FC St. Pauli schon in beeindruckender Frühform

Stand: 16.07.2023 15:23 Uhr

Fußball-Zweitligist FC St. Pauli zeigt sich zwei Wochen vor dem Saisonauftakt bestens gerüstet. Die Kiezkicker beeindruckten nicht nur in den Testspielen, sondern auch im Trainingslager. Eine Zwischenbilanz.

von Sebastian Rieck

Wer im Trainingslager in St. Leonhard (Südtirol) die Einheiten verfolgte, bemerkte schnell mehrere Auffälligkeiten: Zum Einen ist es die Eingespieltheit des Kaders, die Selbstverständlichkeit von Abläufen, die auch die Neuzugänge schnell adaptiert haben.

Außerdem fällt das positive Miteinander auf. Und gleichzeitig die hohe Leistungsbereitschaft auf dem Platz. Die gute Form ist entweder SCHON da - oder NOCH, so als hätten die Spieler ihre sensationelle Rückrunde einfach mit über die Sommerpause genommen.

Dis bisherigen Transfers

Gleich zehn Spieler haben den Verein nach der Saison verlassen. Das klingt erstmal nach einem heftigen Umbruch, bei genauerem Hinsehen waren das allerdings größtenteils Akteure aus der zweiten und dritten Reihe. Lediglich Kapitän Leart Paqarada und Offensivmann Lukas Daschner gehörten in der Rückrunde zum Stammpersonal.

Dem gegenüber stehen fünf Neuzugänge, wobei Innenverteidiger Karol Mets vorher schon ausgeliehen war und nun fest verpflichtet wurde. Außer ihm sind Hauke Wahl (Innenverteidiger), Philipp Treu (Außenverteidiger), Andreas Albers (Mittelstürmer) und Danel Sinani (offensive Außenbahn) neu dabei.

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Weitere Bedarfe: Eigentlich keine, es müsste schon ein sehr, sehr guter Spieler noch irgendwo auftauchen, damit St. Pauli noch einmal handelt. Und zwar, weil der Kader so breit aufgestellt und auf nahezu allen Positionen mehrfach gut besetzt ist, dass es am Millerntor keine offenen Baustellen gibt. Genau diese Luxussituation könnte aber für Fabian Hürzeler zur Herausforderung werden.

Der Trainer

Fabian Hürzeler hat in seiner ersten Halbserie als Cheftrainer aufhorchen lassen. Unter dem 30-Jährigen wurde aus dem Abstiegs- ein Aufstiegskandidat, der von Sieg zu Sieg eilte. Nun geht er in seine erste komplette Saison und es wird spannend, wie er mit dem gestiegenen Erwartungsdruck umgeht. Seine Antwort darauf: "Das ist mir egal, denn den größten Druck mache ich mir eh immer selbst."

Nun hat er eine Mannschaft, die Art und System des jungen, ehrgeizigen und lautstarken Trainers kennt. Dazu gehörte auch, dass er zuletzt ein Coach war, der gerne immer wieder der gleichen Startelf vertraute. Das macht es für Ersatzspieler normalerweise schwerer, auf Einsatzminuten zu kommen. Und genau das könnte zum Problem der Marke "Qual der Wahl" werden.

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Beispiel Innenverteidigung: Mit Karol Mets, Jakov Medic, dem nach langer Verletzung zurückgekehrten David Nemeth, Hauke Wahl (der in Kiel Kapitän war und sicher keine Ambitionen als Bankdrücker hat), Adam Dzwigala und Eric Smith hat Hürzeler gleich sechs Akteure, die alle Stammspieler-Ambitionen haben - und die sich um zwei, maximal drei Plätze streiten. Immer wieder steht ein Abgang von Jakov Medic in die Bundesliga im Raum, anders als im Vorjahr aus Stuttgart gibt es - Stand jetzt - aber keine Angebote für die Abwehrkante.

Ähnlich eng ist die Situation vorne: Im Sturm wollen Andreas Albers, David Otto, Etienne Amenyido und Johannes Eggestein die Lücke füllen, die Lukas Daschner hinterlässt. Dazu kommt der bullige Brasilianer Maurides demnächst aus seiner Knieverletzung zurück. Auch hier droht Frust.

Die Gewinner des Trainingslagers

Der ausgeglichene Kader und die gute Form aller Spieler macht es schwer, einzelne herauszuheben. Wenn, dann drängen sich zwei Namen auf: Etienne Amenyido hat gezeigt, dass er nicht nur im Sturmzentrum, sondern auch hinter den Spitzen und vor allem auf der linken Außenbahn sehr gut spielen kann. Gut möglich, dass er dort den zuletzt erstarkten Elias Saad verdrängen könnte. Saad ist zwar trickreicher und etwas wendiger, Amenyido aber bringt mehr Physis, Erfahrung und Torgefahr mit, dazu eine enorme Schnelligkeit.

Zudem harmoniert er als Achse gut mit dem zweiten "Gewinner" Lars Ritzka, der auf der linken Verteidigerposition hinter ihm agiert. Zwei Jahre war Ritzka Ersatz hinter Leart Paqarada, nach dessen Wechsel in die erste Liga soll nun seine Zeit gekommen sein. Im Trainingslager hat er gezeigt, dass er mitnichten nur der defensivstarke Kämpfer ist, als der er gehandelt wird, sondern auch durchaus offensive Akzente setzen kann.

Luca Günther aus der U23 hat auf der Außenverteidiger-Position ebenfalls die Hand gehoben, für ihn allerdings kann nur ein regelmäßiges Dabeisein bei den Profis das Ziel sein, ein Platz auf dem Feld ist noch keine echte Option.

Die Testspiele

Bemerkenswert: Mit Randers FC (Dänemark), Austria Lustenau (Österreich) und Sabah FK (Aserbaidschan) waren gleich drei Erstligisten unter den sechs Gegnern, die St. Pauli allesamt mit mindestens zwei, in der Regel aber drei oder mehr Toren Vorsprung schlagen konnte. Dabei überzeugte die Mannschaft spielerisch, den österreichischen Erstligisten Lustenau ließ sie gar wie einen Oberligisten aussehen, Sabah FK ist immerhin Vizemeister seines Landes und spielt in der Qualifikation zur Uefa Conference League.

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Zudem zeigte sich in den Spielen mal wieder, dass St. Pauli relativ unabhängig von der personellen Aufstellung konstant ist, also nicht nur eine vermeintliche erste Elf funktioniert. Und die beiden Spiele gegen Sabah und Bielefeld waren ganz am Ende des Trainingslagers als die Profis nach anstrengenden Einheiten körperlich auf dem Zahnfleisch gingen, sich aber zum Erfolg durchgebissen haben.

Das Fazit

Die Liga ist zumindest nominell stärker als in der Vorsaison. Mit Schalke 04 und Hertha BSC Berlin gibt es zwei Erstliga-Absteiger, die klar das Ziel ausgegeben haben, sofort wieder ins Oberhaus zurückzukehren. Dann ist da noch der HSV, der den Großteil seines Teams gehalten und sich punktuell verstärkt hat - und endlich auch wieder aufsteigen will.

Düsseldorf mit Trainer Daniel Thioune muss auch mit genannt werden, dazu gibt es in der zweiten Liga immer eine Mannschaft, die oben mitmischt und mit der kaum jemand so richtig gerechnet hat. Für die Rolle des Überraschungsteams haben den FC St. Pauli aber nach dem furiosen letzten Halbjahr bereits zu viele Experten auf dem Zettel.

Die Mannschaft ist zwar weit davon weg, als klarer Aufstiegskandiat zu gelten. Utopisch, so jedenfalls der Eindruck aus dem Trainingslager, ist eine Überraschung mit der Mannschaft aber auch nicht. Kapitän Jackson Irvine formuliert es so: "Alles kann passieren. Wenn wir uns auf uns fokussieren und unsere beste Leistung bringen, werden viele Gegner in dieser Saison nicht gerne gegen uns spielen wollen. Dafür müssen wir uns auf das konzentrieren, was wir kontrollieren können. Wir werden versuchen, in so guter Form wie möglich zu sein."

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Dieses Thema im Programm:

Sport | 16.07.2023 | 23:03 Uhr

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