Wie sich das Klima in Schleswig-Holstein verändert

Stand: 16.01.2024 16:00 Uhr

Der aktuelle Klimareport zeigt, wie sich Temperatur, Niederschlag und der Meeresspiegel in Schleswig-Holstein verändert haben - und weiter verändern werden. Das hat Auswirkungen auf Pflanzen, Tiere und Menschen.

von Anne Passow

Mehr Starkregen, aber auch Dürren. Mehr sehr warme Tage. Ein steigender Meeresspiegel. Eine Tier- und Pflanzenwelt, die sich verändert - das ist die Vergangenheit - und auch die Zukunft in Schleswig-Holstein. Der Deutsche Wetterdienst (DWD) und das Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume (LLUR) haben diese Entwicklungen jetzt im Klimareport Schleswig-Holstein zusammengefasst.

40 Grad in Grambek

Um 1,6 Grad ist die Jahresdurchschnittstemperatur im Norden demnach seit Beginn der Aufzeichnungen 1881 angestiegen. "15 der mittlerweile 20 wärmsten Jahre liegen alle in diesem Jahrhundert", fasst Oliver Weiner vom DWD, einer der Autoren des Reports, zusammen. So gibt es laut Report weniger Frost- und mehr Sommertage von 25 Grad und mehr.

Konkret gab es in der Zeit von 1961 bis 1990 durchschnittlich 15,1 Sommertage, in der Zeit von 1991 bis 2020 waren es im Schnitt 22,5 - also 7,4 Tage mehr. Eine Messung dieser besonders heißen Tage ist Oliver Weiner besonders im Gedächtnis geblieben: "2022 gab es so eine kurze Phase im Juni, wo die Hitze sehr weit in den Norden vorgedrungen ist. Da hatten wir in Grambek (Kreis Herzogtum Lauenburg) 39,1 Grad. Fast 40 Grad in Schleswig-Holstein - das ist beeindruckend und das geht nur im Rahmen des Klimawandels."

Klimaschutzszenario versus Weiter-wie-bisher-Szenario

Der Trend der Erwärmung wird auch in Schleswig-Holstein anhalten, sagt Oliver Weiner. Das Forscherteam hat für die Prognose verschiedene Szenarien entworfen. Eins davon ist das Klimaschutzszenario, bei dem die Emission von Treibhausgasen schnell reduziert werden und die Energieversorgung der Welt am Ende nicht mehr auf fossilen Kohlenstoffvorräten basiert. Schleswig-Holstein würde sich so zwischen 2031 und 2060 um 1,2 bis 1,9 Grad erwärmen. Anders beim Weiter-wie-bisher-Szenario: Dabei basiert die Energieversorgung der Welt weiterhin auf fossilen Kohlenstoffvorräten. "Dann haben wir im Schnitt eine Erwärmung um bis zu 3,6 Grad, vielleicht sogar noch mehr. Das ist eine ziemlich hohe Hausnummer", meint der Klimaexperte.

Mehr Feuchtigkeit in einer wärmeren Welt

Neben höheren Temperaturen regnet es auch mehr. "Eine wärmere Welt trägt mehr Feuchtigkeit. Pro ein Grad Celsius Erwärmung sind circa sieben Prozent mehr Wasserdampf in der Atmosphäre", erklärt Weiner. Im Schnitt hat der Niederschlag pro Jahr von 1881 bis 2022 laut Report zugenommen - und zwar um etwa 123 Liter pro Quadratmeter. Weiner betont: "Auch Starkregenereignisse mit heftigen Gewittern im Sommer oder lang anhaltende Regenfällen gibt es öfter." - Mit zum Teil heftigen Folgen für die Schleswig-Holsteiner: In einer Untersuchung von DWD und dem Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) kam heraus, dass extreme Regenfälle zwischen 2002 und 2017 fast 54.000 Schäden an Wohngebäuden in Schleswig-Holstein verursachten. Am häufigsten war der Kreis Rendsburg-Eckernförde betroffen - mit 85 Starkregenereignissen. Im Kreis Dithmarschen gab es 67 Ereignisse. Die Städte Kiel und Neumünster wurden wesentlich seltener von Starkregen heimgesucht, nur jeweils vier Mal.

Blühendes Rapsfeld vor dunklen Gewitterwolken © picture alliance / Zoonar | Stefan Ernst Foto: Stefan Ernst
AUDIO: Klimaexperte Weiner: Immer mehr "heiße Tage" (1 Min)

Dürre trotz Regen

Wenn es mehr regnet, müsste das gut für die Pflanzen sein - sollte man meinen. Doch tatsächlich haben machen Dürreperioden Schleswig-Holstein laut Report immer wieder Probleme. Der Grund: Regen fällt vermehrt im Winter und Herbst, nicht im Sommer. "Wir erleben bereits niederschlagsreichere Herbst- und Wintermonate. Dies belegen auch die Projektionen bis zum Ende des Jahrhunderts. Demnach dürften beispielsweise die Sommermonate langfristig leicht trockener ausfallen", sagt Weiner. Und die Dürreperioden haben direkte Auswirkungen auf die Landwirtschaft. Getreide wächst schlechter, Landwirte ernten - gerade auf sandigem Boden - weniger.

Meeresanstieg bis zu einem Meter

Gleichzeitig kommt das Meer den Schleswig-Holsteinern näher, wie das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) im Klimareport zusammenfasst. Der Meeresspiegel steigt bis Ende dieses Jahrhunderts zwischen 33 und 62 Zentimetern an - allerdings nur im günstigsten Szenario. Im ungünstigsten Szenario, also dem mit ungebremsten Treibhausgasemissionen, beträgt der Anstieg zwischen 63 und 101 Zentimetern. Die schneller abschmelzenden Gletscher sind bei den Szenarien allerdings noch nicht berücksichtigt. Und wärmer wird das Meer im Norden auch. Um etwa 0,26 Grad hat sich die Nordsee von 1969 bis 2022 laut BSH erwärmt. In der Ostsee, in der erst seit 1990 gemessen wird, ist die Temperatur um 0,58 Grad pro Jahrzehnt gestiegen.

Frühsommer beginnt elf Tage früher

Mehr Wärme oder mehr Regen verändert natürlich auch die Tier- und Pflanzenwelt. So hat sich beispielsweise die Blüte des Schwarzen Holunders laut Klimareport von 1991 bis 2020 um elf Tage nach vorne verschoben. Der Frühsommer, der mit der Blüte einsetzt, beginnt somit inzwischen deutlich früher. Schmetterlinge, Libellen, Vögel und andere Tiere in Schleswig-Holstein passen sich an - oder haben echte Schwierigkeiten. Manche Arten, wie der Hochmoor-Perlmutterfalter, sterben aus.

"In den kommenden Jahren müssen wir bis 2060 mit einer ungefähren
Erwärmung von mindestens weiteren 1,2 Grad rechnen - wenn es relativ gut läuft." Oliver Weiner, Mitautor Klimareport Schleswig-Holstein

Ist das nur Wetter? Oder schon Klima?

Extreme Wetterereignisse, aussterbende Tiere - wenn Oliver Weiner in die Zukunft guckt, sieht er ein Schleswig-Holstein, das sich rasant verändert. "Wenn wir sehen, dass sich die Anzahl der heißen Tage in den letzten 70 Jahren mehr als vervierfacht hat, dann gibt uns das ein Gespür dafür, was uns in naher Zukunft noch erwartet", meint er. "Und dann gibt es da die Starkregenereignisse mit heftigen Gewittern im Sommer oder lang anhaltende Regenfällen, wie wir sie jetzt erlebt haben. Da stellt man sich schon die Frage: War das jetzt nur Wetter oder haben wir da schon wieder Klimawandelsignale drinnen?"

Wir sind offenbar längst mittendrin im Klimawandel. Etwas dagegen tun, sei das eine, sagt Oliver Weiner. "Aber es geht auch längst darum, dass wir uns an die Gegebenheiten anpassen."

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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Welle Nord | Schleswig-Holstein Magazin | 16.01.2024 | 19:30 Uhr

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Klimaschutz

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