HSV nach dem Trainingslager: Aufbruchstimmung und Verletzungssorgen
Acht Tage verbrachte Fußball-Zweitligist HSV in Spanien, um sich auf die Rückrunde vorzubereiten. Vorher gab es große Debatten um Trainer Tim Walter, der nach internen Besprechungen bleiben durfte. Was hat sich bei den Hamburgern vor dem Rückrunden-Start getan?
Ein Schenkelklopfer ging den HSV-Fans nach den beiden 2:2-Unentschieden in den Testspielen im spanischen Trainingslager locker von den Lippen: "Schon wieder einen Punkt auswärts geholt!" Gelächter brach unter Dutzenden Mitgereisten aus Hamburg aus.
Ja, diese Auswärtsschwäche in der Hinrunde - das ist ein Grund dafür gewesen, dass Sportvorstand Jonas Boldt unzufrieden war mit der Punkteausbeute in der ersten Saisonhälfte. Auch andere Dinge wurden intern besprochen und erste Schritte zur Besserung waren in Sotogrande an der Südspitze Spaniens zu erkennen.
Meffert: "Die Mannschaft steht hinter dem Trainer"
Zunächst müssen sich die Fans wenig Sorgen machen um den körperlichen Zustand der Mannschaft. Auch wenn es sowohl beim 2:2 gegen die PSV Eindhoven als auch beim 2:2 gegen den FC Zürich am Ende jeweils kein Fußball-Feuerwerk mehr war - das lag eher an den anstrengenden Einheiten am Mittelmeer als an Faulheit. Ebenfalls weiterhin ein großes Plus: Der Team-Zusammenhalt. "Die Mannschaft steht hinter dem Trainer", sagte Mittelfeldspieler Jonas Meffert.
Rückstand ja, aber auch Euphorie beim HSV
Und weil die Mannschaft - trotz mangelnder Ausbeute in der Hinrunde - auch das Hamburger Publikum teilweise begeistern konnte, ist atmosphärisch und intern alles im grünen Bereich beim HSV. Trotz zwei Punkten Rückstand auf den FC St. Pauli und vier auf den Überraschungs-Herbstmeister Holstein Kiel.
Das ist ein großes Verdienst der Verantwortlichen und war beim HSV jahrelang nicht so. Nach vielen Jahren voller Unzufriedenheit verkehrt sich die Stimmung rund um den Verein sogar manchmal ins Gegenteil: Euphorie, wo Euphorie noch gar nicht angebracht scheint.
Problemfeld Standards wurde angegangen
Interessant wird es beim Blick auf die HSV-Problemfelder. Die Standard-Situationen zum Beispiel. Offensiv zu wenig effektiv - das war eine Erkenntnis der vorweihnachtlichen Analyse. In Spanien wurden Ecken und Freistöße nun besonders trainiert, und siehe da: Im ersten Test gegen Eindhoven gelingt Guilherme Ramos nach einer Ecke sofort ein Kopfballtor.
Es geht also, aber die Frage wird sein, ob dies die Ausnahme war oder die Regel wird. Ausgang also offen. Das nächste Problemfeld ist das Abwehrverhalten, zum Beispiel in gegnerischen Konter-Situationen. Auf dem Santa Maria Polo Club in Sotogrande wurde oft in zwei Gruppen trainiert. Eine Gruppe beschäftigte sich mit dem Spiel mit dem Ball, die andere mit dem Spiel gegen diesen. Die Gegentore beim 2:2 gegen den FC Zürich im Test am Ende des Trainingslagers lassen erahnen, dass der HSV noch lange nicht das Defensiv-Bollwerk der Zweiten Liga wird. Auch in dieser Frage also: Ausgang offen.
Trainer Walter überzeugt vom Bundesliga-Aufstieg
Dagegen steht immer wieder das unerschütterliche Selbstvertrauen von Walter. Im Golfhotel "So" hat er erneut versichert, dass er vom Bundesliga-Aufstieg seines Teams überzeugt ist. Als Gründe dafür führt er den Leistungsgedanken und den Lernwillen in seiner Mannschaft an. Es habe schon in den vergangenen Jahren immer wieder geklappt, dass seine Profis nach Rückschlägen eine positive Reaktion gezeigt hätten.
Verletzungen in der Abwehr bereiten Sorgen
Allerdings, und auch das macht eine Prognose der HSV-Rückrunde so schwierig, steht Walter auch immer wieder vor personellen Problemen. Zu seinem Glück hat sich Mittelfeldstratege Ludovit Reis nach Schulter-OP wieder zurückgekämpft. Hält die Schulter, dann ist er der Top-Kandidat für einen Stammplatz im Team.
Doch: Die wichtigste Position ist nicht sicher besetzt. Mannschaftskapitän Sebastian Schonlau fehltschon wieder wegen einer Wadenverletzung. Die soll nun zwar nicht so schlimm sein wie in der Vorrunde, als Schonlau monatelang ausfiel, doch der Praxistest hat gezeigt: Immer, wenn Schonlau nicht dabei ist, wackelt die Defensive des HSV ganz besonders.
Schlägt der HSV nochmal auf dem Transfermarkt zu?
Neuzugänge in der Innenverteidigung, die sofort helfen, sind schwer zu bekommen. Wobei Trainer Walter schon vorgebaut und angekündigt hat, dass seine Mannschaft eigentlich auf jeder Position noch Verstärkungen gebrauchen könnte - abgesehen vom Torwart.
Mit dem ersten Samstagabend-Topspiel auf Schalke am 20. Januar (20.30 Uhr im NDR Livecenter) beginnt für den HSV die Zweitliga-Rückrunde. Die Hamburger sind zunächst in der Verfolgerrolle, was ihnen in der Vergangenheit mehr gelegen hat als die Rolle des Gejagten. Der Aufstieg ist das Ziel, logisch.
Boldt: "Wir wollen wieder für Unterhaltung sorgen"
Sportvorstand Jonas Boldt hat augenzwinkernd aber noch eine andere Prognose aufgestellt. "Wir wollen wieder für Unterhaltung sorgen. Ich glaube, das können wir." Nur mit Unterhaltung, das wissen Boldt und Walter ganz genau, werden sie beim HSV aber nicht alt werden. In den vergangenen Monaten haben sich fast alle Leistungsträger zum HSV bekannt, auch die Verantwortlichen haben nicht gewechselt.
Die Nachsteuerungen in der Winter-Vorbereitung müssen nun sitzen beim Ex-Bundesliga-Dino. Sonst geht die Zweitliga-Geschichte des HSV noch ein Jahr weiter - dann aber vermutlich nicht mehr mit Tim Walter.