Harry Kane vom FC Bayern München © picture-alliance / DPA

Datenanalyse: Darum ist Bayern-Stürmer Harry Kane der King

Stand: 20.12.2023 09:21 Uhr

Harry Kane, Stürmer des FC Bayern München, dominiert. Das zeigen die Daten. Daher muss er nach nicht mal einem halben Jahr den Vergleich mit Bundesliga-Rekordspielern wie Gerd Müller und Robert Lewandowski nicht scheuen. Als Nächstes könnte das der VfL Wolfsburg zu spüren bekommen.

von Tobias Knaack

1969, als Spieler in Deutschlands höchster Spielklasse neben der Fußballkarriere auch gerne noch musikalische Pfade beschritten, besang Bayern-Stürmer Müller seine eigene Treffsicherheit mit dem kalauernden "Dann macht es bumm". Und es machte häufig bumm, sehr häufig sogar. Drei Jahre später, in der Saison 1971/1972, ganze 40 Mal. Ein Rekord für die Ewigkeit. Dachte man, bis Robert Lewandowski - ebenfalls im Trikot der Münchner - in der Spielzeit 2020/2021 einen Treffer mehr erzielte.

Gegen den VfB traf Kane prototypisch

Der Pole ist mittlerweile nach Barcelona weitergezogen und nach einem Jahr mittelstürmerischer Vakanz hat der FC Bayern mit Kane wieder einen Angreifer, bei dem es sehr häufig bumm macht. 20 Mal bisher in 14 Bundesliga-Partien. Bleibt der 30-Jährige bei diesem Tempo, könnte er den Lewandowski-Rekord, von dem man denken durfte, dass er dieses Mal wirklich für die Ewigkeit ist, ins Wanken bringen. Müller, Lewandowski, nun Kane - die Bayern haben einen neuen "Bomber". Und vielleicht noch mehr?

Gegen den VfB Stuttgart am vergangenen Sonntag hat Kane, vor der Saison von den Tottenham Hotspur aus der englischen Premier League zum deutschen Rekordmeister gewechselt, für ihn prototypisch getroffen: Tor mit rechts, Tor mit dem Kopf. Bumm bumm. 15 seiner 20 Bundesliga-Treffer hat der Engländer mit dem rechten Fuß erzielt, fünf mit dem Kopf. Alles Werte, mit denen er die Liga anführt.

Kane erzielt mit 20 Prozent seiner Schüsse ein Tor

Keine Frage: Kane ist King. Für diese Erkenntnis hätte es das überzeugende 3:0 gegen das Überraschungsteam der Liga keineswegs gebraucht. Seit seinem ersten Bundesliga-Spiel im August gegen Werder Bremen, als ihm zum Auftakt ein Tor und eine Vorlage gelangen, erreicht er herausragende Statistiken. Warum aber ist der 95-Millionen-Euro-Transfer so gut? Ist er einfach ein exzellenter Vollstrecker? Der Profiteur einer gut geölten Maschinerie?

Beileibe nicht nur, denn auch sein Performance-Score bedeutet mit 80,80 Rang eins in der Bundesliga. Englands Nationalmannschaftskapitän ist den GSN-Daten zufolge für die Bayern zunächst mal das, was ihnen in der vergangenen Saison gefehlt hat: ein effizienter Angreifer. Wenn er aus dem Spiel heraus schießt, liegt die Wahrscheinlichkeit, dass er auch trifft, bei exakt 20 Prozent. Nur Stuttgarts Serhou Guirassy und Dortmunds Niklas Füllkrug sind hier minimal effizienter.

Kane ist dabei ein Muster an Beständigkeit: Er hat nahezu alle möglichen Minuten auf dem Platz gestanden und war nur in zwei Ligapartien an keinem Treffer beteiligt - beim 2:1-Sieg gegen Mönchengladbach Anfang September und beim 1:5-Debakel gegen Eintracht Frankfurt vor anderthalb Wochen. Dazwischen lagen drei Bundesliga-Monate mit mindestens einem Scorerpunkt in jeder Partie.

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Und doch liegen Kanes Qualitäten bei aller Abschlussstärke nicht nur vor dem Tor. Oft genug lässt er sich im Spiel ins Mittelfeld - und dort bevorzugt etwas links vom Zentrum - fallen, holt Bälle (teilweise in der eigenen Hälfte), verteilt diese. Unter den Bundesliga-Stürmern ist er einer der besten, wenn es darum geht, mit Schlüsselpässen seine Mitspieler in Szene zu setzen. Ausgestochen wird er in dieser Hinsicht nur von Leverkusens Viktor Boniface.

Der beste Scorer der Bundesliga

Neben seinen 20 Buden kommt Kane so auch bereits auf fünf Vorlagen. Macht zusammen 25 Scorerpunkte - sechs mehr als der ärgste Verfolger Guirassy. Kane ist an mehr als 50 Prozent der 47 Bayern-Tore beteiligt.

Zum Vergleich: Lewandowski brachte es in seiner Rekordsaison - seiner damals zehnten in der Bundesliga - zu seinen 41 Treffern zusätzlich auf sieben Vorlagen und war an 41 Prozent aller Bayern-Tore beteiligt. Müller lieferte 1971/1972 neben 40 Toren noch 17 Assists und hatte damit Anteil an 56 Prozent der Münchner Tore. Müller traf damals alle 76, Lewandowski vor drei Jahren alle 60 Minuten - Kane netzt zurzeit alle 66.

Nicht sprint-, aber laufstark und sehr spielintelligent

Bayerns "Bomber" 3.0 ist nicht sonderlich sprint-, aber für einen Stürmer sehr laufstark. Von allen Bundesliga-Angreifern läuft er am drittmeisten. Seine mehr als 142 Kilometer in 14 Partien machen ihn zu einem sehr mannschaftsdienlichen Spieler, der sich - wenn auch kein ausgewiesener Pressingspieler - nicht zu schade ist, gegnerische Passwege zuzulaufen.

Nach vorne profitiert Kane von seiner Spielintelligenz, seinem Fußball-IQ, seiner Fähigkeit, Situationen zu lesen: Immer wieder bringt er sich so in exzellente Positionen, antizipiert Räume und Gelegenheiten und kann sich dann mit wenigen Schritten von seinen Gegenspielern absetzen. In diesem Sinne bewegt er sich ähnlich wie die Müllers - Gerd einst, Kanes Mitspieler Thomas noch heute.

Niko Kovac, Trainer des VfL Wolfsburg und Gegner zum Jahresabschluss (20.30 Uhr, im NDR Livecenter), sieht genau das als große Aufgabe für seine Mannschaft. Er möchte dem "Ausnahmestürmer" im Verbund beikommen: "Es geht nur gemeinsam", die Räume zuzulaufen und das Spiel "kompakt zu halten" - um Kane nicht in Abschlusspositionen kommen zu lassen.

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Kane erzielt keineswegs nur "einfache" Tore

Kovacs Problem, wie es schon das Problem vieler Gegner in dieser Saison war: Es ist keineswegs so, dass der 30-Jährige nur vollstreckt und lediglich "einfache" Tore aus nächster Nähe erzielt. Tatsächlich trifft das den Daten zufolge nur auf gut ein Drittel seiner Treffer zu - dazu würden auch seine drei Elfmeter zählen. Ebenfalls ein Drittel seiner Tore werden als "schwer" kategorisiert: zum Beispiel sein Distanzschuss aus der eigenen Hälfte gegen Darmstadt 98.

Kanes Stärke liegt also vor allem in seiner Multidimensionalität und Mannschaftsdienlichkeit. Das alles macht ihn mit einem aktuellen GSN-Index von 95,17 zum höchstgerankten Spieler der Bundesliga - King Harry grüßt von ganz oben. Nur ob er singen kann, das ist noch unklar. Und fußballerisch betrachtet bleibt abzuwarten, ob er gegen die "Wölfe" mit einem Tor mit links seinem phänomenalen ersten Halbjahr in Deutschland noch eine Dimension hinzufügt. Dann hätte es mindestens 21 Mal in der Bundesliga Kane-bumm gemacht.

Dieses Thema im Programm:

Sport aktuell | 20.12.2023 | 23:25 Uhr

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