1:3 gegen Stuttgart: Der HSV bleibt bei sich - und in der Zweiten Liga
Der HSV hat den Aufstieg in die Fußball-Bundesliga auch im fünften Anlauf verpasst. Die Hamburger verloren das Relegationsrückspiel gegen den VfB Stuttgart mit 1:3 (1:0) und gehen nun in ihre sechste Zweitliga-Serie.
Die Bürde des 0:3 aus dem ersten Duell mit dem Tabellen-16. der Bundesliga erwies sich für die Mannschaft von Coach Tim Walter letztlich als zu hoch. Der HSV legte am Montagabend im Volksparkstadion zwar viel Leidenschaft in die Waagschale und durfte zur Pause bei einer 1:0-Führung durch einen Treffer von Sonny Kittel vom Wunder träumen. Nach dem Seitenwechsel brachten sich die Hanseaten durch zwei vermeidbare Gegentore von Enzo Millot (48., 64.) aber wieder einmal selbst um alle Chancen. Silas Katompa Mvumpa sorgte Sekunden vor dem Abpfiff für den Endstand (90.+7).
"Wir haben nicht heute die Relegation verloren, sondern in Stuttgart. Da hat uns ein wenig der Mut gefehlt. Heute haben wir gesehen, dass wir es können. Wir hatten den Gegner am Rande einer Niederlage. Aber wir haben es auch heute nicht durchgezogen, weil wir wieder Phasen in unserem Spiel hatten, die uns dann teilweise das Genick gebrochen haben. Aber wir hören nie auf, wir kommen immer wieder zurück. Und darum bin ich extrem stolz auf meine Mannschaft", sagte Walter dem NDR.
Was wird jetzt aus Walter?
Ob der 47-Jährige nach dem zweiten gescheiterten Aufstieg unter seiner Regie weiter Trainer des früheren Bundesliga-"Dinos" bleiben wird, ist nun die spannende Frage. Er hat zwar einen gültigen Kontrakt. Dass der einflussreiche Anteilseigner Klaus-Michael Kühne sowie der Aufsichtsrat Walters Meinung "Liebe ist wichtiger als Ergebnisse" teilt, ist aber zumindest sehr fraglich.
Das Team, so versicherte Kapitän Sebastian Schonlau im NDR Interview, will mit dem 47-Jährigen unbedingt weiter zusammenarbeiten: "Der Trainer wird sich immer vor uns stellen und ist immer für uns da. Ich glaube, mit dem Trainer wirst du definitiv nie aufgeben." Vorstand Jonas Boldt ("Selbstverständlich bleibt er") gab Walter sogar eine Jobgarantie. Allerdings ist dessen Zukunft beim Zweitliga-Dritten der vergangenen Serie übereinstimmenden Medienberichten zufolge ebenfalls offen.
Walter-Team nicht wiederzuerkennen
Der HSV war im Vergleich zu seiner blutleeren Vorstellung am vergangenen Donnerstag am Neckar nicht wiederzuerkennen. Hatte das Walter-Team in Stuttgart kaum einen relevanten Zweikampf gewonnen und fußballerisch mit Ausnahme einer kurzen Phase vor der Pause auf ganzer Linie enttäuscht, zeigte die "Familie", wie der Trainer seine Mannschaft liebevoll nennt, vor heimischer Kulisse einen sehr couragierten Auftritt. In den Eins-gegen-eins-Duellen waren die Hanseaten von Beginn an sehr präsent.
Und der Ball lief zunächst auch flüssig durch die Reihen des Zweiliga-Dritten. Es war in jeder Aktion zu sehen, dass die Hausherren das Wunder von der Sylvesterallee schaffen wollten.
Kittel bringt das Volksparkstadion zum Beben
Und als Kittel den HSV in der sechsten Minute mit einem strammen Rechtsschuss von der Strafraumkante ins linke Eck in Führung brachte, bebte das restlos ausverkaufte Fußball-Festspielhaus im Volkspark das erste Mal. Doch das "Theater der Träume" hätte sich für den Anhang der Hamburger nur eine Minute später beinahe in eine Albtraum-Arena verwandelt. Denn gleich der erste Angriff nach dem Anstoß führte zu einer Großchance des VfB durch Chris Führich. Glück für die Walter-Elf, dass der Blondschopf den Ball knapp am kurzen Pfosten vorbeisetzte (7.).
Stuttgarter "Tor des Jahres" zählt nicht
Zehn Minuten später war HSV-Keeper Daniel Heuer Fernandes dann aber geschlagen. Seine Vorderleute hatten die Stuttgarter nur halbherzig attackiert, sodass die Schwaben Serhou Guirassy in Szene setzen konnten. Der Mittelstürmer vollendete formvollendet mit der Hacke und freute sich anschließend diebisch über sein vermeintliches "Tor des Jahres".
Eine Medaille von der Sportschau aber wird der 27-Jährige nicht erhalten. Zumindest nicht für dieses Tor. Denn nach einem Hinweis aus dem Kölner Keller verwehrte Schiedsrichter Bastian Dankert dem Treffer wegen voriger Abseitsstellung des Schützen die Anerkennung.
HSV mit konzentrierter Defensivleistung
Viel mehr ließen die Hanseaten, bei denen der Spanier Javi Montero den verletzten Jonas David in der Innenverteidigung ersetzte, bis zur Halbzeit defensiv nicht zu. Die Arbeit gegen den Ball - sonst keine Spezialdisziplin des Walter-Teams - war 45 Minuten lang sehr ansprechend. In der Vorwärtsbewegung konnten die Gastgeber mit Ausnahme eines Schusses von Robert Glatzel, der knapp am Ziel vorbeistrich (40.), allerdings vor der Pause auch keine großen Akzente mehr setzen. Nichtsdestotrotz: Zur Halbzeit lebte die Hoffnung auf das Hamburger Wunder.
Montero hebt Abseitsfalle auf - Millot trifft zum 1:1
Nach dem Seitenwechsel bekamen die Hoffnungen des HSV, sich zumindest erst einmal in die Verlängerung zu retten, aber rasch einen herben Dämpfer. Dem VfB genügte nach einem Ballgewinn im zentralen Mittelfeld ein simpler Steilpass in die Spitze, um die Hamburger Abwehr auszuhebeln. Guirassy passte in die Mitte zu Millot, der Heuer Fernandes aus wenigen Metern bezwang. Das Gegentor wäre vermeidbar gewesen, wenn Montero auf seine Nebenleute geschaut hätte. Tat der Spanier jedoch nicht und hob so die Abseitsfalle auf.
Nach zuvor zwei Platzverweisen in vier Partien war die 23 Jahre alte Leihgabe von Besiktas Istanbul jetzt erneut der Pechvogel. Der Spanier, der nun zu seinem türkischen Club zurückkehren wird, dürfte den HSV nicht in allzu guter Erinnerung behalten. Und der HSV sehr wahrscheinlich auch Montero nicht.
Heuer Fernandes tragischer HSV-Held
Der Ausgleich schockte die Hausherren sichtlich. Der HSV war zunächst nicht mehr in der Lage, Druck auf den VfB auszuüben. "Wir kriegen den Ausgleich zu früh, das war am Ende schon so ein bisschen der Killer", resümierte Kapitän Schonlau. Das Geschehen spielte sich nach dem 1:1 überwiegend im Mittelfeld ab, bevor Heuer Fernandes nach einem harmlosen Rückpass von Moritz Heyer über den Ball schlug und Millot so seinen zweiten Treffer zu ermöglichte.
Dass ausgerechnet der beständigste Hamburger Profi in der nun abgelaufenen Saison zum tragischen Helden an diesem Abend wurde, es war unendlich bitter für den Deutsch-Portugiesen, der seine Mannschaft im Relegationshinspiel vor einer noch weit höheren Pleite bewahrt hatte.
Silas sorgt für endgültige Entscheidung
Die Walter-Elf ließ hernach zwar nicht die Köpfe hängen und besaß durch Glatzel, dessen Schuss haarscharf am Ziel vorbeirauschte, noch die Chance auf den Ausgleich (74.). Doch selbst das sportlich ohnehin bedeutungslose Remis blieb den aufopferungsvoll, aber erneut unglücklich agierenden Hamburgern verwehrt. Kurz vor Ultimo sorgte der eingewechselte Silas nach einem Konter für die endgültige Entscheidung.
Schonlau: "Es ist schwer zu akzeptieren"
Die Fans feierten die niedergeschlagenen HSV-Profis nach dem Schlusspfiff dennoch minutenlang. Den Schmerz über den verpassten Aufstieg konnte dies aber natürlich nicht lindern. "Es ist schwer zu akzeptieren. Wenn man sieht, was die Mannschaft leistet, was der ganze Verein leistet, was die Fans leisten - auch heute wieder - dann tut es wirklich weh", sagte Schonlau. Sein Trainer richtete den Blick derweil schon wieder nach vorn. "Wir haben hier schon extrem viel aufgebaut. Uns hat bis jetzt nichts umgeworfen und wird auch in Zukunft nichts umwerfen", erklärte Walter.