Holstein Kiel gegen Darmstadt ohne Fans, aber mit viel Optimismus
Auch wenn die Kraftreserven schwinden, will Fußball-Zweitligist Holstein Kiel am kommenden Sonntag den Aufstieg in die Bundesliga perfekt machen. Immerhin gibt es bis dahin eine ganze Trainingswoche.
Vor allem psychologisch sind die "Störche" nun gefordert. "Du schleppst jetzt natürlich mit dir rum, dass wir diesen Matchball nicht genutzt haben", brachte es Fin Bartels nach der 2:3-Niederlage in Karlsruhe auf den Punkt. Ein wenig schwang da Angst mit: Geht den Kielern nach dem Termin-Marathon der jüngsten Tage und Wochen unmittelbar vor Erreichen der Ziellinie die Puste aus?
KSV-Coach Werner: "Haben weiter alles selbst in der Hand"
Stefan Böger, der 2006/2007 Trainer bei den Schleswig-Holsteinern war, glaubt nicht an ein Kieler Scheitern: "Das ist eine Charakter- und Persönlichkeitsfrage. Den unbedingten Willen zu haben, diese hervorragende Saison mit dem Bundesliga-Aufstieg zu krönen - daraus schöpfen sie ihre Kraft", sagte der 54-Jährige dem NDR.
Auch KSV-Coach Ole Werner hat den Rückschlag weggesteckt und gibt sich vor der kommenden Partie am Sonntag (15.30 Uhr, im Livecenter bei NDR.de) gegen Darmstadt 98 trotzig: "Mund abputzen und weitermachen, schließlich haben wir weiter alles selbst in der Hand."
Ein Sieg gegen Darmstadt reicht
In der Tat: Mit einem Heimsieg wäre Kiel in die Bundesliga aufgestiegen - egal, wie die drittplatzierten Fürther gegen Düsseldorf spielen. Selbst ein Remis würde den "Störchen" reichen, wenn die Franken ihrerseits ebenfalls nicht gewinnen.
"Wir haben eine Situation, die 16 Vereine dieser Liga gerne hätten. Eine Situation, die wir vor Saisonbeginn alle unterschrieben hätten, und die uns vor vier bis fünf Wochen wohl niemand zugetraut hätte." KSV-Coach Ole Werner
Er werde seine Akteure darauf hinweisen, was sie in dieser Spielzeit im DFB-Pokal (Halbfinale) und als Überraschungszweiter der Zweiten Liga alles schon geleistet haben, sagte Werner: "Wir spielen nur noch, um etwas zu gewinnen. Wir haben schon eine Menge gewonnen. Jetzt gibt es immer noch etwas zu gewinnen und wir haben die besseren Karten."
Erstmals seit Februar eine Woche Training
Denn die Kieler wurden wie kein anderes Team der Liga durch die Corona-Pandemie ausgebremst. Insgesamt 28 Tage Quarantäne ausgerechnet in der "Crunchtime" der Saison - das hätte viele Clubs aus der Bahn geworfen. Doch ganz nach der Parole "Scheißegal, wir packen das!", die sie auf einem in ihrem Quarantäne-Hotel in Kiel aufgehängten Banner verewigt haben, stellten sich die Schleswig-Holsteiner der Situation, holten danach mit Spielen im Drei-Tage-Rhythmus starke 16 von 18 möglichen Punkten - und ließen sich dabei auch vom 0:5-Pokal-Debakel beim BVB nicht entmutigen.
Ebenso wenig soll die Niederlage in Karlsruhe jetzt negativ aufs Kieler Gemüt schlagen. Es sei doch klar gewesen, dass seine Spieler praktisch ohne Training in der entscheidenden Saisonphase nicht jede Partie gewinnen würden, sagte Werner und blickte voller Vorfreude auf die kommenden Tage: Er habe "zum ersten Mal seit Februar eine komplette Trainingswoche", in der seine Truppe zu Kräften kommen, sich gut und konzentriert vorbereiten könne.
Bitte keine Saisonverlängerung...
"Wir sind noch immer in der Pole Position und werden alles daran setzen, unser letztes Spiel zu gewinnen", versprach Torjäger Janni Serra. Denn eines ist auch klar: Sollte es am Sonntag erneut nicht klappen mit dem Bundesliga-Aufstieg, bliebe den Kielern zwar immer noch die Chance, das große Ziel über die Relegation zu erreichen. Doch eine solche Saisonverlängerung wollen die ausgepumpten "Störche" gerne vermeiden.
Holstein verzichtet gegen Darmstadt auf Fans
Es gilt also für die KSV, gegen Darmstadt noch einmal die letzten Kräfte zu mobilisieren. Eine Unterstützung von Fans wäre dabei fraglos hilfreich. Doch Holstein verzichtet auf einen möglichen Einlass von Anhängern in sein Stadion. "Auch wenn im Rahmen eines Modellprojekts eine begrenzte Anzahl von Zuschauern erlaubt sein könnte, werden wir unser letztes Heimspiel gegen Darmstadt 98 in der gewohnten Art und Weise wie in den vergangenen sieben Monaten im Holstein-Stadion austragen", sagte Clubchef Steffen Schneekloth.
KSV will keine Sonderrolle einnehmen
Der Zweitliga-Zweite zeigte sich überrascht von der Ankündigung der Stadt Kiel, dass für das letzte Saisonspiel Zuschauer zugelassen werden könnten. "Weder sollte der Profifußball für sich eine Sonderrolle in der Gesellschaft reklamieren. Denn auch in anderen Veranstaltungsbranchen sind derzeit keine Zuschauer zugelassen. Noch möchte die KSV Holstein eine Bevorzugung gegenüber anderen Sportvereinen im Land erfahren", erklärte Schneekloth. "Denn auch in anderen Ligen und Sportarten kämpfen, sofern möglich, Sportler*innen um Auf- und gegen Abstiege."
Man sei dafür, dass eine einheitliche Regelung gefunden werde. Der Verein hofft vielmehr, "dass ab der kommenden Saison wieder überall Fans mit dabei sein können, denn davon lebt der Sport". Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) lobte diese Entscheidung als "Ausdruck großer Verantwortung der Vereinsführung". Ziel sei es, alle Stadien in der neuen Saison wieder für Zuschauer zu öffnen.