FC St. Pauli spielt "Herz von St. Pauli" vorerst nicht mehr
Der FC St. Pauli wird die Kult-Hymne "Herz von St. Pauli" am Millerntor bis auf Weiteres nicht mehr spielen. Der Austausch mit den Fans zum weiteren Umgang mit dem Lied wird fortgesetzt. Der Song sorgt wegen der Nazi-Vergangenheit seines Texters für Diskussionen beim Fußball-Bundesligisten.
Das Abspielen des Songs im Stadion werde ausgesetzt, teilte St. Pauli am Freitagmittag mit. Das nächste Heimspiel bestreiten die Kiezkicker bereits am Sonnabend (15.30 Uhr, im NDR Livecenter) gegen den SC Freiburg.
"Wir wissen und verstehen absolut, dass das Lied für viele Menschen eine sehr große emotionale Bedeutung hat", betonte Präsident Oke Göttlich. Das könne auf persönlicher Ebene auch so bleiben, doch eine Hymne im Stadion solle die Menschen zusammenbringen und verbinden. Das sei aber aktuell nicht möglich, denn viele Mitglieder und Fans hätten deutlich gemacht, dass sie sich mit dem Lied nicht mehr wohl fühlen. Göttlich: "Wir verstehen und respektieren die verschiedenen Argumente in dieser komplexen Diskussion."
Göttlich: Nicht einfach "Weiter so"
Viele Fragen seien derzeit noch offen, was die Rolle von Texter Josef Ollig beim NS-Vernichtungskrieg in Osteuropa und in der Nachkriegszeit betrifft. Daher soll der Austausch fortgeführt werden - auf Basis einer wissenschaftlichen Dokumentation. "Wir wollen eine möglichst fundierte Grundlage schaffen und keine vorschnellen Entscheidungen treffen. Wir wollen aber auch nicht einfach 'Weiter so' sagen", so Göttlich.
"Das Herz von St. Pauli" wird seit etwa 20 Jahren am Millerntor gespielt. Der Austausch mit Fans aus allen Bereichen des Stadions habe aber "eindeutig gezeigt, dass das Lied angesichts der laufenden Diskussionen derzeit nicht als Hymne funktioniere", so der Club in seiner Mitteilung. "Wenn es beim Abspielen der Hymne zu Pfiffen und gegenseitigen Beschimpfungen kommt, ist das nicht hinnehmbar und hilft niemandem", sagte Göttlich.
Der Verein will eine Veranstaltung organisieren, bei der die Ergebnisse der Dokumentation vorgetragen und diskutiert werden können. Erst danach soll es eine endgültige Entscheidung über den Umgang mit dem Lied geben.
Texter Josef Ollig mit NS-Vergangenheit
Auslöser für die hitzigen Diskussionen, die inzwischen über die Anhängerschaft hinausgehen, ist eine umfassende Recherche des FC-St.-Pauli-Museums zur Entstehung des Liedes "Das Herz von St. Pauli". Konkret geht es um die Biographien des Interpreten (Hans Albers), des Komponisten (Michael Jary) und des Texters (Josef Ollig), deren Wirken das Museum in einem Podcast zur Geschichte des Clubs näher beleuchtet.
Vor allem Olligs Rolle als Soldat der Wehrmacht und Kriegsberichterstatter für die NS-Propaganda macht weiten Teilen der aktiven Fanszene schwer zu schaffen. Ollig war 1940 zur Luftwaffe eingezogen worden. Im Jahr 1941 nahm er am Feldzug gegen die Sowjetunion teil und war als Angehöriger eines Flak-Korps an mehreren Schlachten beteiligt, unter anderem in Kiew und Moskau. Im November 1941 erhielt er das Eiserne Kreuz zweiter Klasse, einen Monat später das Sturmabzeichen aller Klassen und wurde zum Unteroffizier befördert.
Werk vom Autor trennen?
Während einige Fans die Meinung vertreten, dass St. Pauli Werk und Autor in diesem Fall trennen möge, weil man den Song längst positiv besetzt hat, fordern andere das abrupte Ende des musikalischen Rituals. Dass am Millerntor nicht die Version von Albers, sondern die rockige von "Phantastix & Elf" gespielt wird, kann den Ärger nicht ersticken.
Die Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit ist beim FC St. Pauli nicht neu. So sorgte in den 1990er-Jahren etwa der Stadionname für hitzige Debatten. Die Arena trug zu Ehren des früheren Vereinspräsidenten jahrelang den Namen "Wilhelm-Koch-Stadion". Als dessen Vergangenheit als NSDAP-Mitglied aufgedeckt wurde, traf der Club eine klare Entscheidung: 1998 wurde das Stadion umbenannt und heißt seitdem Millerntor-Stadion. "Veränderungen schaffen Raum für Neues", sagte Göttlich. Das betreffe auch die Lieder, die im Stadion gespielt würden.
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