2:4 beim Karlsruher SC - HSV verpasst Sprung an Tabellenspitze
Der HSV hat den Sprung an die Tabellenspitze der zweiten Fußball-Bundesliga verpasst. Das Team von Coach Tim Walter verlor beim Karlsruher SC mit 2:4 und offenbarte dabei im ersten Abschnitt eklatante Abwehrschwächen.
Zur Halbzeit lag der HSV am Sonntagnachmittag bereits mit 0:3 in Rückstand - und war damit noch sehr gut bedient. Die Gäste standen 45 Minuten lang völlig neben sich. Die Aufholjagd nach dem Seitenwechsel konnte den schlechten Gesamteindruck, den der Aufstiegsaspirant hinterließ, nur bedingt übertünchen. Die Hanseaten bleiben nach der ersten Pleite nach zuvor sieben ungeschlagenen Partien Zweiter. Bei einem Erfolg wären sie an Tabellenführer Darmstadt 98 (verlor 1:3 bei Arminia Bielefeld) vorbeigezogen.
Torjäger Robert Glatzel traf für den HSV nach der Pause doppelt (50., 80.). Paul Nebel (11.), Leon Jensen (17.) und Fabian Schleusener (32., 89.) waren für den KSC erfolgreich, der das Spiel nach einer Gelb-Roten Karte gegen Francisco Montero (87.) in Überzahl beendete.
Walter: "Haben in erster Halbzeit nicht stattgefunden"
Trainer Walter sah wegen Meckerns gar die Rote Karte und musste den Innenraum verlassen (90.+1). "Da gab es ein Scharmützel zwischen beiden Bänken. Das kommt 1.000 Mal im Fußball vor", erklärte der 47-Jährige. Zum Auftritt seines Teams vor der Halbzeit fand der Coach klare Worte: "Wir haben in der ersten Halbzeit einfach nicht stattgefunden. Das war schlecht, da müssen wir uns auch gar nicht rausreden."
HSV mit katastrophaler Defensivleistung
Ziemlich fragwürdige Defensivleistungen hatte der HSV in dieser Saison bereits einige gezeigt. Selbst gegen Teams aus dem Tabellenkeller wie den 1. FC Magdeburg (2:3), SV Sandhausen oder Eintracht Braunschweig (jeweils 4:2) war die Arbeit gegen den Ball phasenweise abenteuerlich gewesen. Der erste Abschnitt im Spitzenspiel beim 1. FC Heidenheim (3:3) hatte dann gefühlt ganz ohne Hamburger Abwehr stattgefunden.
Schien die desolate Verteidigungs-Vorstellung des HSV an der Brenz eigentlich nicht mehr zu unterbieten zu sein, geschah genau dies nun gegen den KSC. Rudi Völler, früherer Teamchef der Nationalmannschaft und irgendwie auch Fußball-Philosoph, hätte wohl wie weiland in seinem Interview nach dem trostlosen Remis der DFB-Auswahl in Island von einem noch tieferen Tiefpunkt gesprochen.
David und Muheim stehen völlig neben sich
In Abwesenheit des verletzten Kapitäns und Abwehrchefs Sebastian Schonlau (lädiertes Sprunggelenk) harmonierte Hamburgs Hintermannschaft in etwa so gut wie ein Ehepaar nach einem jahrelangen Rosenkrieg vor dem Scheidungsrichter. Die HSV-Abwehr um Schonlau-Vertreter Moritz Heyer ließ sich beinahe minütlich von den Badenern übertölpeln. Insbesondere Innenverteidiger Jonas David und Miro Muheim, linkes Glied in der Viererkette, standen völlig neben sich. Sie bekamen Karlsruhes Rechtsaußen Mikkel Kaufmann im ersten Abschnitt zu keinem Zeitpunkt in den Griff.
Kaufmann überragt gegen Ex-Club
Als "herzensguten Jungen" hatte Walter den Dänen im Vorfeld der Partie bezeichnet, sogleich aber auf dessen Verfehlungen zu seiner Zeit beim HSV in der Vorsaison hingewiesen: "Manchmal war er ein wenig verpeilt. Bei uns hat er ab und zu mal verschlafen." Als KSC-Profi scheint es der frühere Hamburger Bankangstellte - stand bei Walter nur zweimal in der Startelf - mit dem zeitigen zu Bett gehen und Aufstehen etwas genauer zu nehmen. Am frühen Sonntagnachmittag war der 22-Jährige jedenfalls hellwach.
Das 1:0 durch Nebel, einem satten Rechtsschuss ins obere Eck, bereitete "Kaufi" per Kopfballverlängerung vor. Sieben Minuten später passte der Angreifer von der Außenlinie perfekt auf Jensen, der den Ball nur noch ins Tor schieben musste. Und vor dem dritten Karlsruher Treffer setzte der Däne Muheim unter Druck, dessen Rückpass auf Keeper Daniel Heuer Fernandes dann viel zu kurz geriet. Nebel spritzte dazwischen und bediente Schleusener. Der Rest war für den Angreifer Formsache.
KSC betreibt Chancenwucher
Die Gastgeber ließen weitere ausgezeichnete Gelegenheiten durch Marvin Wanitzek (12.), Kaufmann (19.), Jensen (20./Latte) und Nebel (26., 40.) aus. Der 0:3-Rückstand zur Pause war aus Hamburger Sicht maximal glücklich. Offensiv fand das Walter-Team vor dem Seitenwechsel ebenfalls so gut wie gar nicht statt. Kurzum: Der HSV spielte zwar wie ein Tabellenzweiter, aber eben nicht wie ein Tabellenzweiter der Zweiten Bundesliga, sondern der Kreisliga A.
Glatzel lässt HSV wieder hoffen
Walter, der bereits kurz vor der Pause David und den angeschlagenen Rechtsverteidiger Noah Katterbach ausgewechselt hatte, brachte zur zweiten Hälfte in den Angreifern Andras Nemeth und Ransford-Yeboah Königsdörffer weitere frische Kräfte. Der Übungsleiter hoffte auf eine Wiederholung der Hamburger Heldentaten in Heidenheim, als seine Mannschaft aus einem 0:3 noch ein 3:3 gemacht hatte.
Und als Glatzel kurz nach dem Seitenwechsel auf 1:3 verkürzte, schien eine solche Aufholjagd tatsächlich möglich. Die nun seit sechs Partien ungeschlagenen Karlsruher wurden - anders als der FCH seinerzeit - anschließend aber nicht nervös. Das Team von Trainer Christian Eichner stand hinten zunächst weiter sehr kompakt, sodass sich für den HSV wenig Räume ergaben.
Montero sieht Gelb-Rot, Schleusener sorgt für Entscheidung
Die Gäste verfielen dennoch nicht in Aktionimus. Statt lange Bälle zu schlagen und auf daraus resultierende Zufallschancen zu spekulieren, wurde weiter kombiniert. Und offensiv ist der HSV ja fraglos eines der besten - wenn nicht das beste - Team im Bundesliga-Unterhaus. Einen weiteren Beweis dafür lieferten die Norddeutschen zehn Minuten vor Ultimo ab: Muheim flankte butterweich auf den ersten Pfosten, dort war Glatzel mit dem Kopf zur Stelle und erzielte den Anschlusstreffer.
Bald darauf sah der eingewechselte Montero wegen wiederholten Foulspiels jedoch die "Ampelkarte". Als Schleusener dann herrlich von Wanitzek bedient wurde und Heuer Fernandes zum zweiten Mal an diesem Nachmittag bezwang, war die Entscheidung gefallen.