Klimaanpassung: Städte teilweise deutlich weiter als kleinere Kommunen

Stand: 14.09.2023 06:00 Uhr

Die Folgen des Klimawandels betreffen alle - sowohl kleinere Kommunen als auch größere Städte. Geht es um die Maßnahmen gegen die Klimafolgen, offenbaren sich aber noch große Unterschiede im Norden.

von Patrick Reichelt

"Spätestens dieser Sommer hat uns gezeigt, wie notwendig Klimaanpassung ist", sagte Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) unlängst während einer Debatte im Bundestag. Die Anpassung an Klimafolgen wie Hitzewellen, Dürren oder Starkregen, ist zum großen Teil eine Aufgabe der Bundesländer, aber auch den Kommunen kommt eine zentrale Rolle zu.

Zwar ergreifen nach eigenen Angaben einige Kreise und Städte in Norddeutschland bereits einzelne Maßnahmen gegen die Folgen des Klimawandels (siehe Grafik). Einer deutlichen Mehrheit geht das aber nicht weit genug - und die Umsetzung wird oft nicht wahrgenommen, wie eine kürzliche Umfrage mit knapp 18.000 Teilnehmenden von #NDRfragt ergab.

Reaktionen der Kommunen auf Ergebnisse von #NDRfragt

Wie reagieren die Kreise und Städte auf die Beobachtungen und Sorgen der Befragten? Der NDR hat alle 71 Landkreise und kreisfreie Städte in Norddeutschland mit den detaillierten Ergebnissen von #NDRfragt konfrontiert. 66 Kommunen haben unsere Fragen beantwortet, wobei die Antworten sich in ihrer Qualität und Ausführlichkeit teilweise deutlich voneinander unterscheiden. Am Ende des Artikels können Sie einen Teil der Antworten für Ihren eigenen Kreis einsehen.

Während etwa Kiel (Schleswig-Holstein), Hamburg oder andere Großstädte sehr ausführlich mit Beispielen und Grafiken zur Klimaanpassung in ihren Regionen antworteten, waren die Antworten anderer Kreise und kreisfreie Städte vergleichsweise kurz. Der Sprecher des Landkreises Schaumburg (Niedersachsen) schreibt zu der Frage nach weiteren Maßnahmen lediglich: "Die Anpassung an den Klimawandel ist ein fortschreitender Prozess, der auch in unserem Landkreis zu weiteren Maßnahmen führen wird." Welche das künftig sein sollen oder was geplant ist, bleibt offen.

Klimaanpassung: Kleinen Kommunen fehlen oft die Mittel

Es wird deutlich, dass sich einige Kreise bereits intensiv mit dem Thema Klimaanpassung auseinandersetzen und schon konkrete Konzepte umsetzen – und andere weniger oder gar nicht. Vor allem große Städte haben offenbar eher das Geld und Personal für entsprechende Konzepte. Kleine und mittlere Kommunen scheinen trotz der Dringlichkeit des Themas teilweise noch überfordert. "Im Bereich der Anpassung an die Folgen des Klimawandels stehen wir – im Gegensatz zum Bereich Klimaschutz – noch relativ am Anfang", schreibt etwa der Pressesprecher der Stadt Neumünster (Schleswig-Holstein).

Ähnlich sieht es im Kreis Wittmund (Niedersachsen) aus, was laut Sprecher vor allem an fehlenden Fördermitteln liege. Den Verweis auf das Geld und fehlendes Personal machen viele kleinere Kreise. Die Pressesprecherin vom Landkreis Heidekreis schreibt etwa: "Derzeit hat der Heidekreis noch keine konkrete Klimaanpassungsstrategie. Dass eine solche notwendig ist, ist uns durchaus bewusst. Leider fehlen uns zur Zeit vor allen Dingen die personellen Ressourcen, um dieses Thema abzudecken".

Gesucht: Klimaanpassungsmanager/in

Einige Kommunen wollen künftig beim Kampf gegen die Klimafolgen nachrüsten, vor allem in Form von sogenannten Klimaanpassungsmanagern. Im Kreis Diepholz (Niedersachsen) werden nach eigenen Angaben derzeit etwa drei Mitarbeiter im Bereich Klimaschutz und Klimafolgenanpassung gesucht. In Emden (Niedersachsen) oder Stormarn (Schleswig-Holstein) haben die Klimaexperten bereits ihre Arbeit aufgenommen. Blickt man auf den gesamten Norden, zeigt sich ein gemischtes Bild: Wie eine Umfrage von NDR, BR, WDR und Correctiv ergab, planen weniger als 50 Prozent der teilnehmenden Kreise und Städte im Norden in den nächsten Monaten beim Thema Klimaanpassung personell nachzurüsten.

Wie die Kreise die Bürger informieren wollen

Ein weiteres zentrales Ergebnis von #NDRfragt: Die Mehrheit der knapp 18.000 Befragten weiß schlicht nicht, ob oder wie Klimaanpassungen in ihrem Landkreis oder ihrer Stadt umgesetzt werden. Zahlreiche Zitate der Teilnehmenden zeugen von einem großen Informationsbedürfnis bei dem Thema, das offenbar zu wenig gestillt wird. Wie wollen die Kreise und Städte ihre Bürger also künftig besser informieren? Einige Kommunen nehmen die Ergebnisse zum Anlass, ihre Kommunikation künftig verstärken zu wollen: "Die Rückmeldungen zeigen, dass die Öffentlichkeitsarbeit ausgebaut werden sollte. Hierzu werden sich Klimaschutzmanagement und Pressestelle kurzfristig austauschen", schreibt etwa die Pressesprecherin des Kreises Gifhorn. Andere wollen bei der Erstellung ihrer Klimaanpassungsstrategie die Bürger noch stärker einbeziehen – und noch mehr auf Social Media und ihren Internetauftritt setzen.

Der Kreis Nordwestmecklenburg (Mecklenburg-Vorpommern) sieht sich hingegen weniger in der Verantwortung. Die Kreisverwaltung sei ein Verwaltungsorgan und zuständig für die Umsetzung von Verwaltungsvorschriften und Kreistagsbeschlüssen. "Menschen beim Thema an sich 'mitzunehmen' hingegen ist hauptsächlich eine politische Aufgabe beziehungsweise Aufgabe öffentlicher Berichterstattung durch die Presse", so der Pressesprecher.

 

Über das Projekt "Klimaanpassung"

Bereits im Frühjahr hatten NDR, WDR, BR und CORRECTIV alle Kreisverwaltungen in Deutschland gefragt, welche Folgen des Klimawandels sie für ihre Region fürchten und wie sie sich darauf vorbereiten.

#NDRfragt hat anschließend seine Teilnehmer dazu befragt, wie stark sie bereits die Klimafolgen wahrnehmen - und was sich aus ihrer Sicht bei der Anpassung vor Ort noch verbessern muss. An der Umfrage haben insgesamt 17.822 Menschen aus Schleswig-Holstein, Hamburg, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Bremen teilgenommen. Anschließend hat der NDR allen 71 Kreisen und kreisfreien Städten im Norden die Umfrageergebnisse geschickt und um eine Stellungnahme gebeten.

Die Ergebnisse der Befragung von #NDRfragt sind nicht repräsentativ. Wir haben sie allerdings nach den statistischen Merkmalen Alter, Geschlecht, Bundesland und Schulabschluss gewichtet. Das heißt: Antworten von Bevölkerungsgruppen, die unter den Befragten seltener vertreten sind als in der norddeutschen Bevölkerung, fließen stärker gewichtet in die Umfrage-Ergebnisse ein. Und die Antworten von in der Befragung überrepräsentierten Gruppen werden schwächer gewichtet. Insgesamt verteilen sich die Antworten dann am Ende eher so, wie es der tatsächlichen Verteilung der Bevölkerungsgruppen in Norddeutschland entspricht.

 

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