Behrens beim VfL Wolfsburg - Das kann eine Win-win-Situation werden
Die Karriere von Kevin Behrens ist eine ganz besondere - die ihn im reifen Sportler-Alter von 32 Jahren zum Nationalspieler gemacht hat. Nun hat Fußball-Bundesligist VfL Wolfsburg den Stürmer von Union Berlin verpflichtet. Die Datenanalyse zeigt, dass es eine Win-win-Situation werden kann.
Die "Wölfe" hatten eigentlich die Europapokalplätze als Ziel ausgegeben, die Realität mit Rang elf und neun Punkten Rückstand auf den sechsten Tabellenplatz ist ernüchternd. "Ja, das ist so. Wir laufen den Ansprüchen hinterher", sagte Sportdirektor Sebastian Schindzielorz nach dem jüngsten 1:1 gegen den 1. FC Köln und fügte hinzu: "Wenn man sich die Leistungen anschaut, ist aktuell auch nicht mehr drin."
Klar, dass da die Möglichkeiten auf dem Transfermarkt ausgelotet wurden. Und die Entscheidung, mit Behrens einen neuen Stürmer zu verpflichten, begründete Schindzielorz nun ebenso deutlich: "Kevin kommt aus dem laufenden Spielbetrieb, er kennt die Liga und wird von daher nur eine kurze Eingewöhnungszeit benötigen. Seine Qualitäten auf dem Platz hat er in den vergangenen Jahren immer wieder unter Beweis gestellt." Sein Debüt für die "Wölfe" könnte der neue Stürmer am Sonntag (15.30 Uhr, im NDR Livecenter) im Heimspiel gegen Hoffenheim feiern.
Nationalelf-Debüt mit 32 Jahren
In seinen mittlerweile 75 Bundesliga-Spielen kommt der gebürtige Bremer allerdings nur auf 14 Treffer. Acht davon in der vergangenen Saison, als er seinen Anteil daran hatte, dass sich Union Berlin sensationell für die Champions League qualifizierte. Als er dann mit einem Dreierpack am ersten Spieltag und einem weiteren Tor am Wochenende darauf in die Saison gestartet war, wurde Behrens schon als Retter des deutschen EM-Traums gesehen und zum (einmaligen) Nationalspieler.
Wolfsburg erzielte bisher ein Kopfball-Tor - Behrens vier
Seine Stärken sind dabei nahezu deckungsgleich mit den Problemen, die Schindzielorz nach dem Köln-Spiel beim VfL ausgemacht hatte. Der Ex-Profi bemängelte fehlende Ruhe und Souveränität, außerdem habe die Mannschaft keinen Druck aufbauen können.
"Mit Kevin haben wir auch mit Blick auf unsere Ausfälle im Offensivbereich nun einen Stürmer im Aufgebot, der über ein außerordentlich gutes Kopfballspiel, eine große Mentalität sowie eine hohe Widerstandsfähigkeit verfügt." VfL-Sportdirektor Sebastian Schindzielorz
Die Daten von GSN nennen unter anderem Behrens' Aggressivität, Einsatzbereitschaft, Zweikampfstabilität und taktisches Verhalten als Stärken. Den bald 33-Jährigen, der vor seinem Wechsel zu Union Berlin knapp 180 Viertliga-Spiele absolviert hat und für den SV Sandhausen 94-mal in der Zweiten Liga aufgelaufen ist, kann nichts mehr schocken. Behrens ist ein Ruhepol und die Freude, dass er es auf seine "alten Tage" noch in die Bundesliga geschafft hat, deutlich spürbar.
Seine vier Saisontore hat der bullige Angreifer, der allerdings "nur" 1,85 Meter lang ist, allesamt per Kopf erzielt. Überhaupt gehört er unter den Stürmern zu den besten Kopfballspielern der Liga - ist bei vielen Statistiken führend (wie bei der Gesamtzahl der Kopfballduelle und auch bei der Erfolgsquote) oder ganz vorn mit dabei.
Zum Vergleich: Die gesamte Mannschaft des VfL Wolfsburg kommt in dieser Saison auf ein Kopfballtor - und ist damit in dieser Statistik die schlechteste der Liga. Dasselbe gilt für Tore nach Standards. In beiden Fällen dürfte Behrens allein durch seine Präsenz eine große Hilfe sein.
Behrens nicht die Idealbesetzung im VfL-Sturm
Zur Wahrheit gehört aber auch, dass Behrens laut der Daten eigentlich nicht so gut zur Spielweise des VfL (76,12 Prozent) und zur Mannschaft (81,66 Prozent) passt. Das sind nicht mehr als solide Werte. Der GSN-Index von 69,07 weist ihn als guten Bundesliga-Spieler aus. Steigerungspotenzial ist allerdings nicht mehr vorhanden - was angesichts seines Alters auch nicht überrascht.
Seine Schwächen bei Distanzschüssen und in Sachen Kreativität sowie im defensiven Eins-gegen-eins und Positionsspiel wird er nicht mehr ablegen können. Dafür glänzt Behrens durch Engagement in der Abwehrarbeit und kann so als erste Pressingstation agieren. Das Pressing ist übrigens auch eine Baustelle im Team von Trainer Niko Kovac.
3,5 Millionen Euro für eine Win-win-Situation?
Dem Vernehmen nach hat der VfL 3,5 Millionen Euro für Behrens nach Berlin überwiesen. Eine stolze Summe für einen in wenigen Tagen 33 Jahre alten Stürmer, der in den vergangenen Monaten nicht mehr an seine Leistungen aus der vergangenen Spielzeit und vom Saisonbeginn (seit dem zweiten Spieltag kein Tor) anknüpfen konnte. Zumal sich der Transfer für Behrens, der 35 Jahre alt sein wird, wenn sein Vertrag bei den Niedersachsen ausläuft, auch finanziell gelohnt haben dürfte.
"Wolfsburg ist noch mal ein Stück weit professioneller als Union. Und ich wollte eine neue Challenge." Kevin Behrens
Trotzdem dürfte sich das Geschäft für Wolfsburg angesichts der eigenen Schwächen und Behrens' Stärken lohnen - zumindest bis zum Sommer und einer erwartbaren VfL-Offensive auf dem Transfermarkt.
Bis dahin dürfte Behrens, der in allen bisher 18 Bundesliga-Spielen von Union zum Einsatz gekommen ist, auch in Wolfsburg beste Chancen auf die Startelf haben. Und vielleicht ist es für ihn die große Möglichkeit, mit einer besser spielenden Mannschaft doch noch auf den EM-Zug aufzuspringen. Wenngleich Dortmunds Niclas Füllkrug bei Bundestrainer Julian Nagelsmann die deutlich besseren Chancen als Zielspieler im Angriffszentrum hat.