Aufstieg oder nicht? - Kiel plant "norddeutsch bodenständig"
Der erste Aufstieg in die Fußball-Bundesliga wäre für Holstein Kiel ein Traum, der Nicht-Aufstieg kein Drama. Auch dank eines langfristig angelegten Sparplans, sagt Geschäftsführer Wolfgang Schwenke.
Menschen nördlich von Hamburg sind schwer aus der Ruhe zu bringen, selbst Fußballer. Spitzenspiel in Bochum verloren? Macht nichts! Acht Partien in 28 Tagen? Na und? Klamme Kassen wegen der Corona-Pandemie? Wir kriegen das schon hin. Holstein-Geschäftsführer Wolfgang Schwenke machte bei seinem Besuch im NDR Sportclub jedenfalls nicht den Eindruck, dass sich auf der Zielgeraden der Zweitliga-Saison an der Kieler Förde so etwas wie Angst vor dem Scheitern breitmachen könnte. "Wir können die Situation nicht ändern. Peu à peu robben wir uns da ran", sagte er mit Blick auf das Mammutprogramm von sieben Spielen in den kommenden 26 Tagen, das den "Störchen" nun noch bevorsteht.
In Heidenheim soll ein anderer Auftritt folgen
Insgesamt sechs Corona-Fälle hatten die KSV schon vor der Länderspielpause im März ausgebremst. Auf fast vier Wochen ohne Spielpraxis folgte eine 1:2-Niederlage bei Spitzenreiter VfL Bochum. Doch beim Blick auf die Tabelle bleibt das norddeutsche Gemüt kühl: Gewinnt die KSV beide Nachholspiele, klettert sie auf Rang zwei - mit zwei Zählern Vorsprung vor dem großen Nachbarn Hamburger SV. "Der Spielrhythmus, die Abläufe, die Intensität - das ist normal, dass man nach vier Wochen erstmal wieder reinfinden muss", sagte Mittelfeldspieler Alexander Mühling. Und Schwenke ist sich mit Blick auf das erste Nachholspiel am Dienstag (18.30 Uhr / NDR Livecenter) sicher, "dass wir in Heidenheim einen anderen Auftritt hinlegen werden".
Bundesliga-Aufstieg brächte 18 Millionen mehr in die Kasse
Gelassen bleibt Schwenke auch mit Blick auf die Finanzlage des Clubs. Zwar muss Kiel wie jeder andere Verein in der Corona-Krise mehr sparen als vorgesehen, doch dieser Kurs wird bei der KSV "norddeutsch bodenständig" mit Weitblick und Augenmaß gestaltet. Bereits im vergangenen Sommer wurde der Etat für das Zweitliga-Team um zwei Millionen Euro reduziert. Nach der aktuellen Saison, in der allein durch "Geisterspiele" rund drei Millionen Euro Verlust gemacht wurden, soll eine weitere Million abgeknapst werden - außer Kiel steigt in die Bundesliga auf. Dann stünden, unter anderem dank höherer Fernsehgelder, fast 18 Millionen Euro mehr als in der Zweiten Liga zur Verfügung. Auch der anstehende Transfer von Janni Serra im Sommer nach Bielefeld wird kleinere Löcher stopfen.
Wahl: Davon ausgehen, dass wir weniger Geld verdienen
"Toll ist, dass wir im DFB-Pokal relativ weit gekommen sind", sagte Schwenke. "Das hilft natürlich, hier und da Defizite auszugleichen oder sich auch ein kleines Polster zu schaffen." Der Einzug ins Pokal-Halbfinale gegen Borussia Dortmund (1. Mai, 20.30 Uhr) hat die Spieler bisher auch vor Gehaltseinbußen bewahrt - wobei einige Verständnis dafür hätten, wenn sie den Gürtel enger schnallen müssten: "Wenn man sieht, wie sich das generell im Fußball entwickelt hat in den letzten Jahren, was das für Dimensionen angenommen hat, ist das vielleicht auch gar nicht so schlecht", sagte Mühling dem NDR. Kapitän Hauke Wahl pflichtete ihm bei: "Ich glaube, dass wir noch in einer sehr privilegierten Situation sind, dass wir relativ viel Geld verdienen. Es ist klar, dass wir davon ausgehen müssen, dass wir weniger Geld verdienen."
"Wir stehen sicherlich mit ein paar Blessuren, aber finanziell noch einigermaßen da. Vielleicht können wir auch ein Gewinner aus so einer Krise sein." Wolfgang Schwenke
Kein Zwischenkredit, kein "Geld aus der Zukunft" geliehen
Das "kaufmännisch seriöse" Handeln von Schwenke und seinen Mitstreitern lässt die KSV im Vergleich zu anderen Clubs relativ gut aussehen. Bislang mussten keine Zwischenfinanzierungen her. Und Kiel hat sich auch nicht wie andere "Geld aus der Zukunft" geholt - indem eingepreistes Fernsehgeld ausgegeben wurde, das nach der Reform des Verteilerschlüssels aber nicht mehr ganz so üppig fließt wie geplant. "Wir stehen sicherlich mit ein paar Blessuren, aber finanziell noch einigermaßen da", sagte Schwenke. "Vielleicht können wir auch ein Gewinner aus so einer Krise sein."
Aufstieg ein Traum, Nicht-Aufstieg kein Drama
Ob Kiel sportlich als Gewinner aus der Saison gehen wird, ist noch nicht sicher. Wenn die "Störche" Anfang Mai ihr Mammutprogramm hinter sich haben, wird mutmaßlich abzusehen sein, in welche Richtung sich der Wind an der Förde dreht. Der erste Bundesliga-Aufstieg der Vereinsgeschichte wäre ein Traum, ein weiteres Jahr in der Zweiten Liga laut Geschäftsführer aber kein Drama. "Wenn man so nah dran ist, will man es natürlich auch", sagte Schwenke. Und wenn es nicht passiert? "Ja, dann isses so."