Datenanalyse vor Frauen-Topspiel: Läuft Bayern Wolfsburg den Rang ab?
Die Fußballerinnen des VfL Wolfsburg gastieren heute zum Bundesliga-Topspiel bei Bayern München. Doch nach der Vizemeisterschaft 2023 und dem jüngsten Champions-League-Aus bröckelt der Nimbus der "Wölfinnen". Die Datenanalyse zeigt, wie eng das Meisterrennen wird.
In einem Kraftakt verteidigte Wolfsburg vor der Länderspielpause beim 2:2 nach 0:2-Rückstand gegen die TSG Hoffenheim die Tabellenführung. Die Bundesliga-Spitzengruppe ist allerdings dichter zusammengerückt. Und sollten die VfL-Frauen heute (15 Uhr, im NDR Livecenter) beim Dritten FC Bayern verlieren, würden die Münchnerinnen vorbeiziehen.
Dem Team von Trainer Tommy Stroot scheint die Dominanz abhandengekommen zu sein. Nach Niederlagen in der vergangenen Rückrunde bei den Bayern (0:1) und in Frankfurt (0:4) stand für die erfolgsverwöhnten Niedersächsinnen die Vizemeisterschaft. Deshalb mussten sie in die Play-offs der Champions League und flogen gegen Paris FC überraschend frühzeitig aus dem Wettbewerb. In der Bundesliga glückten zwar vor dem Remis gegen Hoffenheim vier Siege - die spielerische Leichtigkeit vergangener Tage war aber nicht zu sehen.
Müssen die Wolfsburgerinnen, seit Jahren das Aushängeschild des deutschen Clubfußballs, also künftig kleinere Brötchen backen? Das sagt die Datenanalyse mit GSN:
Bayerns Meisterschaft knapp, aber nicht unverdient
Zunächst einmal: Ja, die Münchner Meisterschaft im vergangenen Mai war knapp, aber nicht unverdient. Am Ende lag Bayern mit 59 Punkten zwei Zähler vor Wolfsburg. Ähnlich knapp ging es bei den "Expected points" zu, aber mit den 53,02 (zu 51,70) Zählern lag die Mannschaft des norwegischen Trainers Alexander Straus auch in dieser Statistik vorn.
Die Münchnerinnen waren sehr dominant: Mit ihren 64 Prozent erfolgreichen Offensivaktionen waren sie ligaweit die Nummer eins, sie spielten die meisten Pässe, hatten das höchste Spieltempo und die wenigsten Ballverluste. Mit acht Gegentreffern hatte der FCB ohnehin die mit Abstand beste Defensive (Wolfsburg 17) - und kassierte über die gesamte Saison nicht ein einziges Gegentor nach einem Konter.
Offensive entscheidet Spiele, Defensive Meisterschaften
Die Wolfsburgerinnen konnten sich nichts dafür kaufen, dass sie am Ende mit 75 Toren die beste Offensive gestellt hatten. Bei den "Expected goals" hatten sie genauso auf Rang eins gelegen wie bei den Toren nach herausgespielten Angriffen und auch nach Standards. Sie gaben die meisten Torschüsse ab, gewannen die meisten Kopfballduelle und waren bei den Balleroberungen ganz vorn.
Dabei bestätigten sie allerdings unfreiwillig die alte Weisheit, nach der die Offensive Spiele, die Defensive aber Meisterschaften entscheidet. Letztmals holte in der Saison 2014/2015 nicht das Team mit den wenigsten Gegentoren den Titel: Wolfsburg hatte als Zweiter in 22 Saisonspielen insgesamt nur vier Treffer kassiert (beide Duelle mit den Bayern endeten 0:0). Aber Meister München hatte auch nur sieben Gegentore und war anders als der VfL gänzlich ohne Niederlage geblieben.
Kann Hoffenheim ins Titelrennen eingreifen?
Nach den bisherigen fünf Spieltagen dieser Saison haben die "Wölfinnen" bereits vier Gegentore kassiert. Und es sollte ihnen eine Warnung sein, dass bei den Münchnerinnen seit den beiden Gegentoren zur Saisoneröffnung in Freiburg (2:2) zuletzt viermal die Null stand.
Die besten Offensivwerte hat allerdings Hoffenheim - mit dem herausragenden Schnitt von 3,8 Toren pro Spiel. Wolfsburg kommt auf Platz zwei auf 2,4. Die TSG liegt auch bei den "Expected goals" und einigen anderen Offensivstatistiken vorn - als Team, aber auch bei den Einzelspielerinnen. Mit 2,25 "Expected points" pro Partie gegenüber den 2,22 tatsächlich geholten Punkten sind die Kraichgauerinnen im Soll.
Allerdings zeigen die Daten eine starke Überperformance bei den erzielten Toren im Vergleich zu den "Expected goals" (19 zu 12,70) und auch bei den Gegentreffern (5 zu 6,1). Bei einer errechneten Hoffenheimer Meisterschafts-Wahrscheinlichkeit von 19 Prozent sieht es momentan doch eher nach dem Zweikampf der vergangenen Jahre aus: Der FC Bayern kommt auf 35 Prozent, Wolfsburg auf 33.
"Ich erwarte wieder ein Spiel auf Augenhöhe, auf Topniveau. Auch wenn sich beide Mannschaften gerade nicht auf ihrem individuellen Topniveau bewegen, bleibt es das Topspiel der Frauen-Bundesliga." VfL-Trainer Tommy Stroot
Bayern-Kader in diesem Jahr besser als Wolfsburgs
In den direkten Duellen sah der VfL in der Vergangenheit meist besser aus: Von den jüngsten zehn Partien in Liga und Pokal entschied Wolfsburg sechs für sich, nur zweimal gewann München. Mit einem aktuellen GSN-Index von 69,91 stellt der FCB aber - anders als zuletzt - in dieser Saison die beste Mannschaft der Liga. Wolfsburgs Wert liegt bei 67,90. Das hat auch damit zu tun, dass München vor allem mit Pernille Harder und Magdalena Eriksson hohe individuelle Klasse hinzugewonnen hat.
Popp-Einsatz ist offen
Und so wird auch am Sonntag ein besonderes Augenmerk auf den Schlüsselspielerinnen liegen, die den Unterschied machen können. Allerdings fehlte die ehemalige Wolfsburgerin Harder den Münchnerinnen wegen Knieproblemen zuletzt genauso angeschlagen wie dem VfL Alexandra Popp mit muskulären Problemen. Der Einsatz der Kapitänin ist nach Aussage von Trainer Stroot noch fraglich. Auch die Abwehrspielerinnen Marina Hegering und Dominique Janssen fallen möglicherweise aus.
Das Trio habe Teile des Trainings am Freitag absolviert, sagte Stroot. Am Sonnabend werde dann geschaut, ob das für die drei Spielerinnen reiche. "Das ist anders als gewünscht. Aber dennoch probieren wir, da auch keine Dummheiten zu machen", so Stroot. Der Einsatz von Nationaltorhüterin Merle Frohms entscheidet sich ebenfalls kurzfristig. Gegen Hoffenheim hatte die Keeperin wegen einer Gehirnerschütterung gefehlt und war durch Lisa Schmitz ersetzt worden.
So oder so wird aber viel fußballerische Qualität auf dem Platz zu sehen sein. Und die "Wölfinnen" werden alles daran setzen, sich nicht von den Bayern den Rang ablaufen zu lassen.
