Was passiert, wenn eine Stadt ihr Kaufhaus verliert
Einst waren Kaufhäuser Publikumsmagneten. Nach der Insolvenz von Galeria Karstadt Kaufhof sind nun auch die letzten Filialen bedroht. Wie ergeht es einer Stadt, wenn sie ihr Kaufhaus verliert? Drei Beispiele aus Schleswig-Holstein.
Daran, dass in der Innenstadt von Schleswig einmal ein Kaufhaus stand, erinnert heute nur noch eine leere Fläche - eingegrenzt von einem Bauzaun. Die Menschen scheinen sich an diesen Anblick längst gewöhnt zu haben. Eingepackt in dicken Winterjacken schlendern sie an diesem Mittwochmorgen Anfang Dezember einfach daran vorbei.
Warum sollten sie auch stehen bleiben? Außer ein paar geschmückten Tannenbäumen und einem weißen Baucontainer gibt es hier nichts, was einen hält. "Diese Fläche ist kein schöner Anblick", gibt Schleswigs Bürgermeister Stephan Dose (SPD) zu und lacht fast verlegen. Doch wenn er über früher spricht, wird er etwas wehmütig: "Früher gab es hier eine große Schallplatten-Abteilung, später dann CD-Abteilung. Das war der Punkt, wo man sich getroffen hat, um neue Musik zu kaufen."
Schleswig hat keine Lösung fürs ehemalige Hertie-Gelände
Diese Zeiten sind längst vorbei. 2009 schloss Hertie. Danach stand das Gebäude lange leer, bis die Stadt es 2016 für zirka 1,7 Millionen Euro kaufte – und dann abriss. Seitdem passierte nichts. Zumindest noch nichts. Denn wenn es nach Dose geht, könnte sich das bald ändern.
Dose gibt sich zuversichtlich: "Wir sind so nah dran wie noch nie, für die ungenutzte Fläche eine Lösung zu finden. Ein Unternehmen ist sehr interessiert, gemeinsam mit unserer Stadt hier etwas zu entwickeln."
Was Dose meint: Seit einem Jahr können Investoren in Schleswig für die freie Fläche Konzepte einreichen. Im Frühjahr 2024 will die Stadt eine Lösung präsentieren.
Kaufhäuser: Früher Konsumtempel - heute Problemfälle
Schleswig ist ein trauriges Beispiel für eine Stadt, die ihr Kaufhaus verloren hat - und damit auch seinen einstigen Publikumsmagneten. Früher waren Kaufhäuser Anziehungspunkt für viele. "Alles unter einem Dach": So lautete lange das Motto der großen Kaufhäuser. In der Blütezeit in den 70er-Jahren gab es mal in Deutschland Platz für vier große Ketten: Karstadt, Kaufhof, Horten und Hertie.
Mittlerweile gibt es nur noch Galeria Karstadt Kaufhof. Doch das Unternehmen ist insolvent - zum zweiten Mal innerhalb von zwei Jahren. Erneut bangen Innenstädte in Deutschland um ihre einstigen Konsumtempel. Auch in Schleswig-Holstein. Hier gibt es nur noch zwei Kaufhäuser: in Lübeck und in Kiel. Es waren mal mehr als ein dutzend.
Rendsburgs Kaufhaus ist jetzt eine Seniorenresidenz
Auch wenn Rendsburg sein Kaufhaus längst verloren hat, ist es am Dienstagmorgen Anfang Dezember vorm ehemaligen Gebäude auf dem Altstädter Markt fast so laut wie in einem Fußballstadion. Aber nicht weil sich so viele Menschen auf dem Platz tummeln, sondern weil Gärtner an einem Baum mit einer Motorsäge hantieren. Ansonsten ist es fast menschenleer. Lediglich eine ältere Frau hockt vorm einstigen Kaufhaus auf einer Bank - und zieht genüsslich an einer Zigarette.
Für Rendsburg ist das längst Alltag. Früher schoben die Kunden hier oft Kinderwagen vor sich her - heute meist Rollatoren. 2020 ist aus dem Kaufhaus eine Seniorenresidenz geworden. Zuvor stand das Gebäude mehr als sieben Jahre leer. Erst als drei Investoren aus Flensburg und Nordfriesland das Gebäude kauften, hatte der Leerstand ein Ende.
Bürgermeisterin Janet Sönnichsen (parteilos) war damals zwar noch nicht im Amt. Sie wirkt dennoch erleichtert, sich nicht mit einem leerstehenden Gebäude mitten in der Innenstadt herumschlagen zu müssen. Natürlich habe Rendsburg jetzt keinen Karstadt oder Hertie mehr, sagt sie. "Doch das Einkaufen in Innenstädten hat sich überall verändert. Insofern sind wir ganz froh, dass wir mit dem Altersheim eine Lösung gefunden haben. Zumal es auch die Innenstadt belebt."
Husum: Einkaufszentrum statt Kaufhaus
Ganz anders ist die Lage in Husum. Hier wirkt es im ersten Moment fast so, als habe sich kaum etwas verändert. Noch immer schlendern im ehemaligen Kaufhaus Menschen ohne bestimmtes Ziel langsam umher, schleppen volle Einkaufstüten mit sich oder bleiben vor Schaufenstern stehen. Der Ort ist noch derselbe. Nur das Gebäude hat sich verändert. Das Kaufhaus ist jetzt ein Einkaufszentrum.
"Einen Glücksfall", nennt Husums Bürgermeister Uwe Schmitz (parteilos) das. "Wenn man sich andere ehemalige Karstadt- oder Hertie-Standorte anschaut, wie dort die Lichter ausgingen, haben wir eine gute Lösung gefunden", sagt er.
Nichts los ohne finanzielle Hilfe von Investoren
Dass Husums altes Kaufhaus nie zu einem Problem geworden ist - wie in anderen Städten, liegt vor allem an Peter Cohrs. Der Geschäftsführer und Inhaber des Modehauses CJ Schmidt mietete nur wenige Monate nach der Schließung des alten Kaufhauses das Gebäude - und machte es unter einem anderen Namen wieder auf. 2014 übernahm es dann eine Investorengruppe um Cohrs, riss das alte Gebäude ab und baute das Einkaufszentrum Theo.
So einen Investor habe seiner Stadt gefehlt, sagt Schleswigs Bürgermeister Stephan Dose: "Wir wissen auch, dass es in anderen Städten andere Lösungen gegeben hat. In Husum hat ein Unternehmer gesagt, er mache das", sagt er. Ein Altersheim wie in Rendsburg kann er sich nicht vorstellen. "Das wollten wir nicht haben", sagt Dose.
"Wir müssen die Innenstadt in Zukunft neu denken"
Was Rendsburg, Schleswig und Husum eint: Die Zeiten des Kaufhauses als Besuchermagnet mitten in der Innenstadt sind vorbei. "Wir brauchen eine ganz andere Form der Innenstadt", sagt Rendsburgs Bürgermeisterin Janet Sönnichsen. "Wir müssen sie in Zukunft neu denken. Treffe ich dort Bekannte? Habe ich dort nicht nur die Möglichkeit zu shoppen, sondern auch Freunde und Bekannte zu treffen? Das muss der Ansatz sein."
Ein Patentrezept gäbe es nicht, sagt Husums Bürgermeister Uwe Schmitz. "Aus meiner Sicht muss es der Stadt weiterhin gelingen, attraktiv zu bleiben. Und das geht nur gemeinsam mit allen - der Wirtschaft und den Menschen vor Ort." Husum habe da Vorteile vor allem wegen der Lage, die Nähe zur Küste. In anderen Städten brauche es deshalb andere Lösungen.