Max Kruse in der Kreisliga: Brennende Füße und zu schnelle Gegenspieler
Der frühere Fußball-Nationalspieler Max Kruse läuft nach dem Ende seiner Profikarriere seit einigen Wochen für den Berliner Kreisligisten BSV Al-Dersimspor II auf. In der Neunten Liga hat der 36-Jährige dabei mit anderen Widrigkeiten zu kämpfen als zu seinen Zeiten als Bundesliga-Star.
Noch gemütlich eine Schrippe essen und ein bisschen im Internet surfen - Max Kruse wollte es vor seinem Debüt für die "Zweite" des Kreuzberger Clubs Al-Dersimspor ruhig angehen lassen. Doch schon 60 Minuten vor dem Anpfiff der Partie bei den Spandauer Kickers III schickt Coach Güven Akpolat den Angreifer und seine Teamkameraden zum Warmmachen auf den Kunstrasenplatz am Brunsbütteler Damm. Kruse ist irritiert. "Eine Stunde vor dem Anstoß rausgehen? Das habe ich ja nicht mal in der Bundesliga erlebt", witzelt der Ex-Profi später im Podcast "Flatterball", den er gemeinsam mit seinem Kumpel und Ex-Mitspieler Martin Harnik betreibt.
Dass er seine schmackhafte Schrippe und das Smartphone an jenem 28. April eilig zur Seite legen musste, es war für den gebürtigen Reinbeker noch mehr zu verschmerzen als das, was dann auf dem Plastikgrün folgte. "Ich habe vor dem Spiel ein, zwei Sprints gemacht - danach musste ich erst einmal fünf Minuten Pause machen. Und meine Füße haben schon nach dem Aufwärmen gebrannt", berichtete der Angreifer.
Kruse wollte nicht mehr höherklassig spielen
Rund ein halbes Jahr nach seinem Abschied vom SC Paderborn und dem damit verbundenen Ende seiner Profilaufbahn hat sich der 14-malige Nationalspieler in das "Abenteuer Kreisliga" gestürzt. Fußball ganz unten für einen, der viele Jahre ganz oben war. Auf höherklassiger Amateur-Ebene weiterzukicken, so wie es Harnik beim Hamburger Fünftligisten TuS Dassendorf macht, das kam Kruse nicht in den Sinn. "Ich habe einfach keine Lust mehr, so zu trainieren", erklärt der 36-Jährige.
Kruse genießt seit dem Ende seiner Profi-Karriere das Leben - und auch gutes Essen. Spötter meinen, dass sein aktuelles Gewicht seiner neuen Rückennummer entspricht: 99. Und die Fotos von seinem Kreisliga-Debüt lassen auch keine Zweifel daran, dass der Edeltechniker derzeit nicht ganz austrainiert ist. "Man fühlt sich ja selber nicht ganz so schlimm, wie es dann am Ende aussieht. Die Fotos sind unvorteilhaft, es sah schon sehr unglücklich aus", sagte der Offensivmann: "Aber was soll's. Es hat Spaß gemacht."
"Nach vier Runden Einlaufen war ich tot"
Er sei nicht bei "100-prozentiger Fitness", gab er offen zu. Drei Partien hat der 307-malige Bundesliga-Spieler (VfL Wolfsburg, Borussia Mönchengladbach, SC Freiburg, FC St. Pauli) inzwischen für Al-Dersimspor bestritten. Alle drei Begegnungen endeten remis. Kruses neuer Club dümpelt im grauen Tabellen-Mittelfeld der Berliner Kreisliga A, Staffel 3 herum. Der Kontakt zu den Kreuzberger Kickern kam über einen Freund zustande. Nach einem halben Jahr Fußball-Pause juckte es den einstigen Enfant terrible der Bundesliga wieder in den Füßen. Er entschloss sich zum Comeback.
Drei Tage vor seinem ersten Einsatz für Al-Dersimspor trainierte der 36-Jährige erstmals mit seinen neuen Mannschaftskameraden zusammen. "Nach vier Runden Einlaufen war ich tot", erklärte Kruse. Und auch der für ihn bis dahin ungewohnte Kunstrasen machte dem langjährigen Profi zu schaffen: "Das ist für die Knochen schon sehr anspruchsvoll."
Niveau höher als von Ex-Nationalspieler erwartet
Nach seinem Debüt Ende April habe ihm "alles wehgetan", berichtete der Ex-Nationalspieler. "Ich gehe gerade wie so ein Opa", ergänzte er lachend. Neben dem Untergrund machen es ihm auch die Gegenspieler nicht einfach in Liga neun. "Das Niveau ist besser als erwartet. Ich bin ja keiner, der durch fünf Spieler durchläuft. Und auch in der Kreisliga gibt es Leute, die schneller sind als ich", erklärte der 36-Jährige, der sofort die Kapitänsbinde bei Al-Dersimspor erhielt.
Kruse mit Doppelpack gegen den Meister
Nachdem sein Neuntliga-Debüt noch für großes mediales Echo gesorgt hatte und von vielen Zuschauern verfolgt worden war, hat sich der Hype um den früheren Nationalspieler in der Kreisliga inzwischen gelegt. Als die Kreuzberger am vergangenen Sonntag beim bereits feststehenden Meister Sport-Union Berlin antraten, wohnten lediglich eine Handvoll Schaulustige dem Duell bei.
Sie sahen eine Partie, in der bis in die Schlussphase alles auf einen Erfolg des Tabellenführers hindeutete. Bis zur 80. Minute führten die Hausherren auf der Sportanlage Westend mit 2:0. Dann aber schlug die Stunde von Kruse. In der "Crunchtime" verwandelte er zunächst einen Strafstoß und erzielte dann praktisch mit dem Schlusspfiff mit einem satten Rechtsschuss den 2:2-Endstand.
"Kein richtiger Fußball, aber es macht Spaß"
Früher hätte der Ex-Nationalspieler nach so einer dramatischen Partie ein Bad in der Menge genossen, wäre von einem TV-Interview zum nächsten geschickt worden und hätte sich in der Kabine von einem Physiotherapeuten die Waden und Oberschenkel durchkneten lassen können. Auch ein Sprung ins Entmüdungsbecken oder die Rückfahrt vom Auswärtsspiel in einem klimatisierten Mannschaftsbus waren damals eine schöne Sache für den Lebemann. Vergangenheit.
Kruses Fußball-Alltag sind nun enge Kabinen mit nicht immer warmen Duschen, Rückfahrten mit dem eigenen Moped und schmerzende Knochen am Tag danach. Klingt nicht gerade vergnügungssteuerpflichtig für einen Mann, der 14 Profijahre hinter sich hat. Doch der "Hamburger Jung" hat Gefallen daran gefunden, wieder dort zu kicken, wo einst für ihn alles begonnen hat: im Amateurbereich. "Es ist zwar kein richtiger Fußball, aber es macht halt Spaß. Es ist ehrlich, weil die Leute es einfach machen, weil sie Bock drauf haben", erklärt der 36-Jährige.