FC St. Pauli: Hürzeler hat die Stellschrauben gefunden
Drei Spiele, drei Siege, kein Gegentor - Trainer Fabian Hürzeler hat dem verunsicherten Fußball-Zweitligisten FC St. Pauli wieder Selbstbewusstsein eingehaucht. Der 29-Jährige hat offenbar die richtigen Stellschrauben gefunden.
"Wir haben die Mentalität. Das haben wir schon öfter bewiesen", sagte Lukas Daschner. Allerdings im November vergangenen Jahres, nach dem 4:4 beim Karlsruher SC, der letzten Partie der Kiezkicker, die Hürzelers Vorgänger Timo Schultz zu verantworten hatte - und die eine punktemäßig schwache Hinrunde abschloss.
Drei Monate später klingt die Spielanalyse gleich: "Wir wussten, dass es heute sehr stark auf die Mentalität ankommen wird. Wir haben einfach sehr gut dagegengehalten und am Ende auch verdient gewonnen", sagte Marcel Hartel nach dem 1:0-Erfolg am Sonntag gegen den 1. FC Kaiserslautern, dem dritten Sieg unter dem neuen Coach. Das Engagement ist also gleich geblieben, das Resultat nun aber deutlich besser - was macht Hürzeler anders als Schultz?
Irvine: "Er gibt uns Struktur"
"Schon in der Hinrunde lief vieles richtig, da hat uns das Matchglück gefehlt", sagte Leart Paqarada und auch Hartel sprach vor einer Woche im NDR Sportclub lediglich von ein "paar kleinen Stellschrauben", an denen Hürzeler gedreht habe. Doch ein bisschen mehr muss es schon gewesen sein, sonst wäre beispielsweise die Steigerung des GSN-"Performance-Score" von 52,87 auf 58,10 wohl kaum möglich.
"Er gibt uns Struktur, aber er lässt uns auch Freiheiten", lobte Jackson Irvine den Coach, der mit seinen 29 Jahren der jüngste im deutschen Profifußball ist. Paqarada sieht sein Team belohnt für die harte Arbeit während der WM- und Winterpause: "Wir haben die lange Vorbereitung einfach gut genutzt und sind gefestigt in die Spiele gegangen."
Defensive Stabilität
"Fehlende Balance zwischen Defensive und Offensive" hatte Sportchef Andreas Bornemann unter anderem als Grund für die sportliche Talfahrt der Hinrunde ausgemacht und so die Trennung von Schultz begründet. Unter Hürzeler glänzen die Kiezkicker nun vor allem durch defensive Stabilität. Nimmt man die letzten beiden Testspiele der Vorbereitung (immerhin gegen die Erstligisten Mönchengladbach und Midtjylland) dazu, sind die Hamburger seit nunmehr fünf Partien ohne Gegentor. Zum Vergleich: Zu Null spielte St. Pauli in der Hinrunde nur vier Mal, holte in diesen vier Begegnungen allerdings auch nur zwei Siege.
Hürzeler lässt im Gegensatz zu Schultz sein Team sehr variabel in einem 3-4-3-System auflaufen, das durch die Außenbahnspieler Manolis Saliakas und Paqarada ebenso als 5-2-3 interpretiert werden kann. Ein ganz wichtiger Mann in St. Paulis Dreierkette ist dabei Karol Mets. Der 29 Jahre alte Este sicherte sich auf Anhieb einen Stammplatz und absolvierte bislang alle Spiele über die volle Distanz: "Wie erfahren und mit welcher Ruhe er auftritt, wie er im direkten Zweikampf agiert - das sind schon Faktoren, die für ihn sprechen", hatte Hürzeler den 29-Jährigen, der laut GSN-Index sogar über Bundesliga-Potenzial verfügt, bereits nach dem 1:0-Erfolg in Nürnberg gelobt.
Offensive Effizienz
1:0, 2:0, 1:0 - ein Offensiv-Feuerwerk haben die Kiezkicker unter Hürzeler bislang nicht abgebrannt, sind aber laut Paqarada "vorne effizient unterwegs". Tatsächlich ist die Chancenverwertung um neun Prozentpunkte gestiegen, von 19,29 % auf 28,30 %. Waren unter Schultz noch 1,30 "Expected goals" pro eigenem Treffer nötig, sind es jetzt nur 0,74. Zudem ist das Team nun deutlich durchsetzungsfähiger im Dribbling. Die Erfolgsquote stieg von 52,95 % auf 60 %. Auffällig ist hier Neuzugang Oladapo Afolayan, der als Linksaußen das Flügelspiel der Braun-Weißen belebt.
Beim 2:0-Erfolg gegen Hannover 96 wurde Afolayan bei seiner Auswechslung mit Standing Ovations gefeiert und auch die Mitspieler sind begeistert: "Er ist ein aufregender Spieler und spielt einfach frei auf. Er wird großartige Dinge für uns tun", schwärmte Irvine. Möglicherweise irgendwann auch der dritte Neuzugang Maurides, der noch keine Rolle in St. Paulis Aufschwung spielt. Der Brasilianer kam bislang lediglich zu Kurzeinsätzen, dürfte allerdings mit seiner Kopfballstärke als Abnehmer für Flanken durchaus noch zum Faktor werden.
Metcalfe blüht auf
Eine weitere Stellschraube beim "neuen" FC St. Pauli trägt den Namen Connor Metcalfe. Der Australier war unter Schultz meist nur Einwechselspieler. Lediglich einmal - beim 0:0 gegen Holstein Kiel - stand er in der Startelf. Hürzeler brachte den 23-Jährigen hingegen drei Mal in Folge von Beginn an und hat den eigentlich als defensiven Mittelfeldspieler verpflichteten Profi zum Stürmer umfunktioniert. "Das überrascht mich auch selbst. So offensiv habe ich zuletzt als Elf- oder Zwölfjähriger gespielt", erklärte Metcalfe, der zweimal in Folge als Torschütze glänzte.
Eine Vorgabe hat Hürzeler noch nicht erfüllt
Gleich bei seinem Debüt als St.-Pauli-Coach beendete Hürzeler die Auswärts-Negativserie der Hamburger, die unter Schultz 13 Gastspiele in Folge nicht gewinnen konnten. Auch das war ein Grund für den Trainerwechsel gewesen. In seiner Hinrunden-Analyse hatte Bornemann zudem die "fehlende Fähigkeit, Spiele nach Rückstand zu drehen" kritisiert. Das ist St. Pauli unter Hürzeler bislang schuldig geblieben - denn in Rückstand sind die Kiezkicker unter ihrem neuen Coach noch nicht geraten ...