Wahlbeteiligung: Suche nach Rezepten
Nach der Kommunalwahl in Schleswig-Holstein beraten die Parteien die Ergebnisse und das historische Tief bei der Wahlbeteiligung. Ob Gewinner oder Verlierer - Politiker aller Parteien bedauerten die niedrige Wahlbeteiligung. Lediglich 46,7 Prozent der Wahlberechtigten gaben ihre Stimme ab. Vor fünf Jahren waren es 49,5 Prozent. "Eine Demokratie, die keine Wähler mehr hat, die wird irgendwann in Frage gestellt sein", sagte Ministerpräsident Torsten Albig (SPD).
Schlechte Wahlbeteiligung: Antworten auf den Abwärtstrend
Was tun gegen den Abwärtstrend? Albig zieht eine Online-Wahl in Erwägung: Man müsse neben den klassischen Möglichkeiten wie Briefwahl oder Abgabe eines Stimmzettels prüfen, ob ein zusätzliches Instrument die Wahlbeteiligung im Land steigern könne, sagte sein Sprecher. Albig habe bei seiner Reise ins Baltikum in Estland gesehen, dass technische und rechtliche Voraussetzungen für eine Online-Wahl vorhanden seien. Über dieses Thema müsse nun nachgedacht und diskutiert werden.
Der Politikwissenschaftler Dr. Wilhelm Knelangen hat eine konkrete Antwort auf den Abwärtstrend: Mit mehr als 1.000 Gemeinden sei Schleswig-Holstein deutlich zu kleinteilig, kleinteiliger als das bevölkerungsreichste Bundesland Nordrhein-Westfalen etwa. Er regte an, sich doch vermehrt um eine kommunale Gemeinde-Strukturreform zu kümmern.
Stegner sieht auch Medien in der Pflicht
CDU-Landeschef Reimer Böge sprach regelrecht resigniert von einem generellen Trend, den es leider in der Gesellschaft gebe. "Wir haben offenkundig das Problem, dass sich die Menschen immer weniger für Politik interessieren", sagte er. Der SPD-Landesvorsitzende Ralf Stegner sagte am Montag, neben den Parteien seien auch die Medien in der Pflicht. Sie machten die parlamentarische Demokratie schlechter, als sie sei. Das treffe ebenso auf Eliten in Wirtschaft und Wissenschaft zu, die sich teils verächtlich über Politiker äußerten. Die Grünen-Landesvorsitzende Ruth Kastner bezeichnete die geringe Wahlbeteiligung als "ernsthaftes Problem für die Demokratie in unserem Land". Politik und politische Bildung gehörten in viel größerem Umfang in die Schule als bisher. Unterdessen starteten die Piraten im Internet eine Umfrage, um von Nichtwählern etwas über die Gründe ihres Wahlverzichts zu erfahren.
CDU bleibt stärkste Kraft in den Kommunen
Bei der Kommunalwahl in Schleswig-Holstein hat die CDU ihre Position als landesweit stärkste politische Kraft verteidigt. Nach dem vorläufigen Landesendergebnis kommt die Union auf 38,9 Prozent der Stimmen. Bei der Kommunalwahl 2008 hatten die Christdemokraten 38,6 Prozent erzielt. Die SPD kommt danach auf 29,8 Prozent und verbessert sich im Vergleich zur vergangenen Kommunalwahl 2008 um 3,2 Prozentpunkte. Während die Grünen auf 13,7 Prozent zulegen (2008: 10,3 Prozent), erreicht die FDP nur noch 5,0 Prozent (2008: 9,0 Prozent). Der Südschleswigsche Wählerverband (SSW) erzielt laut vorläufigem Endergebnis 2,9 Prozent (2008: 3,0 Prozent).
Deutliche Verluste muss die Linkspartei hinnehmen, die nur noch auf 2,5 Prozent (2008: 6,9 Prozent) kommt. Die Wählergemeinschaften können nicht zulegen und erreichen landesweit 4,8 Prozent - ein Minus von 0,3 Prozentpunkten im Vergleich zur Wahl 2008. Die erstmals bei einer Kommunalwahl angetretenen Piraten erreichen 1,6 Prozent. In das Landesergebnis fließen die Stimmen aus den Kreistagswahlen in den elf Kreisen und den vier kreisfreien Städten ein, jedoch nicht die aus den Wahlen der Gemeindevertretungen.
Reaktionen auf die Wahlbeteiligung
Albig enttäuscht, Böge mit Ergebnis zufrieden
Nicht nur die Wahlbeteiligung, auch die Ergebnisse stimmten manche Parteien unzufrieden: Mnisterpräsident Albig ist vom Abschneiden seiner SPD bei der Kommunalwahl enttäuscht. "Wenn das ein Landtagswahlergebnis wäre, wären wir natürlich nicht zufrieden", sagte er am SonntagaAbend. CDU-Landeschef Reimer Böge freute sich über das Ergebnis. "Mit 38,9 sind wir stärkste Kraft - das war unser politisches Ziel. Wir haben damit auch die SPD weit abgehängt. Die Sozialdemokraten haben ihr Wahlziel eindeutig verfehlt", sagte Böge. Zu den Verlierern der Wahl zählen die Liberalen, deren Stimmanteil von 9 auf 5 Prozent gesunken ist. "Ich bin nicht zufrieden. Ich glaube, das ganz bestimmte Themen vor Ort nicht so bei den Bürgerinnen und Bürgern angekommen sind", meinte FDP-Landeschef Heiner Garg enttäuscht. Jubel herrschte dagegen bei den Grünen. "Satter kann es nicht sein", freute sich die Landesvorsitzende Ruth Kastner über die 13,7 Prozent ihrer Partei.
Lokale Themen im Vordergrund
In den rund 1.090 kreisangehörigen Gemeinden, den vier kreisfreien Städten Kiel, Lübeck, Flensburg und Neumünster sowie den elf Kreisen waren rund 13.050 Mandate zu vergeben. Vor allem lokale Themen bestimmten den Wahlkampf: Soll es in Kiel eine StadtRegionalBahn geben? Wie stellen sich die Parteien auf kommunaler Ebene auf die älter werdende Gesellschaft ein? Was passiert mit der Schlaglochpiste K 111 im Kreis Schleswig-Flensburg?