Umfrage: Mehrheit für Abschaffung der privaten Krankenversicherung

Stand: 04.09.2024 00:00 Uhr

Ungerecht - so finden die meisten Teilnehmenden einer #NDRfragt-Umfrage das aktuelle System aus privater und gesetzlicher Krankenversicherung. Eine Mehrheit ist für eine Einheitsversicherung.

von Kathrin Bädermann

Haben wir in Deutschland eine Zwei-Klassen-Medizin? Die große Mehrheit einer aktuellen #NDRfragt-Umfrage empfindet das derzeitige System mit gesetzlicher und privater Krankenkasse als ungerecht. Selbst die privat Versicherten halten das System mehrheitlich für nicht fair (57 Prozent) - bei den gesetzlich Versicherten ist das Urteil noch deutlicher (82 Prozent).

Ähnlich viele Befragte mit gesetzlicher Krankenversicherung plädieren sogar für die Abschaffung des Systems zugunsten einer einheitlichen Kasse. Bei den privat Versicherten fordern das deutlich weniger (48 Prozent).

Über 19.000 Menschen aus Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Hamburg und Bremen haben an der Befragung teilgenommen. Alle Ergebnisse der nicht repräsentativen, aber gewichteten Umfrage gibt es hier als PDF zum Herunterladen.

Werden Privatpatienten bevorzugt?

Eine der gesetzlich versicherten #NDRfragt-Teilnehmerinnen ist die 64-jährige Barbara aus Schleswig-Holstein. Sie kann die Auswirkungen der so vielfach empfundenen Zwei-Klassen-Medizin in der eigenen Familie beobachten - ihr Mann ist Privatpatient. "Mich freut es, dass mein Mann immer schnell Termine bekommt, die Ärzte sich Zeit nehmen und sehr fürsorglich sind", sagt sie. "Mich ärgert es aber, dass ich selbst wiederum auf jeden Facharzttermin Wochen warten muss, die Ärzte nie Zeit haben und kaum ein Arzt - bis auf Psychologen - meine Problematik hinterfragt oder mehr als die Symptome behandelt." Manch privat Versicherte geben allerdings auch an, "zu gründlich" behandelt zu werden: "Ich habe manchmal den Eindruck, dass mir Leistungen aufgeschwatzt werden", sagt etwa #NDRfragt-Teilnehmerin Nadine, 36, aus Hamburg.

Werden gesetzlich Versicherte benachteiligt?

Eine schnellere, bessere, ausführlichere Behandlung - das verbinden viele mit der privaten Krankenversicherung. Bei der Frage nach den Vorteilen der Privaten wurde besonders häufig die schnellere Terminvergabe angeführt: 72 Prozent aller Befragten sehen hier einen Pluspunkt. Die zweithäufigste Antwort bei allen ist die größere Auswahl an Ärztinnen und Ärzten und damit einhergehend eine leichtere Neuaufnahme in Praxen (53 Prozent). Die Plätze drei, vier und fünf belegen eine geringere Wartezeit in Praxen (37 Prozent), umfangreichere Leistungen (36 Prozent) sowie eine höhere Behandlungsqualität (26 Prozent).

Auch hier gibt es zwischen den beiden Versicherungsarten große Unterschiede: Während etwa 77 Prozent der gesetzlich Versicherten glauben, dass privat Versicherte Vorteile bei der Terminvergabe haben, meinen das unter den privat Versicherten selbst nur 51 Prozent. Ähnlich sieht es bei der Einschätzungen zur Bevorzugung im Wartezimmer aus: 42 Prozent der gesetzlich Versicherten geben an, privat Versicherte hätten den Vorteil, früher aufgerufen zu werden, während nur 18 Prozent der privat Versicherten das so einschätzen.

Große Unterschiede bei der Wartezeit

Besonders deutlich wird der Unterschied zwischen privater und gesetzlicher Versicherung bei der Wartezeit auf einen Haus- oder Facharzttermin: 40 Prozent der gesetzlich Versicherten in der #NDRfragt-Gemeinschaft mussten beispielsweise vier Wochen oder länger auf den Termin warten. Bei den privat Versicherten waren das nur zwölf Prozent.

Weniger Differenzen zeigen sich bei den abgesessenen Minuten im Wartezimmer. Insbesondere das direkte Durchwinken in den Behandlungsraum ist gemäß dieser Umfrage kein Privileg von privat Versicherten - überhaupt ist dies nur die Ausnahme: Je zwei Prozent geben an, dass sie beim letzten Praxisbesuch gar nicht warten mussten. 23 Prozent der gesetzlich Versicherten und 26 Prozent der privat Versicherten sagen, sie seien innerhalb von einer Viertelstunde aufgerufen worden. Die meisten Befragten müssen bis zu 30 Minuten warten, bis sie aufgerufen werden - sowohl bei den gesetzlich (44 Prozent) als auch bei den privat Versicherten (35 Prozent).

Insgesamt 72 Prozent aller Befragten sprechen sich für die Abschaffung der privaten Krankenversicherungen aus und damit für die Einrichtung einer einzigen gesetzlichen Krankenversicherung für alle Menschen - ganz gleich, ob arm oder reich, verbeamtet, selbstständig, angestellt oder arbeitslos. Unter den gesetzlich Versicherten sind 84 Prozent für diesen Systemwechsel. Unter den privat Versicherten sind es mit 48 Prozent deutlich weniger.

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"Warum nicht eine Krankenversicherung für alle?"

#NDRfragt-Mitglied Lea aus Niedersachsen ist für die Abschaffung des dualen Systems der Krankenkassen. "Es sollte keiner wegen seines Einkommens eine bessere medizinische Versorgung bekommen", schreibt die 26-Jährige. Das System solle sich stattdessen nach der medizinische Dringlichkeit richten. "Wir brauchen ein Einheitssystem, in dem jeder die notwendige Versorgung unabhängig von seiner sozialen Stellung bekommt."

Auch #NDRfragt-Mitglied Arvid, 31, aus Mecklenburg-Vorpommern sieht einen Nutzen in einem Umbau des Systems: "Warum nicht eine Krankenversicherung für alle?", fragt er. "Das würde wahrscheinlich Geld und Zeit bei der Verwaltung sparen."

Über diese Befragung

Die Antworten stammen aus der Umfrage "Private Krankenversicherung - abschaffen oder beibehalten?", an der sich 19.280 Norddeutsche beteiligt haben. Für die Ergebnisse wurden Antworten ausgewertet, die vom 11. bis zum 17. Juli 2024 um 9 Uhr abgegeben wurden. An den Umfragen von #NDRfragt nehmen Menschen aus Schleswig-Holstein, Hamburg, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Bremen teil. Die Umfragen werden online ausgefüllt.

Die Ergebnisse der Befragung sind nicht repräsentativ. Wir haben sie allerdings nach den statistischen Merkmalen Alter, Geschlecht, Bundesland, Schulabschluss und Familienstand gewichtet. Das heißt: Antworten von Bevölkerungsgruppen, die unter den Befragten seltener vertreten sind als in der norddeutschen Bevölkerung, fließen stärker gewichtet in die Umfrage-Ergebnisse ein. Und die Antworten von in der Befragung überrepräsentierten Gruppen werden schwächer gewichtet. Insgesamt verteilen sich die Antworten dann am Ende eher so, wie es der tatsächlichen Verteilung der Bevölkerungsgruppen in Norddeutschland entspricht.

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Dieses Thema im Programm:

NDR Info | 04.09.2024 | 19:30 Uhr