Chancenlos: Die Piraten in Schleswig-Holstein
Jung, digital und aktiv für mehr Transparenz - so sind die Piraten vor fünf Jahren in Schleswig-Holstein in den Landtag gezogen. Damals schafften sie aus dem Stand 8,2 Prozent. Seitdem stellen sie sechs Abgeordnete im Kieler Parlament. Doch von der anfänglichen Euphorie ist nicht viel geblieben. Am Sonntag sind die Piraten im Saarland aus dem Landtag geflogen, und auch die bevorstehenden Wahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen lassen keine Besserung erwarten. In allen Umfragen in Bund und Ländern sind ihre Werte so schlecht, dass sie nur noch unter "Sonstige" eingeordnet werden. Von den mehr als 34.000 bundesweiten Parteimitgliedern vor fünf Jahren ist heute nur noch ein Drittel übrig geblieben. Sie sind jetzt also nicht nur Wahlkampf, sondern auch im Überlebenskampf.
Fleißige Piraten
Mittlerweile fühlen sich die Piraten in Schleswig-Holstein auf dem parlamentarischen Parkett angekommen. Pro Abgeordneten brachten sie in den vergangenen fünf Jahren mehr als 200 Initiativen sowie acht Gesetzesentwürfe ins Parlament ein. Das ist vergleichsweise viel, die Piraten fühlen sich laut Statistik als die Fleißigsten im Landtag. Unter anderem stellten sie Anfragen zu vertuschten Vorwürfen von Sexismus und Rassismus an der Polizeischule Eutin, zum Mädchenheim "Friesenhof" und zu potenziell giftigen Bohrschlammgruben.
Piraten-Fraktionschef Patrick Breyer ist sich sicher, dass die Partei viel erreicht habe: "Die direkte Demokratie in Schleswig-Holstein ist ausgebaut worden, die Hürden für Volksentscheide sind abgesenkt worden und es ist einfacher, Bürgerentscheide in den Kommunen zu machen", sagt Breyer. Vieles sei transparenter geworden: "Wir konnten ein Gesetz durchsetzen, wonach Manager-Gehälter von öffentlichen Unternehmen offenzulegen sind. Dabei ist zum Beispiel herausgekommen, dass Sparkassen-Funktionäre irre hohe Pensionen bekommen bis heute."
Mit einzelnen ungewöhnlichen Aktionen machten die Piraten immer wieder auf sich aufmerksam. Ein Beispiel: Als die Abgeordneten sich von Laptop-Geräuschen im Landtag genervt fühlten und diese mithilfe einer neuen Geschäftsordnung aus dem Plenum verbannten, traten die Piraten demonstrativ mit Schreibmaschinen auf - ihre Kritik an einer "rückständigen und technikfeindlichen Verbotsorgie". Der Landtagspräsident hingegen warnte vor "Affentheater".
Bestätigung durch politische Gegner
Und die Piraten? Die Attacken der beiden Platzhirsche Ralf Stegner, SPD-Fraktionschef, und Wolfgang Kubicki, FDP-Fraktionschef, sehen die Piraten mehr als gelassen: "Die beste Bestätigung für uns ist eigentlich, dass Herr Stegner oder Herr Kubicki gar nicht abwarten können, dass wir aus dem Landtag fliegen. Denn das zeigt ja, wie wichtig wir sind und wie unbequem wir sind. Und dass wir die Finger in die richtigen Wunden legen", sagt Breyer.
Aber warum stehen die Piraten bei den derzeitigen Umfragen so schlecht da? "Ihnen fehlt die soziale Basis und das eigene Wählerklientel", analysiert der Hamburger Politikwissenschaftler Kai-Uwe Schnapp. "Es braucht mehr als eine Handvoll Nerds." Während die Piraten vor fünf Jahren noch die Stimmen von vielen Protestwählern bekommen hätten, fischten sie nun im gleichen Gewässer wie Grüne, Linkspartei und FDP.
Was bleibt von den Piraten? "Die Piraten waren eine Eintagsfliege", sagt Schnapp. In Schleswig-Holstein wollen sie in den Wochen bis zur Wahl nun noch mal kämpfen.