Umfrage: Fachkräftemangel im Alltag deutlich spürbar
Die Mehrheit der Teilnehmenden einer #NDRfragt-Umfrage spürt den Fachkräftemangel im täglichen Leben. Vor allem im Handwerk und im Gesundheitswesen bewerten sie den Engpass an spezialisiertem Personal als hoch.
Demnach geben 77 Prozent der Befragten an, in ihrem Alltag die Knappheit an Fachkräften wahrzunehmen. Mehr als die Hälfte der Umfrageteilnehmenden aus der #NDRfragt-Gemeinschaft beklagt einen Mangel an qualifiziertem Personal im Handwerk, gut vier von zehn in der Medizin sowie im Pflegebereich. Personalengpässe sieht knapp ein Viertel der Umfrageteilnehmenden auch bei Lehrkräften.
An der Befragung haben 17.871 Menschen aus Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Hamburg und Bremen teilgenommen. Alle Ergebnisse der nicht repräsentativen, aber gewichteten Umfrage gibt es hier als PDF zum Herunterladen.
Niedersachsen im Norden beim Fachkräftemangel vorn
Laut einer aktuellen Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) fehlten im bundesdeutschen Durchschnitt zuletzt mehr als 530.000 qualifizierte Arbeitskräfte. Auf Basis einer vom IW entwickelten Fachkräftedatenbank hat das Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung (KOFA) ermittelt, dass beispielsweise in Niedersachsen im Jahresdurchschnitt 2023/2024 knapp 60.000 Fachkräfte fehlten, in Schleswig-Holstein gut 20.000, in Mecklenburg-Vorpommern über 15.000 und in Hamburg knapp 7.500. #NDRfragt-Teilnehmerin Annika (52) aus Niedersachsen fasst die Auswirkungen fehlender Fachleute in ihrem Alltag so zusammen: "Der Fachkräftemangel wird beispielsweise spürbar, wenn man Handwerker sucht, wenn die Kinder von Unterrichtsausfällen berichten, wenn man einen Platz in einer Pflegeeinrichtung für Angehörige sucht oder einen Arzttermin braucht."
Höhere Arbeitsbelastung und Gefährdung von Unternehmen
Den Effekt des Mangels an Fachpersonal spüren auch Betriebe deutlich. Knapp die Hälfte der teilnehmenden Unternehmerinnen und Unternehmer sind vom Fachkräftemangel betroffen. Dieser schlägt sich vor allem darin nieder, dass Mitarbeitende einer höheren Arbeitsbelastung ausgesetzt sind, wenn freie Stellen nicht besetzt werden können. Fast 40 Prozent derer, die ein Unternehmen führen, geben an, dass das Defizit an Fachkräften ihr Geschäftsmodell einschränkt. Manche gehen dabei völlig neue Wege, wie beispielsweise Hanns-Dietrich (58) aus Schleswig-Holstein: "Meine Antwort auf den Fachkräftemangel ist nicht die vier Tagewoche, sondern der drei (vier) Wochenmonat. In der letzten Monatswoche ist die Tierarztpraxis geschlossen."
Sind ausländische Arbeitskräfte die Lösung?
Knapp ein Viertel der Umfrageteilnehmenden hält es für sinnvoll, dem Mangel an Fachpersonal durch Erleichterungen bei der Einstellung von ausländischen Arbeitskräften entgegenzuwirken. "Die bürokratischen Hürden für die Beschäftigung bzw. Anerkennungsverfahren ausländischer Mitbewohner sind zu hoch und viel zu langwierig. Hier könnten durch pragmatischere Herangehensweisen und intensiveres Coaching, zusammen mit einem gesicherten Aufenthaltsstatus, viele tausend Personen ins Erwerbsleben und in Bildung/Ausbildung überführt werden", schlägt Ralf (57) aus Niedersachsen vor. Ein weiterer Aspekt, den uns viele #NDRfragt-Mitglieder in der Umfrage mitgeteilt haben, ist die mangelnde Wertschätzung denjenigen gegenüber, die sich bereits für Berufe entschieden haben, in denen - wie im Medizin- und Pflegebereich - ein Fachkräftemangel herrscht. Melita (34) aus Hamburg beschreibt das so: "Wir müssen endlich anfangen, die wichtigen Berufe unserer Gesellschaft wertzuschätzen, entsprechend zu entlohnen und vernünftige Arbeitsbedingungen für diese zu schaffen. Und eigentlich hat uns die Coronazeit auch genau gezeigt, welche Berufe das sind."
Auch Ältere ins Arbeitsleben integrieren
Den einen Königsweg gibt es vermutlich nicht, um aus der Misere herauszukommen. Vielmehr sollten mehrere Aspekte ineinandergreifen. "Die Bürokratie muss abgebaut werden, nicht nur in Unternehmen, vor allem im öffentlichen Dienst. Ausländische Fachkräfte müssen schneller integriert werden. Unbeliebte Berufsgruppen müssen attraktiver gestaltet werden. Arbeitsverweigerung darf nicht mehr honoriert werden", schreibt Martina (57) aus Mecklenburg-Vorpommern. Eine weitere Maßnahme könnte auch sein, ältere Menschen länger in der Arbeitswelt zu halten. Fast vier von zehn Befragten sprechen sich für finanzielle Anreize aus, ein Drittel für flexiblere Arbeitszeiten. Auch hier spielt Anerkennung eine zentrale Rolle. Zwei Drittel der Umfrageteilnehmenden finden, dass älteren Menschen in der Arbeitswelt nicht genug Wertschätzung entgegengebracht wird. Altersdiskriminierung trifft dabei einige Befragten - generationenübergreifend. Denn 15 Prozent aller Umfrageteilnehmer, ob jung oder alt, geben an, bei der Arbeit bereits Diskriminierung aufgrund ihres Alters erfahren zu haben.
Wachsende #NDRfragt-Community: Mehr als 48.000 Norddeutsche machen mit
#NDRfragt ist das Meinungsbarometer für den Norden. Mittlerweile haben sich mehr als 48.000 Norddeutsche für die Community angemeldet. Wer noch nicht dabei ist, aber mitmachen will, kann sich registrieren und wird zu den Umfragen per E-Mail eingeladen. Mitglied kann werden, wer in Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Hamburg oder Bremen wohnt und mindestens 16 Jahre alt ist.