Wie Grundschulen versuchen, Plattdeutsch am Leben zu halten
Fast zwei Drittel der Menschen in Schleswig-Holstein verstehen Platt, sprechen können es aber nur wenige. Um Kindern einen Zugang zu ermöglichen, sind vor zehn Jahren Modellschulen für Niederdeutsch gestartet.
"Moin moin leeve Lüüt! Wi snack plattdüütsch hüüt. Wi willt hüüt veel lern, denn dat möcht wi gern." Mit diesem Reim stimmt sich die Klasse 1/2 in Gelting am Morgen ein. Die Georg-Asmussen-Schule in Gelting (Kreis Schleswig-Flensburg) war eine der ersten Schulen, in denen das niederdeutsche Modellprojekt zum Schuljahr 2014/15 gestartet ist. Zuvor haben sie aber bereits freiwillig Plattdeutsch in Randstunden vermittelt. Als 2013 die Ausschreibung des Schulministeriums kam, sah Grundschullehrerin Doris Nebbe ihre Chance und schrieb ein Konzept. Denn alle Modellschulen mussten sich bewerben.
Was auf Englisch funktioniert, funktioniert auch auf Platt
Nebbe unterrichtete vorher Mathe und Englisch. Seit zehn Jahren nun auch Niederdeutsch. Dafür nutzt die gebürtige Nordfriesin zum Beispiel englische Bücher. Denn sie orientiert sich in ihrem Konzept eng an die Methodik beim Erlernen von anderen Fremdsprachen. Man müsse in der Hinsicht ein bisschen kreativ sein, weil es nicht alles auf Plattdeutsch gebe, so die Lehrerin.
Aktuell liest sie mit ihren Erstklässlern das Buch "Brown bear, brown bear, what do you see?" von Eric Carle, dem Erfinder der kleinen Raupe Nimmersatt. Auf Plattdeutsch klingt das dann so: "Brune Bär, brune Bär, wo kiekst du hen? - dor is en rode Vagel, de ik wohl kenn". In dem Buch wechseln von Seite zu Seite die Tiere. Die Kinder haben großen Spaß beim gemeinsamen Aufsagen und lernen so Tiernamen und Farben, also alltägliche Begriffe. Einige finden die plattdeutschen Tiernamen wie "Peerd" (Pferd) oder "Aant" (Ente) lustig.
Mit zwei anderen Lehrkräften bietet Nebbe insgesamt acht Niederdeutsch-Stunden in Gelting an. Das ist auch gleichzeitig die Maximalstundenzahl, die vom Land gefördert wird. Die Schule erweitert damit ihr Angebot über das reguläre Stundenkontingent hinaus. Die drei jahrgangsübergreifenden Klassen 1/2 in Gelting haben sogar eine Stunde Sport und Kunst auf Platt.
Andere Modellschulen, andere Umsetzungen
Heute gibt es an insgesamt 51 Schulen ein freiwilliges Unterrichtsangebot. Rund 3700 Schülerinnen und Schüler kommen dadurch früh mit der Regionalsprache in Kontakt. Schulen, an denen keine plattdeutschsprechenden Lehrkräfte arbeiten, gehen dabei andere Wege. In Harrislee habe die Zentralschule zum Beispiel soganannte Plattpaten, die in den Unterricht kommen und die Sprache vermitteln. In Karby (Kreis Rendsburg-Eckernförde) nutzen sie vorwiegend den Musikunterricht, um die plattdeutsche Sprache zu lehren.
Im März haben sich die Modellschulen in Langballig erstmals auf einer Niederdeutsch-Messe ausgetauscht. 60 Lehrkräfte waren vor Ort. Doris Nebbe gehörte zum Organisationsteam. Als Fachberaterin im Kreis Schleswig-Flensburg unterstützt sie die Schulen in der Umgebung bei der Konzepterstellung und bei Fragen rund um Niederdeutsch.
Gegenseitiger Austausch von Unterrichtsmaterialien
Das Land unterstützt die Schulen mit Lehrmaterial und Fortbildungsangeboten für Niederdeutsch. Auch Doris Nebbe stellt ihre selbst erarbeiteten Unterrichtsmaterialien auf einer Online-Plattform anderen Lehrkräften zur Verfügung. Die müssen dann nicht bei null starten und profitieren davon.
Zum Beispiel in Großsolt bei Flensburg. Seit drei Jahren ist die dortige "Schule im Grünen" nun Modellschule für Niederdeutsch. Hier stehen aktuell vier zusätzliche Stunden auf dem Lehrplan. Verantwortlich ist Lehrerin Kerrin Greiner. Auch ihr war die vorherige Platt-AG zu wenig. Sie hat sich dafür eingesetzt, dass Platt in den Stundenplan aufgenommen wird.
In Gelting probt Doris Nebbe mit ihren Viertklässlern gerade einen plattdeutschen Sketch in der Vorhalle. Der Sketch soll auf der großen Abschiedsfeier vor den Ferien präsentiert werden. Noch muss sie die Kinder hin und wieder korrigieren. Denn fast alle hier sprechen kein Plattdeutsch zu Hause. Einige aber haben Großeltern, die das können und die würden sich ganz besonders auf die Aufführung freuen, sagt Nebbe. Ihr Ziel ist es, dass die Kinder nach der vierten Klasse zumindest ein bisschen Niederdeutsch verstehen und auch ein paar Sätze sprechen können.
Niederdeutsch auch auf weiterführenden Schulen anbieten?
Das zehnjährige Jubiläum der ersten Modellschulen und die positive Weiterentwicklung bei uns im Land feiern Vertreter der beteiligten Schulen und die Verantwortlichen aus der Politik am Donnerstag bei einem Empfang im Landeshaus in Kiel.
Wenn Doris Nebbe einen Wunsch in Bezug auf Niederdeutsch frei hätte: dann den, dass auf noch mehr weiterführenden Schulen daran angeknüpft wird und die Sprache auch dort Teil des Unterrichts bleibt. Denn bislang verschwindet Niederdeutsch für viele Kinder nach vierten Klasse aus dem Schulalltag und das sei aus ihrer Sicht sehr schade.