Stuttgart - Werder: Tormaschine Undav gegen den Jugendclub
Stürmer Deniz Undav vom VfB Stuttgart lebt seinen Traum - trotz großer Umwege. Am Samstagabend spielt er erstmals gegen seinen Jugendclub Werder Bremen, bei dem seine Karriere fast ein frühes Ende gefunden hätte.
Die Geschichte des 27-Jährigen aus Achim vor den Toren der Hansestadt Bremen ist eine über die Irrungen und Wirrungen im modernen Profifußball. Und eine über nimmermüden Einsatz und unerschütterliches Selbstvertrauen.
"Ich bin immer motiviert, aber gegen Werder Bremen kommen natürlich noch ein paar Prozent mehr dazu", sagte Undav der "Deichstube" vor dem Bundesliga-Spiel der Schwaben, die am Samstagabend (18.30 Uhr, im NDR Livecenter) Werder empfangen.
"Als kleiner Junge hat ja jeder den Traum gehabt, Fußballer zu werden. Und gefühlt war mein Traum dann geplatzt, als es bei Werder nicht mehr weiterging." Deniz Undav
"Er ist ein sehr guter Spieler. Wenn man sich seinen Weg anguckt, dann ist das kein gewöhnlicher. Respekt davor, dass er diesen Weg gegangen ist und sich durchgebissen hat", sagte der Profifußball-Leiter Clemens Fritz und lobte: "Da hat Stuttgart einen wirklich guten Griff gemacht."
Und während die Bremer aufpassen müssen, bis zur Winterpause nicht noch in den Abstiegskampf hineingezogen zu werden, spielt Undav mit dem VfB aktuell um die Champions-League-Plätze mit.
Hartes Urteil bei Werder: "Zu klein und zu dick"
Die große Bühne war im Sommer 2012 nicht nur weit weg, als Undav von Werder zum SC Weyhe wechselte. "Als kleiner Junge hat ja jeder den Traum gehabt, Fußballer zu werden. Und gefühlt war mein Traum dann geplatzt, als es bei Werder nicht mehr weiterging", blickt der Torjäger zurück. Besonders die Begründung hatte es für den Jugendlichen in sich: Ihm sei damals von den Bremer Verantwortlichen gesagt worden, er sei zu klein und zu dick. "Das war sehr, sehr hart."
"Ich kann nicht bewerten, was damals war, da war ich glaube ich selbst noch Spieler. Er hat sich auf jeden Fall sehr gut entwickelt." Werder-Profifußball-Leiter Clemens Fritz
Doch das wollte der damals 15-Jährige nicht auf sich sitzen lassen. In Weyhe entwickelte er sich prächtig. 2014 ging es zum TSV Havelse - und schon in der Regionalliga Nord deutete er mit 32 Toren in zwei Jahren an, was in ihm steckt. Eintracht Braunschweig wurde aufmerksam. Undav durfte dort aber nur in der zweiten Mannschaft spielen, und bekam auch in der Folge keine Chance bei den Profis.
Was damals in schwierigen Eintracht-Zeiten viele schon nicht verstanden, entpuppte sich schnell als folgenschwerer Fehler der "Löwen". Undav wechselte zum SV Meppen und startete mit Höchsttempo ins Abenteuer Profifußball.
Über den SV Meppen auf den Fußball-Olymp
In der Dritten Liga war der 1,79-Meter-Mann, der seine Tore meist mit angespannten Oberarmen bejubelte, der herausragende Spieler. Fast hätte es für die Emsländer dank ihm sogar mit der Rückkehr in die Zweite Liga geklappt. Nun trudelten auch endlich höherklassige Angebote ein.
Mit seinem Wechsel zu Union Saint-Gilloise in die zweite belgische Liga hatte allerdings niemand gerechnet. Doch der Schachzug war wohlüberlegt. Die Belgier verfolgen einen sehr datenbasierten Ansatz - entdecken so viele Spieler, die andernorts durchs Raster gefallen sind. Undav schoss Union erst zum Aufstieg und dann mit 25 Toren an die Tabellenspitze in der Ersten Liga. Im Sommer 2022 zog er dann gleich zu Saint-Gilloises Schwesterclub Brighton & Hove Albion.
Die englische Premier League - für viele der Fußball-Olymp. Und wer weiß, wie viele Tore Undav, der meist als Joker zum Einsatz gekommen war, nach seinen fünf Treffern in der Premierensaison mittlerweile auf dem Konto hätte, wenn ihn nicht der Lockruf aus der Bundesliga ereilt hätte.
Sieben Tore in neun Spielen - und bald im Nationalteam?
Seit diesem Sommer kickt der einst als zu klein und zu dick bezeichnete Vollblutfußballer nun - als Leihgabe - in Stuttgart in der Bundesliga. Und auch wenn der VfB im Frühjahr den Klassenerhalt erst in der Relegation gegen den HSV bewerkstelligt hatte: Die Schwaben spielen in dieser Saison ganz oben mit. 15-Tore-Mann Serhou Guirassy ist das Gesicht des Erfolgs.
Aber Undav hat sich im Schatten des Nationalspielers von Guinea mit sieben Toren in seinen ersten neun Bundesliga-Spielen sehr schnell ebenfalls ins Rampenlicht geschossen. Zuletzt wurde er öffentlich sogar als Kandidat für die deutsche Nationalmannschaft genannt. Gegen Werder sollen beide erstmals zusammen von Beginn an spielen.
Undav: "Überhaupt keinen Groll gegen Werder"
Mit Blick auf seinen Karriere-Umweg stellt Undav zufrieden fest: "Deswegen ist es für mich eine große Freude, dass ich es doch geschafft habe." Angesichts von Undavs Lauf wäre es nicht weiter verwunderlich, würde er sich auch am Samstagabend gegen Bremen in die Torschützenliste eintragen. Aber auch wenn ihm seine Geschichte eine zusätzliche Motivationsspritze verpasst, hege er "überhaupt keinen Groll gegen Werder".
Und vielleicht schließt sich in den kommenden Jahren auch noch der große Kreis, der einst Ende Juni 2012 geöffnet worden ist. "Ich würde niemals sagen, ich gehe nicht mehr dahin. Im Fußball kann alles passieren", sagte Undav angesprochen auf die Möglichkeit, in seiner Karriere vielleicht noch mal das Bremer Trikot zu tragen. Er sei da "ganz entspannt. Aber ich fühle mich gerade sehr wohl beim VfB Stuttgart."
Keita für Werder zurück im Kader
Einer, der in dieser Saison schon gerne häufiger das grün-weiße Trikot getragen hätte, ist "Königstransfer" Naby Keita. Immerhin kehrt er nach überstandenem Muskefaserriss gegen den VfB zurück in Werders Kader. Ein Kandidat für die Startelf ist der 28 Jahre alte Mittelfeldspieler aus Guinea aber nicht. "Wir sind jetzt froh, dass er wieder im Kader steht. Für einen längeren Einsatz wird er aber wohl nicht infrage kommen", sagte Bremens Trainer Ole Werner.
Mögliche Aufstellungen
Stuttgart: Nübel - Vagnoman, Anton, Zagadou, Mittelstädt - Karazor - Millot, Stiller - Undav, Führich - Guirassy
Bremen: Zetterer - Veljkovic, Friedl, Jung - Weiser, Stage, Deman - Schmid, Bittencourt - Borré, Ducksch