Islamstudium in Hamburg: Weltoffen und aufgeklärt?
Ob in Osnabrück, Münster oder Hamburg - an immer mehr deutschen Universitäten kann man Islamische Theologie studieren. Das Besondere an der Hamburger Akademie der Weltreligionen: Der starke Fokus auf die Etablierung des interreligiösen Dialogs in Forschung und Lehre. Sieben Jahre hat Katajun Amirpur, die erste Professorin für Islamische Theologie an der Uni Hamburg, an der Akademie der Weltreligionen gearbeitet. Zum ersten April war Schluss. Für das Freitagsforum zieht sie Bilanz.
von Katajun Amirpur
Zu den schönsten Erfahrungen in Hamburg zählt diese: Zwei Lehramtsstudentinnen, eine tiefverschleiert, die andere im Minirock, erklären beim Abschied, wie bereichernd für sie die Diskussionen in den Seminaren gewesen seien. Beide sagen einstimmig, sie hätten den Islam von einer bisher unbekannten, der jeweils anderen Seite kennengelernt. Und sie hätten es als Gewinn erlebt, dass beide Islame so hätten nebeneinander bestehen dürfen.
Diese Erfahrung teile ich mit den beiden Studentinnen des Bachelor-Studiengangs Islamische Religion an der Akademie der Weltreligionen: In Hamburg herrscht eine einzigartig offene Atmosphäre, auch unter den Muslimen dieses Studiengangs. Vermutlich ist es der Zusammensetzung der Studierendenschaft geschuldet: Es finden sich hier die verschiedensten Migrationshintergründe. Viel mehr Studierende als andernorts sind darunter, die nicht aus bildungsfernen Haushalten stammen. Deutlich mehr als an anderen Studienstandorten geben sie hier zu Protokoll auf die Frage nach ihrer Motivation: Ich will, dass die Menschen ein besseres Bild vom Islam bekommen; ich will die jungen Menschen retten, die auf Abwege geraten, weil sie verführt werden vom IS; ich will etwas gegen den religiösen Analphabetismus tun, der junge Schüler in die Fänge des IS geraten lässt.
Dazu beitragen, dass die Welt ein besserer Ort wird
An den anderen Standorten in Deutschland, wo man auch Islamische Theologie studieren kann, wird auf die Frage nach der Motivation oft geantwortet, mit mehr religiösem Wissen ausgestattet, käme man sicher geradewegs in den Himmel. An der Uni erhoffe man sich Unterweisung im Glauben. Diese Antwort habe ich in Hamburg nie gehört. Den Studierenden geht es weniger um ihr eigenes Seelenheil als um das anderer. Dabei bringen sie keine allzu große Kenntnisse vom Islam mit. Aber umso mehr Motivation, sie sich anzueignen. Wer so in die Welt schaut, ist neugierig, wissbegierig und unideologisch. So eine Einstellung ist ein Segen für jeden Professor. Zu finden war sie nicht nur unter den Muslimen im Bachelor-Studiengang Islamische Religion, den die Akademie der Weltreligionen anbietet, sondern ebenso unter den Nicht-Muslimen im Masterstudiengang Religion, Dialog & Bildung, der dort ebenso verantwortet wird. Auch hier sind vor allem junge Menschen anzutreffen, die, mit besonders großem Engagement und Willen ausgestattet, tatsächlich ihren Beitrag dazu leisten wollen, dass die Welt ein besserer Ort wird. Klingt pathetisch, ist aber toll - und unfassbar wertvoll.
Offenheit im Interreligiösen Dialog - eine Generationenfrage?
Weniger segensreich waren im Vergleich dazu die Erfahrungen im interreligiösen Dialog mit der etwas älteren Generation. Die hier herrschende große Unkenntnis vom Islam ist allzu oft gepaart mit der Überzeugung, viel besser über den vermeintlich "wahren Islam" Bescheid zu wissen als die Rednerin. Nach den allermeisten Vorträgen, zu dem die dialogfreudigen Organisatoren eingeladen haben, die evangelische Gemeinde hier, die katholische Akademie dort, fragt man sich am Ende: Was habe ich hier eigentlich die ganze Stunde über erzählt? Es kann doch nicht sein, dass so wenig davon ankommt? Bei den Studierenden klappt es ja schließlich auch, dass sie zum Nachdenken angeregt werden. Warum werden hier nie auch nur kleinste Schneisen in die Selbstgewissheit geschlagen?
Über die Jahre ist die Atmosphäre bei solchen Dialogveranstaltungen immer aggressiver geworden, nicht selten haben sich die Organisatoren darum für diese unter die Gürtellinie gehenden Anfeindungen entschuldigt. Natürlich trägt auch das Verhalten der Muslime selbst dazu bei, dass sie und ihre Religion in einem immer schlechteren Licht dastehen. Aber als ob man nicht wüsste, dass es überall Idioten gibt? Die Haltung zum Islam, das habe ich jedenfalls gelernt in meinen Hamburger Jahren, die geprägt waren durch den Dialog im universitären Umfeld wie auch außerhalb der Universität, ist nicht zuletzt eine Generationenfrage.