Der NDR Chor von 1946 bis 2018
Mit Hans-Christoph Rademann erlebte der NDR Chor einen Stilwandel. Der damals 34-jährige Dirigent aus Dresden brachte neue Klangvorstellungen mit nach Hamburg. Eines seiner wichtigsten Anliegen war die Transparenz: "Dann möchte ich grundsätzlich den Klang verschlanken, ohne dass die Größe des Klangs verloren geht. Das ist so ein Prozess, der ist nicht einfach." Nicht einfach, aber äußerst lohnend.
Weg von der Romantik - mehr Transparenz im Klang
Nach einer Übergangszeit ohne Direktor hatte der NDR Chor mit Rademann ab 1999 wieder einen festen Leiter, der frischen Wind hereinbrachte. Der Chor wurde flexibler, der Gesamtklang durchlässiger und das Erscheinungsbild nahbarer. Das früher mitunter etwas starr wirkende Ensemble offenbarte in Konzerten eine größere Kommunikationslust. Davon profitierte auch die Alte Musik, die Rademann besonders am Herzen lag.
Unter Hans-Christoph Rademann öffnete sich der NDR Chor für die Ideen der historischen Aufführungspraxis. Der Bassbariton Christfried Biebrach, damals schon seit 20 Jahren Chormitglied, hat diese Zeit als Aufbruch erlebt: "Rademann hat den NDR Chor schon sehr nach vorn gebracht. Wir haben sehr viel Bach gemacht, sehr viel Händel anfangs - und versucht, vom romantischen Klang weg zum etwas geraderen Alte-Musik-Stil zu kommen. Da war Rademann schon sehr prägend für den Chor. Das Klangliche hat sich dadurch stark verändert und verbessert, er hat den Klang homogener gemacht." Und zwar nicht nur im Bereich der Alten Musik.
Konzerte wurden zum Erlebnis
Die tägliche Arbeit am Klang, den Rademann "feinkörniger" machen wollte, wie er es nannte, zahlte sich auch im romantischen Repertoire aus. Mit Interpretationen der Werke von Max Reger und Anton Bruckner, auch auf CD dokumentiert, erneuerte der NDR Chor seinen Ruf als Spitzenensemble. Rademann modellierte aus den Einzelstimmen einen homogenen Gesamtklang, mit dem er die Harmonien ausleuchtete und große Bögen wölbte - wie in Anton Bruckners Motette "Christus factus est".
Gerade in der geistlichen Musik verströmte Hans-Christoph Rademann oft eine besondere Innigkeit. Da war hinter den sorgsam austarierten Gesten und der behutsamen Körpersprache des Dirigenten eine Anteilnahme zu spüren, die sich unmittelbar auf das Publikum übertrug. Das machte viele seiner Konzerte zum Erlebnis. Rademanns Credo: "Musik kann den Menschen schon verändern. Und ich möchte, dass die Leute mit Haut und Haaren ergriffen sind, wenn sie uns hören. Das sehe ich als meine Hauptaufgabe an: dass die Motivation so groß ist, dass das passiert."
- Teil 1: 1946 bis 1965: Von Oratorium bis Operette - die Ära Max Thurn
- Teil 2: 1966 bis 1978: Helmut Franz rückt Zeitgenössisches in den Fokus
- Teil 3: 1979 bis 1998: Gänsehautmomente mit Menuhin und Karl Richter
- Teil 4: 1999 bis 2004: Hans-Christoph Rademann verschlankt den Klang
- Teil 5: 2005 bis 2018: Philipp Ahmann formt Kammerchor mit eigener Abo-Reihe