Warum die Polizei den Rettungswagen-Entführer nicht früher stoppte
Vor gut einer Woche raste ein 29-Jähriger mit einem gestohlenen Rettungswagen von Hamburg nach Kiel und drohte, er habe Sprengstoff dabei. Im Innen- und Rechtsausschuss des schleswig-holsteinischen Landtags ging es am Mittwoch auch um die Frage, warum er nicht früher aufgehalten werden konnte.
Dass der Rettungswagen fehlte, wurde in Hamburg am Montag, den 18. November, um kurz vor ein Uhr nachts festgestellt. Um kurz nach zwei Uhr erreichte der Wagen Kiel. So schildert der Leiter der Kieler Polizeidirektion, Mathias Engelmann, den zeitlichen Ablauf im Ausschuss. Er spricht von einer "hochdynamischen Situation", sprich: Es ging alles sehr schnell.
Erster Stopversuch des Rettungswagens im Baustellenbereich
Einen ersten Versuch, den Fahrer zu stoppen, machten die Beamten laut Engelmann in Bordesholm, im Bereich einer Baustelle. Dort sollte ein "Stop-Stick" zum Einsatz kommen: Eine moderne Version des Nagelgürtels, bei dem die Reifen des Autos zerstochen werden - allerdings entweicht die Luft bei der neuen Variante langsamer.
Anders als erwartet fährt der 29-jährige Beschuldigte aber nicht durch Bordesholm (Kreis Rendsburg-Eckernförde) - sondern verlässt die Autobahn schon bei der Abfahrt Großenaspe (Kreis Segeberg), berichtet Engelmann.
Zweiter Versuch: Der Fahrer weicht der Polizei aus
Einen erneuten Versuch machen die Beamten in Schwentinental (Kreis Plön) - dort weicht der Fahrer dem Stop-Stick aber mit einem riskanten Manöver aus, die beiden vorderen Reifen werden beschädigt. Der Rettungswagen fährt weiter.
Im Kieler Stadtteil Gaarden rammt er einen zivilen Streifenwagen und verletzt zwei Polizisten - die erleiden beide ein Schleudertrauma. Laut Engelmann waren sie bis Ende vergangener Woche krankgeschrieben.
Nach Verfolgungsjagd Zugriff in der Innenstadt
Erst in der Kieler Innenstadt, erzählt der Polizeichef, verliert der Wagen einen Reifen ganz und knallt schließlich in ein Brückengeländer nahe der Kiellinie. Bis zum Ende der Fahrt, berichtet Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack (CDU) im Innen-und Rechtsausschuss im schleswig-holsteinischen Landtag, sei unklar gewesen, ob der Fahrer wirklich Waffen und Sprengstoff dabei habe. An der Treppe sei das Zugriffsrisiko dann als kalkulierbar bewertet worden, so die Ministerin.
Erst dann beginnt der Zugriff - vorher müssen die Beamten allerdings noch einen Obdachlosen wecken, der im Treppenaufgang der Brücke schläft.
Hätten die Beamten den Fahrer früher stoppen können?
"Diesen Einsatz werden wir wohl alle so schnell nicht vergessen", sagt Sütterlin-Waack. Und lobt die Einsatzkräfte: Die hätten einen "richtig guten Job gemacht." Manche der Abgeordneten fragen sich aber, warum die Polizei nicht schon früher eingeschritten sei - auf der Autobahn etwa, und nicht erst mitten in der Kieler Innenstadt.
So einfach sei das nicht, berichten Polizeivertreter im Ausschuss: Ein Streifenwagen könne einen gewichtsmäßig überlegenen Rettungswagen zum Beispiel nicht einfach so "wegrammen."
Bedarf an einem taktischen Konzept für zukünftige Fälle sieht aber auch die Polizei. Man werde den Einsatz "komplett und detailliert nacharbeiten", verspricht der Kieler Polizeichef Engelmann.