gefragt. Er kümmert sich beispielsweise auch um Reise- und Essensplanung. In die Kadergestaltung war Kohfeldt im Sommer "so weit eingebunden, wie vorher noch nirgendwo".
Der "Trainer des Jahres 2018" in Deutschland betont: "Mir ging es nicht darum, einen Verein zu finden, wo ich sofort wieder im größtmöglichen Rampenlicht stehen kann. Sondern es ging mir darum: Wo kann ich von dem, was ich mir vorher überlegt habe, inhaltlich am meisten abdecken?"
Kohfeldt hat keine konkreten Zukunftpläne
Der aktuelle Misserfolg - das ist Kohfeldt anzumerken - nagt an dem ehrgeizigen Coach. Ein Abstieg mit der KAS, bei der in Kevin Möhwald, Alfred Finnbogason und Bartosz Bialek drei frühere Bundesliga-Spieler unter Vertrag stehen, wäre kein Empfehlungsschreiben für eine Anstellung bei einem deutschen Erstliga-Club. Aber ist eine nächste Trainerstation in seiner Heimat überhaupt Kohfeldts Ziel? "Dafür ist die Wahrscheinlichkeit wohl gerade am größten, dass ich wieder in Deutschland arbeiten möchte", sagt er.
Das müsse aber nicht so kommen. Er sei da keinesfalls festgelegt. "Letztendlich geht es darum, was ich reizvoll finde. Das kann ein Trainerjob in Deutschland sein. Das kann ein Trainerjob im Ausland sein. Es kann aber auch sein, dass es reizvoll ist, hier fünf Jahre in Belgien zu bleiben."
Zinnbauer mit Raja Casablanca auf Titelkurs
Während Kohfeldt wie auf seinen Stationen zuvor in Bremen und Wolfsburg nun auch in Eupen gegen den Abstieg kämpft, träumt Josef "Joe" Zinnbauer mit Raja Casablanca vom Gewinn der marokkanischen Meisterschaft. Durch einen 6:1-Erfolg gegen Ittihad Tanger übernahm der Traditionsclub just die Tabellenführung und blieb auch im 13. Saisonspiel ungeschlagen.
"Es ist nur eine Momentaufnahme. Aber sie beweist, dass wir auf dem richtigen Weg sind, um nachhaltig erfolgreich zu sein", schrieb der 53-Jährige auf seinem Instagram-Account: "Ich bin stolz, Teil dieser Reise zu sein."
Früherer HSV-Trainer via Moskau nach Marokko
Zinnbauer, der in der Saison 2014/2015 für 24 Spiele Trainer des damaligen Bundesligisten Hamburger SV war, ist seit Anfang Juni dieses Jahres Raja-Coach. Zuvor hatte der frühere Übungsleiter des VfB Oldenburg rund drei Monate lang Lokomotive Moskau betreut. Dass er trotz des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine an die Moskwa wechselte, stieß in Deutschland auf großes Unverständnis. Das war allerdings nicht der Grund für das schnelle Ende seines Engagemens in Russland: Nach nur vier Erfolgen in 15 Partien wurde Zinnbauer wegen Erfolglosigkeit entlassen.
Auch in Casablanca ist der 53-Jährige trotz der Tabellenführung nicht unumstritten. Viele Fans kritisierten ihn in den Vorwochen wegen der ihrer Ansicht nach zu defensiven Ausrichtung der Mannschaft. Mit dem Kantersieg gegen Ittihad Tanger bewies das Team kurz vor dem Jahreswechsel nun allerdings, dass es auch in der Lage ist, spektakulär Fußball zu spielen.
Auf weitere Torfestivals müssen die heißblütigen Raja-Anhänger sowie ihr deutscher Coach aber erst einmal verzichten: Wegen des Afrika-Cups (13. Januar bis 11. Februar) ruht die marokkanische Liga viele Wochen lang.
Schweres zweites Jahr für Doll in Indonesien
Auch in der Liga 1, der ersten indonesischen Liga, wird erst wieder Anfang Februar gespielt. Thomas Doll nutzt die Winterpause aktuell für einen Heimatbesuch. Der aus Malchin stammende Coach von Persija Jakarta brachte dabei ein süßes Geheimnis mit zu seinen Freunden an der Ostsee: Im kommenden Juni wird der Ex-Nationalspieler zum vierten Mal Vater. "Dass ich auf meine alten Tage noch mal Papa werde, ist riesig. Ich freue mich sehr und kann es kaum erwarten", sagte der 57-Jährige der "Bild".
Privat schwebt der frühere Publikumsliebling und Coach des HSV also auf Wolke sieben. Sportlich läuft es für den Trainer in seinem zweiten Jahr in Indonesien derweil nicht rund: Persija rangiert nach 23 Partien auf einem enttäuschenden neunten Rang.
Jakarta-Coach drückt HSV im Aufstiegsrennen die Daumen
"Leider konnten wir ohne einen durchschlagskräftigen Mittelstürmer nicht ganz oben angreifen", erklärte Doll. Im verletzungsbedingten Ausfall des brasilianischen Angreifers Gustavo sieht der Trainer einen der Hauptgründe für die bis dahin "schwierige Saison". Aber auch andere Dinge seien "nicht nach Plan gelaufen", resümierte der frühere HSV-Profi- und Trainer im Interview auf der Website seines Clubs. "Aber wir alle hier sind weiter bestrebt, unser Bestes zu geben", versprach der 57-Jährige.
Doll hat das Traineramt bei Persija im vergangenen Jahr angetreten. In seiner Premieren-Spielzeit führte er den Club auf Rang zwei. Sein Kontrakt ist noch bis 2025 datiert. Er fühlt sich wohl im fernen Indonesien, verfolgt aber auch 15 Jahre nach seinem Rauswurf beim HSV die Entwicklung seines Ex-Clubs noch mit Argusaugen: "Wenn unser kleiner Sohn geboren wird, hoffe ich, dass ich ihm ins Ohr flüstern kann, dass der HSV zurück in der Bundesliga ist."