"Mal fühle ich mich mehr, mal weniger deutsch"
Immer wieder geht es um die Frage, ob der Islam zu Deutschland gehört. Für den hier geborenen Muslim Said Rezek lautet die Antwort eindeutig: ja. Er lebt gerne in Deutschland - wirklich willkommen fühlt er sich in seiner Heimat aber nicht.
Ein Kommentar von Said Rezek
Ich heiße Said Rezek und bin deutscher Muslim. Ich heiße Said Rezek und bin deutscher Muslim. Ich heiße Said Rezek und bin deutscher Muslim. Diesen Satz kann ich noch so oft wiederholen, viele werden es nicht glauben wollen oder können. Auch ich zweifle manchmal daran.
Einige würden mich wahrscheinlich eher als Passdeutschen bezeichnen, weil meine Vorfahren aus einem anderen Kulturkreis und Kontinent stammen. Meine Eltern sind Kriegsflüchtlinge aus dem Libanon und ich bin 1986 in Deutschland geboren. Und dann ist da noch meine Religion.
Wer sich selbstbewusst als deutscher Muslim begreift, gilt häufig als Provokateur oder wird schlicht nicht ernst genommen: Deutschland und der Islam - das passt für viele noch immer nicht zusammen. Der Islam gilt schließlich als Ausländerreligion. Als Inbegriff von Intoleranz, Gewalt und Engstirnigkeit - so zeigte es die Studie "Wahrnehmung und Akzeptanz religiöser Vielfalt" der Uni Münster aus dem Jahr 2010.
Fehlendes Urvertrauen
Trotzdem lebe ich gerne hier und bin dankbar für die Möglichkeiten, den Lebensstandard und für die Demokratie. Durch mein Engagement in der Flüchtlingshilfe habe ich versucht etwas zurückzugeben, weil meine Eltern nach der Einwanderung selbst auf Unterstützung angewiesen waren.
Es gibt dennoch Momente, in denen ich daran zweifle, ob ich wirklich deutscher Muslim bin. Mal fühle ich mich mehr, mal weniger deutsch. Mir fehlt da ein gewisses Urvertrauen. Meine Zweifel resultieren aus der vergifteten Islamdebatte in Deutschland und der wachsenden Islamfeindlichkeit.
"Bald sind Sie Deutscher, dann dürfen Sie keine Frauen mehr schlagen"
Und dann sind da noch die Diskriminierungserfahrungen, die ich aufgrund meiner Religion oder Herkunft immer wieder machen musste, sei es in der Schule, im Alltag oder bei den Behörden. Ich werde den Moment als 15-Jähriger nie vergessen, als ich die deutsche Staatsbürgerschaft beantragte. Die Mitarbeiterin in der Ausländerbehörde sagte: "Bald sind Sie Deutscher, dann dürfen Sie keine Frauen mehr schlagen." Es war meine erste bewusste Diskriminierungserfahrung. Damals war ich perplex.
Außerdem denke ich an den Anruf meiner Schwester, die mir mit zittriger Stimme sagte, dass sie den Job in der Apotheke aufgrund ihres Kopftuchs nicht erhält. Und ich frage mich, wie ich damit umgehen soll, falls meine Kinder eines Tages aufgrund ihres Glaubens diskriminiert werden.
Meine Identifikation mit Deutschland schwindet weiter
Ziemlich deutsch fühlte ich mich wiederum 2010, als der damalige Bundespräsident Christian Wulff sagte, dass der Islam zu Deutschland gehöre. Weniger deutsch fühle ich mich, wenn die Zugehörigkeit des Islams und damit der Muslime in Zweifel gezogen wird. Einer dieser Momente war der Amtsantritt des Innenministers Horst Seehofer. Er sagte 2018, dass der Islam nicht zu Deutschland gehöre, Muslime hingegen schon. Wie soll das bitteschön funktionieren?
Allein im Jahr 2018 sind bundesweit offiziell 813 Straftaten gegen Muslime und islamische Einrichtungen begangen worden. Zu diesen zählen Beleidigungen, Volksverhetzung, Sachbeschädigungen und zum Teil schwere Körperverletzungen. Jeder einzelne Angriff mehrt meine Zweifel, ob das wirklich mein Land ist. Laut der Leipziger Autoritarismus-Studie 2018 möchten 44 Prozent der Deutschen Muslimen am liebsten die Einwanderung verbieten. Wirklich willkommen fühle ich mich angesichts solcher Zahlen nicht und meine Identifikation mit Deutschland schwindet weiter.
Ich kann jeden Muslim verstehen, der sich aufgrund solcher Erlebnisse nicht mit Deutschland identifizieren kann. Ich kenne sogar einige, die genau aus diesen Gründen ausgewandert sind, weil sie es hier nicht mehr ausgehalten haben.
Deutschland ist meine Heimat
Gerade wenn ich länger im Ausland bin, vermisse ich Deutschland. Ich vermisse die Ordnung, die Sprache, meine Familie, Freunde und noch so viel mehr, was diesen Ort zu meiner Heimat macht. Aber es kann nicht sein, dass ich mich im Ausland manchmal wohler fühle, weil ich dort keiner Diskriminierung ausgesetzt bin.
Noch habe ich nicht ernsthaft über Auswanderung nachgedacht. Um ehrlich zu sein, wüsste ich auch nicht wohin, denn Deutschland ist meine Heimat und das bleibt sie hoffentlich auch für meine Kinder. Ich heiße Said Rezek und bin deutscher Muslim.