Hansa Rostock am Abgrund: Nun muss ein kleines Wunder her
Für den FC Hansa Rostock ist die Lage im Abstiegskampf der 2. Liga nach der Heimpleite gegen den Karlsruher SC noch dramatischer geworden. Abermals brachte sich der Tabellen-17. durch schwache Chancenverwertung und individuelle Fehler um einen Punktgewinn. Bei einer Pleite am Sonnabend auf Schalke droht der vorzeitige Abstieg.
Hätte er ihn doch einfach nur gestellt. Oder laufengelassen. Aber eine Grätsche im Außenbereich des Strafraums gegen einen Spieler, der sich nicht einmal zum Tor hinbewegt? Sie war so überflüssig wie der berühmte Kropf. Warum der erfahrene Linksverteidiger Konstantinos Stafylidis in der 55. Minute des Duells mit dem KSC zu einem Tackling gegen Igor Matanovic ansetzte und den Angreifer zu Fall brachte, es war für seinen Trainer Mersad Selimbegovic auch lange nach der Partie noch ein großes Rätsel.
"Da darfst du nie so hingehen. Wenn einer von dort ein Tor schießt, dann musst du ihm die Hand geben. Aber normalerweise fängt der Torwart den Ball einfach ab", sagte der 42-Jährige über das Foul von Stafylidis, das zum Strafstoß und dem 2:1-Siegtreffer für die Badener führte. "Es passt irgendwie zu unserer Situation, dass wir immer wieder Aussetzer haben, die der Gegner dann ausnutzt", resümierte der Coach genauso verbittert wie ratlos.
Selimbegovic: "Kleine Chance ist noch da"
Es sind solche individuellen Aussetzer, die Hansa neben der schon chronischen Abschlussschwäche - die Rostocker sind gemeinsam mit Schlusslicht VfL Osnabrück das ungefährlichste Team der 2. Liga - an den Abgrund gebracht haben. Mit den Worten "Aktuell sieht es nicht gut aus", umschrieb Mittelfeldmann Dennis Dressel die Situation im NDR Interview beinahe noch beschönigend.
Denn zwei Spieltage vor dem Saisonende haben die Mecklenburger ihr Schicksal nicht mehr in der eigenen Hand. Sie müssen auf Patzer der vor ihnen liegenden Clubs hoffen und selbst ihre Begegnungen beim FC Schalke 04 (Sonnabend, 13 Uhr) sowie gegen den SC Paderborn (19. Mai, 15.30 Uhr) bestenfalls gewinnen, um den Abstieg zu verhindern. "Eine kleine Chance ist noch da. Die können wir am nächsten Spieltag ein bisschen größer machen. Das ist das Einzige, was uns jetzt interessieren soll und muss", sagte Selimbegovic.
Hansa nach der Halbzeit im Gedankenkarussell
Der Bosnier wirkte nach der neunten Pleite in seinem 15. Spiel als Hansa-Trainer desillusioniert. Mehrfach hatte er in seiner Amtszeit personelle und taktische Veränderungen vorgenommen, an diversen Stellschrauben gedreht und immer wieder vor allem eines gefordert: Einsatz bis zur letzten Sekunde. In puncto Arbeitsmoral und Leidenschaft war den Rostockern auch gegen Karlsruhe nichts vorzuwerfen. Und auch fußballerisch war die Leistung mit Ausnahme einiger Phasen zumindest in einem für die 2. Liga tauglichen Bereich.
Hätte nun auch noch der Kopf bei den Hansa-Akteuren mitgespielt, es wäre vielleicht sogar ein Sieg gegen die formstarken Badener möglich gewesen. Aber zu viele Rostocker waren nach der Halbzeit im Gedankenkarussell, wie Selimbegovic erschrocken feststellte: "Du kannst in dieser Situation einfach nicht mit den Gedanken rausgehen, etwas verlieren zu können. Du musst den Gedanken haben, etwas gewinnen zu können. Und das ist uns heute nicht gelungen."
Dressel: "Es ist einfach gerade bitter"
Weil Hansa zu Beginn des zweiten Abschnitts mental nicht auf der Höhe war, konnte der KSC einen 0:1-Rückstand mit freundlicher Rostocker Unterstützung in eine 2:1-Führung umwandeln. "Es ist nicht zu erklären, dass wir in fünf Minuten alles herschenken", sagte Dressel selbstkritisch.
Auch ihm hatte das Pech buchstäblich an den Füßen geklebt, als er mit einem satten Schuss am Pfosten scheiterte. "Wenn wir ein paar Plätze weiter obenstehen würden, wäre der Ball wahrscheinlich reingegangen", mutmaßte der Mittelfeldakteur: "Es ist einfach gerade bitter".
Hansa droht bei Pleite auf Schalke vorzeitiger Abstieg
Ebenfalls einen Begriff mit dem Buchstaben "B" am Anfang bemühte Selimbegovic gleich mehrfach, um die Dramatik der Niederlage und der Rostocker Lage zum Ausdruck zu bringen: "brutal." Die Anfangsphase von Hälfte zwei? "Wir sind brutal schlecht aus der Kabine rausgekommen." Der Karlsruher Ausgleich? "Brutal gut herausgespielt."
Die Entstehung des Elfmeters, der zum 1:2 führte? "Brutal unnötig." Die allgemeine Stimmung? "Wir sind brutal enttäuscht, weil es ein brutaler Schritt in die richtige Richtung hätte sein können." Auf die im Abstiegskampf häufig bemühten Floskeln wie beispielsweise "Die Hoffnung stirbt zuletzt" verzichtete der Coach übrigens.
"Wir brauchen jetzt keine Durchhalteparolen", erklärte er. Wohlwissend, dass bereits am kommenden Sonnabend der Abstieg bei einer Pleite auf Schalke und gleichzeitigen Erfolgen der Konkurrenz im Tabellenkeller feststehen könnte. Eine bittere Realität, oder um den von Selimbegovic bevorzugten Ausdruck zu benutzen: die "brutale" Wahrheit.