Sportverletzungen: Darum heilen Profis schneller als Hobbysportler
Wenn sich Profifußballer wie HSV-Spieler Robert Glatzel verletzen, dann sind sie meistens deutlich schneller wieder fit als Freizeitsportler. Woran liegt das?
Es knattert in der VIP-Loge im Volksparkstadion. Arzt Peter Stiller hält ein Gerät von der Größe eines Haarschneiders in der Hand, das klingt wie ein Miniatur-Presslufthammer. Er drückt es an den Oberschenkel einer 18 Jahre alten Fußballerin. Um Stiller herum stehen rund 100 Menschen, die genau beobachten, wie er die Patientin behandelt.
Das Gerät erzeugt Stoßwellen. Durch die sollen Entzündungen reduziert, die Durchblutung gefördert und die Regeneration des Gewebes angeregt werden. "Kurz gesagt, die Verletzung heilt schneller", sagt der Mediziner aus Augsburg.
Kombination aus verschiedenen Therapieformen
Die junge Sportlerin ist ein krasser Fall, aber kein Einzelfall. "Sie kam mit einer Bagatellverletzung zu ihrem damaligen Arzt und ist dort leider fachlich nicht gut behandelt worden", erklärt Stiller. Das war vor zwei Jahren. Heute hat die junge Frau immer noch täglich Beschwerden, kann sich kaum schmerzfrei bewegen. Verzweifelt wendet sich die Familie an den Spezialisten für Regenerative Medizin.
"Mein Hauptthema ist die Kombination aus verschiedenen Therapieformen. Ich mache zum Beispiel Kernspinresonanztherapie, Stoßwellentherapie, Laser- und Kältetherapie. Die Kombination - das hat sich über die Jahre gezeigt - ist viel besser, als wenn man nur Einzeltherapien fährt." Stiller hofft, dass er die 18-Jährige in den nächsten zwei Wochen soweit hat, dass sie schmerzfrei ihren Alltag bewältigen und sich dann vielleicht auch noch ihren Traum von einem sportwissenschaftlichen Studium erfüllen kann.
Gesetzliche Krankenkassen zahlen oft nicht
"Es werden einfache Therapien gemacht, von denen wir wissen, dass sie gar nicht so viel bringen, aber sie stehen halt in den Leitlinien", erläutert Stiller. "Das alleine ist es aber nicht. Und deswegen ist diese Veranstaltung so gut, weil wir zeigen können, was möglich wäre, wenn man sich die Zeit nimmt; und leider auch, wenn man das Geld ausgibt, weil diese Therapien von den gesetzlichen Krankenkassen oft nicht gezahlt oder gar nicht gekannt werden."
Aus der Sportpraxis lernen
Das Fußballmedizinische Symposium im Volksparkstadion richtet sich an Sportmediziner, Physiotherapeuten und Trainer. Organisiert wird es seit mehr als zehn Jahren von Götz Welsch, Leitender Mannschaftsarzt des HSV und Chef des Athleticums im UKE.
Ihm ist es wichtig, dass auch junge Mediziner aus der Sportpraxis lernen. "Im Studium lernen angehende Mediziner: Es gibt einen Knorpelschaden, dann habe ich vier OP-Möglichkeiten und wenn das nicht hilft, gibt es ein künstliches Gelenk. Die Realität sieht aber ganz anders aus", so Welsch. Es gäbe viele konservative Möglichkeiten, die gute Erfolge bringen. Egal, ob Profi oder Hobbysportler. "Das kann eine Mischung aus einer Injektion, Physiotherapie und Nahrungsergänzungsmitteln und Bewegungs- und Krafttraining sein."
"Behandlung beginnt schon am Spielfeldrand"
Anhand der auskurierten Verletzung von HSV-Profi Bakery Jatta erklärt er, wie im Hintergrund an der Gesundheit der Spieler gearbeitet wird: "Die Behandlung beginnt schon am Spielfeldrand. Dann verschaffen wir uns meist nach kurzer Zeit mit einem MRT einen Überblick, ziehen gegebenenfalls noch weitere Experten hinzu. Das ist im Prinzip eine Maschinerie, die jedes Mal anläuft. Wir haben die Manpower und die Geräte, jederzeit behandeln zu können. Im Fall von Jatta spielten auch die Reha-Trainer eine wichtige Rolle." Über die aktuelle Verletzung von Glatzel möchte Welsch nicht sprechen.
Schnellere Erholung, aber auch mehr Verletzungen als früher
"Spitzensport ist natürlich nicht nur gesund, gerade für Gelenke. Aber wir haben auch viel mehr Möglichkeiten der Behandlung und Unterstützung der Regeneration", sagt Welsch. Die Statistik zeigt, dass sich Fußballer heute im Schnitt doppelt so schnell von Verletzungen erholen wie vor 15 Jahren. Sie verletzen sich auf der anderen Seite aber auch deutlich häufiger als damals.
Die Professionalisierung der medizinischen Strukturen vor allem der Bundesliga-Vereine ist also einer der Hauptgründe für die kürzeren Verletzungsfenster.
Der teils große Unterschied zwischen Hobbysportlern und Profis liege aber auch an den sehr verschiedenen Zielen. "Wenn ein Patient in den nächsten vier Monaten mal wieder beschwerdefrei joggen gehen möchte, dann ist das natürlich etwas ganz anderes, als wenn ein Spieler am Wochenende fürs Bundesligaspiel wieder fit sein soll", erklärt Welsch. "Der Erfolg muss schneller da sein. Aber es bringt natürlich auch nichts, wenn wir jemanden zwar irgendwie fit kriegen, der sich aber dann direkt an derselben Stelle wieder verletzt."
Die "Turbo-Heilung" kostet Geld
Der Grat ist schmal - und der Vergleich mit Hobbysportlern schwierig. Denn die hätten in den wenigsten Fällen die Ressourcen, sich quasi in Vollzeit ihrer Regeneration zu widmen - und den medizinischen Apparat schon gar nicht. Das Gute ist allerdings, dass Mediziner wie Stiller und Welsch nicht nur für ihre Spitzensportler arbeiten. Man braucht aber eben auch das nötige Kleingeld, um sich eine "Profi-Genesung" bei den "Turbo-Heilern" leisten zu können.