Ein Screenshot zeigt den Ausschnitt eines Chatfensters auf einem Handy. © NDR Foto: NDR

Liebesbetrug im Chat: Immer mehr Fälle in Mecklenburg-Vorpommern

Stand: 19.09.2022 14:35 Uhr

Sie hoffte auf die große Liebe, und wäre fast auf einen großen Betrug reingefallen. Ilona D. von der Insel Rügen wurde Opfer von "Love-Scamming". Erst im letzten Moment wurde sie misstrauisch.

Es fing an wie eine wunderbare, glückliche Liebesgeschichte: die Online-Bekanntschaft von Ilona D. von der Insel Rügen und dem sympathischen Mann am anderen Ende der Welt. Die ersten Chatnachrichten, die lieben Worte, das sympathische Profilbild mit einem stattlichen, sportlichen Mann mit vollen grau melierten Haaren - das alles wirkte so, als würde sich da etwas Wunderschönes anbahnen.
Der große Unbekannte ist über 50 Jahre alt. Ilona D. ist gut 20 Jahre älter. Ihr genaues Alter möchte sie für diesen Bericht nicht nennen. Als sie ihm ihr Alter im Chat verrät, kommt wenig später eine entwaffnende Antwort zurück: "Meine Liebe, ich glaube, dass das Alter nur eine Zahl ist."

Sie war süchtig nach seinen Handynachrichten, berichtet Ilona D. im Gespräch mit dem NDR. Immer wieder wartet sie auf Antworten ihrer Internetbekanntschaft. Mit dem Unbekannten entwickelt sich ein regelmäßiger Chatkontakt. Nach drei Wochen fliegen Herzchen hin und her per Textnachricht bei Whatsapp. Immer wieder meldet er sich mit neuen Begrüßungen. Ilona D. verfällt dem Mann immer mehr: "Zum Beispiel 'meine Liebe Ilona' oder 'mein Schatz' oder 'meine Frau'. Das hat er immer sehr gerne versucht, sich ranzutasten. Und dann hat er gesagt, er würde sich ja sehr wünschen, mich zu heiraten, weil ich ja eine wunderbare Frau bin", berichtet die Rentnerin beim Gespräch mit dem NDR.

Die Masche: Erst Liebe vorgaukeln, dann nach Geld fragen

Zarte Bande, große Liebe? Was Ilona D. für eine beglückende Wende im Sommer hält, nennen Ermittler "Love Scamming" oder "Romance Scam". Unbekannte Täter spielen die Verliebten, aber eigentlich wollen sie nur Geld. So war es auch bei Ilona D. Irgendwann scheint der wunderbare Unbekannte in Not zu geraten. Ihm geht wohl das Geld aus. Jedenfalls bittet er Ilona um Hilfe. Er braucht 200 britische Pfund in Bitcoins. "Bitte können Sie mir helfen und zu einem beliebigen Bitcoin-Automaten in ihrem Land gehen und 200 Pfund auf meine Brieftaschenadresse einzahlen", schreibt der Mann etwas holperig. Nur so könne er seinen Internetanschluss wieder freischalten. "Bitte versuchen Sie, mich zu verstehen, okay."

Was Ilona in diesem Moment vielleicht höchstens ahnt, aber nicht wahrhaben will: So funktioniert die Masche der sogenannten „Love Scammer“. Betrüger basteln sich eine gefälschte Identität, mit einem Bild von einer Person, irgendwo aus dem Internet. In diesem Fall ist es ein Foto von einem End-Vierziger, Typ Geschäftsmann mit zwei süßen Töchterchen links und rechts im Arm. Dazu erfinden die Betrüger eine Lebensgeschichte. Ilonas unbekannter Bekannter war demnach verheiratet, Familienvater, Witwer. Nichts davon ist wahr. Und Ilona D. wurde zum Opfer: Sie verliebte sich in den Mann auf dem Foto: Eine Person, die es so gar nicht gibt.

Opfer von Liebesbetrug glauben Warnungen oft nicht

Den Betrügern gelingt es mit diesen persönlichen Geschichten, eine emotionale Bindung aufzubauen. Das Problem: Selbst wenn die Fälle aufgedeckt werden, glauben manche Opfer nicht an eine Fälschung. Skeptische Nachfragen von Freunden und Verwandten schlagen sie in den Wind. Thomas Winkler, Kriminalhauptkommissar: „Das Opfer findet für sich selber eine Begründung, warum es jetzt nicht auf den nahen Verwandten oder selbst auf uns als Polizei hört und trotzdem das Geld noch überweist.“ So tief ist für die Betrogenen das, was sie für eine Beziehung halten. Aber das Geld, das sie überweisen, ist meistens unwiederbringlich verloren.

Ilona D. hatte in dem Liebestaumel, in den sie der Betrüger gestürzt hatte, dennoch einen lichten Moment. Zumindest hat sie ihm kein Geld überwiesen. Opfer ist sie dennoch: „Den Mann auf dem Foto, den liebe ich. Ich bin liebeskrank geworden“, sagt Ilona D. auch heute noch.

„Love Scamming“: Polizei ermittelt in immer mehr Fällen

Betrug mit der vermeintlich großen Liebe über Messenger wie Whatsapp, den Facebook-Chat oder andere Apps ist auch in Mecklenburg-Vorpommern kein Einzelfall. Im Jahr 2020 ermittelte die Polizei in 26 Fällen. Die Betrüger haben ihren Opfern rund 245.000 Euro abgenommen. Im Jahr 2021 waren es schon 38 bekannte Fälle mit einer Gesamtschadenssumme von 433.000 Euro. Hinter diesem Betrug stecken fast immer internationale Banden, die ihren Opfern organisiert die Liebe vorgaukeln.

Liebesbetrug online: So können Sie sich schützen

Die Polizei rät zur Vorsicht, auch wenn Liebe blind machen kann. Schauen Sie sich das Bild genau an, wirkt es echt oder gestellt? Oft hilft es schon, das Bild bei Google in der Bildersuche hochzuladen. Wie die Rückwärtssuche bei Google funktioniert, erklären wir in dieser Anleitung. Taucht es in der Ergebnisliste im Zusammenhang mit ganz anderen Namen auf, ist äußerste Skepsis angesagt, rät Ermittler Thomas Winkler und mahnt zur Vorsicht, "wenn mein Gegenüber sehr schnell eine emotionale Bindung zu mir aufbauen möchte, mir sehr schnell seine Liebe versichert." Und am Ende ist der wesentliche Hinweis, dass etwas nicht stimmt, dass der Unbekannte Geld fordert. In der Regel geht es dabei um eine angebliche Notlage. "Auch dann sollte man wachsam sein und nicht überweisen", sagt Winkler.

Emotionale Narbe bleibt

Ilona D. von der Insel Rügen hat keinen finanziellen Schaden erlitten; geprägt hat sie der Betrugsversuch trotzdem: "Ich kann das nicht wegstecken. Ich kann nicht sagen, 'zack' ist alles vorbei." Sie ist immer noch verliebt, nicht in den Betrüger, aber in ein Phantom, einen Mann, den es nicht gibt - nur in ihrer Phantasie und in der Phantasie der unbekannten Täter.

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