Stand: 06.07.2018 13:27 Uhr

Junge Muslime und die Islamische Theologie

Im April ist das Institut für Islamische Theologie an der Universität Osnabrück fünf Jahre alt geworden. Bereits seit 10 Jahren gibt es dort den Studiengang "Islamische Religion". Das Interesse von jungen Muslimen an der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit ihrem Glauben ist nach wie vor groß. Was bewegt sie und mit welchen Themen beschäftigen sie sich?  In dieser Woche haben einige Studierende auf einer Tagung einen Überblick über ihre Abschlussarbeiten gegeben.

Von Kerstin Staben

Gespannt blicken die Studierenden auf den ersten Redner an diesem Tag: Osman Akintürk. Monatelang erforschte er für seine Masterarbeit, welchen Beitrag islamischer Religionsunterricht zur Identitätsbildung bei muslimischen Jugendlichen leisten kann. Akintürk arbeitet bereits als Lehrer - es war auch seine eigene Geschichte, die ihn motivierte: "Für mich war ausschlaggebend, dass ich zum Beispiel als Lehrer ins Lehrerzimmer komme und eine Lehrkraft nach mehreren Wochen zu mir sagt `Ach, und sie sind der neue Türkischlehrer`. Und ich sehe dort, auch von Menschen, die hier in Deutschland aufwachsen, dass man meine Identität in den Herkunftsländern meiner Eltern sieht."

Islamunterricht ist wichtig für die Identitätsbildung                                 

Studenten der Islamischen Theologie an der Universität Osnabrück © Pressestelle Universität Osnabrück/Manfred Pollert
Studierende der Islamischen Theologie stellten ihre Abschlussarbeiten auf einer Tagung an der Uni Osnabrück vor.

Die Frage nach der Identität - sie ist für Osman Akintürk allgegenwärtig. Für seine Arbeit interviewte er auch islamische Religionslehrer aus Niedersachsen. Er stellte ihnen spontan Fragen, ohne dass sie sich darauf vorbereiten konnten. Beispielsweise, ob die Lehrer im Religionsunterricht einen Beitrag sehen, um das Selbstbewusstsein muslimischer Schüler zu stärken. Oder welche Rolle die Identitätsfrage für sie persönlich spielt.    

Sein wissenschaftliches Ergebnis: Der Religionsunterricht ist nicht komplett identitätsstiftend. Aber er ist ein sehr wichtiges Teilstück: "Wir wissen auch, dass muslimische Schüler im Unterricht kontroverse Themen diskutieren und dadurch auch eine Mündigkeit entwickeln. Es ist wichtig, dass muslimische Kinder ihre Religion in der Institution Schule diskutieren und nicht nur in der Moschee. Es muss auch moderne Diskussionen geben. Dass die Schüler auch gefordert sind, ihre Religion näher kennenzulernen."

„Religion ist bunt“

Man werde in ein System - eine Familie - hineingeboren, so Akintürk. Die religiöse Vorstellung, die dort herrsche, sei ausschlaggebend für das weitere Leben. Die Auseinandersetzung damit im Religionsunterricht sei deshalb umso wichtiger. Sie könne die nötige Balance und ein Gleichgewicht schaffen. Doch auch der interreligiöse Dialog sei bedeutend. Religion sei bunt, sagt er, habe auch Grautöne. Die sollten die Schüler kennenlernen, um sich ein eigenes Bild von ihrem Glauben zu machen.

Islamische Theologie in Deutschland

Seit dem Wintersemester 2011/2012 fördert die Bundesregierung den Aufbau von fünf Zentren für Islamische Theologie an den Hochschulen: Das Institut für Islamische Theologie in Osnabrück (IIT), das Zentrum für Islamische Theologie (ZIT) Münster sowie die Zentren in Frankfurt am Main, Tübingen und Erlangen-Nürnberg.

Rund 2.000 Studenten sind inzwischen bundesweit in die Bachelor- und Masterstudiengänge eingeschrieben. Sie möchten Religionslehrer werden, islamische Seelsorger, Sozialarbeiter oder Wissenschaftler. Auch in Zukunft wird die Bundesregierung die erfolgreiche Arbeit der fünf Zentren unterstützen. Ab dem kommenden Jahr kann man auch an der Berliner Humboldt-Universität Islamische Theologie studieren. Das Land Berlin fördert den Aufbau des Instituts.

Eine neue Definition von Salafismus?

Der 29-jährige Matthias Schmidt hat sich in seiner Abschlussarbeit mit Salafismus beschäftigt: "Meine Zielsetzung war, innerhalb dieses Spektrums, in dem man immer über Salafismus redet, aufzuzeigen, was das eigentlich ist. Ich versuche, eine neue Definition vorzuschlagen. Dass man eben sagt, das sind nicht nur radikale Religiöse, sondern sie haben eine bestimmte Art von Religionsverständnis."

Der 29-jährige konvertierte im Alter von 14 Jahren zum Islam. Er fühlte sich hingezogen zu der Religion, hatte viele muslimische Freunde. Heute arbeitet er mit Jugendlichen - im Präventionsbereich. In seiner Arbeit versucht Schmidt, einer Definition von Salafismus näherzukommen. Seiner Meinung nach werde er oft einfach als mittelalterliche religiöse oder extrem radikale Form des Glaubens gewertet: "Es sind ja keine äußeren Merkmale, wie etwa lange Bärte, sondern es ist eher eine Art `Mindset`, wie ich jetzt die Religion verstehe“,  betont der Theologiestudent. "Den Salafismus zeichnet aus, dass die Lehre des klassischen Islam einfach übersprungen wird. Oder dass man sich willkürlich Sachen rauspickt und versucht, die im Hier und Heute umzusetzen. Und dann kann ich das eben auch missbrauchen."

Auf der Suche nach dem richtigen Verständnis des Islam

Seine Arbeit schrieb Matthias Schmidt schon 2015 - heute steht er kurz vor seiner Masterarbeit. Auch darin will er sich noch einmal vertiefend mit diesem Thema auseinandersetzen.

Insgesamt ging es viel um religiöse Strömungen in den Arbeiten der Studierenden. Vieles dreht sich um das richtige Verständnis des Islam oder darum, wie junge Menschen bei der Auseinandersetzung mit ihrer Religion unterstützt werden können - im Schulunterricht oder in den Gemeinden.

Weitere Informationen
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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Freitagsforum | 06.07.2018 | 15:20 Uhr

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