Messerverbot in Bus und Bahn: Was verboten und was erlaubt ist
Stand: 27.03.2025 17:37 Uhr
In Schleswig-Holstein herrscht seit Ende 2024 ein Waffen- und Messerverbot in Bussen, Zügen und Bahnhöfen. Doch noch immer gibt es Unklarheiten, was das für den Alltag vieler Menschen bedeutet. NDR SH mit einem Überblick.
von Thomas Viet Dang
"Darf ich mein kleines Taschenmesser noch mit in die Bahn nehmen? Wie verstaue ich es ordnungsgemäß? Gilt das Verbot auch für mein Cuttermesser, das ich für die Arbeit brauche? Was, wenn ich mit einem Messer erwischt werde?" Es sind vor allem grundlegende Fragen, die sich die User auf den Social-Media-Kanälen von NDR Schleswig-Holstein unter Postings zu Messerkontrollen am Kieler Hauptbahnhof stellen.
Polizeibeamte hatten dort Anfang Februar erstmals die Einhaltung des Waffen- und Messerverbots überprüft, das in Schleswig-Holstein seit dem 23. Dezember 2024 in Bussen und Bahnen gilt. Doch rund um die neue Regelung gibt es offenbar nach wie vor Klärungsbedarf - nicht alle Fragen sind ausreichend beantwortet.
Das Verbot umfasst laut Verordnung landesweit alle Busse und Bahnen (inklusive U- und S-Bahnen nach Hamburg) im ÖPNV, deren Bahnsteige sowie die Bahnhöfe des öffentlichen Personennahverkehrs. Das Waffen- und Messerverbot gilt außerdem auf den Fähren der Schlepp- und Fährgesellschaft Kiel, den Fähren der Stadtwerke Lübeck zwischen Travemünde und dem Priwall, auf der Kanalfähre zwischen Kiel-Wik und Kiel-Holtenau, auf der Lühe-Schulau-Fähre sowie auf den Personenfähren zwischen den schleswig-holsteinischen Inseln und Halligen.
Bereits seit Ende Oktober gilt bundesweit im öffentlichen Fernverkehr in allen Zügen und Bussen (ICE, IC, EC, Flix-Train, Fernbusse) und an Haltestellen sowie Bahnhöfen ein Waffen- und Messerverbot.
Die Landesverordnung untersagt das Führen sämtlicher Messer im Nah- und Fernverkehr, unabhängig von Material, Schliff und Klingenlänge. Auch bisher erlaubte Messer mit einer Klingenlänge von weniger als zwölf Zentimetern, egal ob Taschenmesser oder Cuttermesser, dürfen jetzt nicht mehr griffbereit mitgeführt werden, weil laut dem Innenministerium auch von ihnen ein "Gefährdungspotenzial" ausgeht.
Weiterhin sind auch sämtliche Waffen im Nah- und Fernverkehr verboten - dazu gehören nach dem Waffengesetz unter anderem scharfe Schusswaffen, Schreckschusspistolen, Reizstoffsprühgeräte oder Elektroschocker. Auch für Messer mit einer feststehenden Klinge von mehr als zwölf Zentimetern Länge und für Messer, die eine einhändig feststellbare Klinge haben, gilt das gesetzliche Führungsverbot nach dem Waffengesetz.
Bisher fast 50 Messer bei Kontrollen sichergestellt
Immer wieder haben Polizeibeamte bei verschiedenen Kontrollen an Bahnhöfen seit Inkrafttreten des Verbots Messer bei Fahrgästen gefunden - darunter auch einige ohnehin verbotene Butterflymesser, Wurfsterne und Einhandmesser.
Neben Einhand- und Klappmessern wurden bei Kontrollen auch Cuttermesser sichergestellt.
In den ersten drei Monaten seit Einführung des Verbots wurden nach Angaben des Innenministeriums bislang 46 Messer und acht andere Waffen bei 830 kontrollierten Personen sichergestellt (Stand: 25. März 2025). Um welche Messertypen es sich dabei genau handelte, schlüsselt das Ministerium nicht auf. Laut einer Sprecherin geht es dabei vor allem um Taschenmesser und Cuttermesser.
Auf Nachfrage von NDR Schleswig-Holstein, ob sich die neue Verordnung bereits bewährt hat, heißt es: Für eine ausführliche Bilanz sei es noch zu früh. Allerdings ist "jedes festgestellte Messer eines weniger, das im Umlauf ist."
Landesregierung reagiert auf Messerangriffe mit Verboten
Das Innenministerium begründet das neue Messerverbot unter anderem mit einer gestiegenen Zahl von Messerangriffen im Land. Der kürzlich veröffentlichten Kriminalitätsstatistik zufolge registrierte die Polizei in Schleswig-Holstein 1.187 Angriffe mit einem Messer, 130 mehr als 2023. Insgesamt drei Menschen wurden dabei getötet. Und auch mit den brutalen Messerattacken von Brokstedt und zuletzt in Solingen begründet das Innenministerium die Legitimität des Messerverbots im ÖPNV.
"Das Führen von Waffen und Messern im öffentlichen Raum stellt ein erhebliches Risiko dar und gefährdet die Sicherheit der Menschen in öffentlichen Bereichen."
Innenministerium Schleswig-Holstein
Die Maßnahmen sollen den öffentlichen Nahverkehr sicherer machen - so die Vorstellung der Landesregierung. Es sei zwar nicht möglich, jede Tat durch das Verbot zu verhindern. Dennoch soll die Maßnahme ein Baustein zur "Steigerung der öffentlichen Sicherheit" sein. Dies gelte zum Beispiel im Hinblick auf die Verfügbarkeit von Messern im Falle von eskalierenden Streitigkeiten, heißt es auf NDR Nachfrage. Weniger Messer im öffentlichen Raum seien stets ein "Sicherheitsgewinn".
Erfolgreiche Waffenverbotszone in Kiel?
Erfahrungswerte mit Waffenverbotszonen gibt es in Schleswig-Holstein kaum. Bis 2023 gab es in der Kieler Bergstraße zehn Jahre lang eine solche Waffenverbotszone, so eine Sprecherin des Innenministeriums. Dieser Bereich wurde regelmäßig durch die Polizei kontrolliert, oft gab es auch Schwerpunktkontrollen. Aufgrund des deutlichen Rückgangs an Straftaten in diesem Bereich sei die Waffenverbotszone vor zwei Jahren nicht erneut verlängert worden, heißt es. Der "angestrebte Zweck" sei erreicht worden. Ob dies aber ausschließlich auf die Waffenverbotszone zurückzuführen ist, wird nicht deutlicher erklärt.
Polizei befürwortet das Messerverbot
Auch die Polizei hält das Verbot im ÖPNV in Anbetracht der sichergestellten Messer für richtig. Messer seien regelmäßig Tatmittel bei Gewaltstraftaten, erklärt Normen Großmann, Präsident der Bundespolizeidirektion Bad Bramstedt. Die Kontrollen seien ein probates Mittel, um dem Problem zu begegnen und "diejenigen zum Nachdenken anzuregen, die diese Gegenstände mit sich führen."
Gerade Verkehrsmittel des ÖPNV sind laut Innenministerium besonders sensible Orte mit erhöhtem Gefahrenpotenzial, da sich dort viele Menschen auf engem Raum begegnen. Außerdem sei es in Bussen und Bahnen vergleichsweise schwer, vor einem möglichen Angriff zu fliehen und sich in Sicherheit zu bringen.
Die Befürchtung, dass sich durch bestimmte Waffen- und Messerverbotszonen die Kriminalität schlichtweg in andere Lebensbereiche verlagert, sieht das Innenministerium nicht. Die risikosteigernden Bedingungen, die im ÖPNV herrschen, gebe es anderswo nicht im gleichem Maße, erklärt eine Sprecherin.
Die bisherigen Kontrollen haben laut Innenministerium Beamte der Landespolizei im gemeinsamen Einsatz mit der Bundespolizei durchgeführt, welche für die Gefahrenabwehr auf Bahnanlagen und in Zügen zuständig ist. In Teilen war auch der kommunale Ordnungsdienst beteiligt.
Mit § 42c des Waffengesetzes haben die Polizeibeamten nun eine spezielle Befugnis, um auch ohne Anlass oder Verdacht das Waffen- und Messerverbot bei Reisenden zu überprüfen, wie eine Sprecherin erklärt. Die Beamten dürfen demnach Personen kurzzeitig anhalten, sie befragen und die Personen sowie mitgeführte Sachen durchsuchen.
Die Ahndung von Ordnungswidrigkeiten erfolgt durch die jeweils zuständigen Waffenbehörden der Kreise und kreisfreien Städte.
Bei der Auswahl der Fahrgäste, die kontrolliert werden, müssen Polizeibeamte den Gleichheitsgrundsatz achten. Laut einer Sprecherin legt das Innenministerium großen Wert auf diesen Punkt. Merkmale wie Geschlecht, Abstammung, Herkunft, Sprache oder Glaube seien keine Faktoren bei der Auswahl. Die Auswahl der kontrollierten Personen ohne sachlichen und durch den Zweck der Maßnahme gerechtfertigten Grund, ist laut Verordnung unzulässig. Nach Ministeriumsangaben kontrolliert die Polizei stichprobenartig die Kontrollen.
Zielführende Maßnahme oder reine Schikane?
Anders sehen das wohl einige der Pendlerinnen und Pendler, vor allem diejenigen, die beispielsweise aus beruflichen Gründen ein Messer mit sich führen. Sie zeigen sich von der neuen Verordnung verunsichert, wie der Blick in die sozialen Netzwerke verrät. Nicht jeder erkennt den Sinn dahinter, dass nun auch handelsübliche Taschenmesser verboten sind. Zwar gibt es auch Zustimmung für die Maßnahme unter den Kommentierenden, andere halten sie allerdings schlichtweg für Schikane und fühlen sich unter Generalverdacht gestellt.
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Eine Sprecherin des Innenministeriums weist diesen Vorwurf zurück. Beim Messerverbot gehe es nicht darum, Fahrgäste mit einem Messer pauschal als eine Gefahr anzusehen, viel mehr solle die Maßnahme die öffentliche Sicherheit steigern. Das entspreche auch dem "subjektiven Sicherheitsgefühl vieler Bürgerinnen und Bürger", erklärt die Sprecherin.
Außerdem habe man mehrere Ausnahmen vom Verbot geschaffen, um das "individuelle Freiheitsinteresse" von Bürgerinnen und Bürgern zu wahren. Man habe dies mit dem öffentlichen Sicherheitsinteresse abgewogen, betont das Ministerium und damit eine angemessene Verhältnismäßigkeit getroffen.
In "gesellschaftlich anerkannten Alltagssituationen, in denen Messer geführt und verwendet werden", soll es auch weiter erlaubt bleiben, erklärt eine Sprecherin des Innenministeriums.
Die Landesverordnung erlaubt somit bestimmten Personengruppen, trotz des eigentlichen Verbots in Bussen und Bahnen, ein Messer auch griffbereit mit sich zu führen. Darunter fallen beispielsweise Einsatzkräfte von Feuerwehr und Rettungsdienst, die sich auf dem Weg zur Arbeit oder im Einsatz befinden. Auch für Menschen, die beruflich eine Waffe tragen, wie Polizeibeamte oder Sicherheitsleute, gelten diese Ausnahmen.
Aber auch Gewerbetreibende, Handwerker, Gastronomen oder Personen, die ihr Messer im Zusammenhang mit der Brauchtumspflege, der Jagd oder einem Sport mit sich führen, fallen unter die Ausnahmeregelung. Die Verordnung lässt bei diesem Punkt gewissen Handlungsspielraum für die Beamten, wenn sie Fahrgäste kontrollieren.
Die Polizei prüft nach Angaben einer Sprecherin im Einzelfall, ob die Ausnahme tatsächlich greift oder ob es sich um einen Missbrauch handelt. Die Umstände bei der Kontrolle würden in die Bewertung der Lage einbezogen werden. Es bleibt somit Auslegungssache der Beamten.
Erledigt beispielsweise ein Handwerker auf dem Bahnhofsgelände einen Auftrag, so darf er sein Cuttermesser auch griffbereit bei sich führen und es verwenden. Fährt er allerdings mit dem Bus oder der Bahn nur zur Arbeit, so muss auch er es sicher im Gepäck verstauen, wie eine Sprecherin des Innenministeriums auf Nachfrage erklärt. Entscheidend sei immer, ob das Messer "im unmittelbaren Zusammenhang mit der Berufsausübung" steht. Damit soll sich laut der Sprecherin das Messerverbot trotz des allgemeinen Sicherheitsinteresses nah an der Lebensrealität der Menschen orientieren.
Alternativ zu den Ausnahmen dürfen Messer laut Verordnung ebenfalls im ÖPNV befördert werden, wenn sie "nicht zugriffsbereit" im Gepäck verstaut sind. Als solches gilt ein Messer dann, wenn es nur mit "mehr als drei Handgriffen" erreicht werden kann, erklärt das Innenministerium mit Verweis auf das Waffengesetz. Erst dann sei es entsprechend sicher verpackt und verstaut. Ob drei Handgriffe benötigt werden und wie diese genau gezählt werden, müssten demnach Polizeibeamte auch hier in der konkreten Situation bestimmen.
Ein Beispiel wäre ein Messer, dass in einer Box verpackt im Rucksack transportiert wird. In der Hose- oder Jackentasche wiederum wäre das nicht zulässig. Mit dieser Auflage können auf einem Markt oder im Geschäft gekaufte Messer auch in Bussen und Bahnen transportiert werden.
Verstöße stellen Ordnungswidrigkeiten dar und können mit Geldbußen von bis zu 10.000 Euro geahndet werden. Wie hoch die Geldbuße ausfalle, sei allerdings eine Einzelfallentscheidung und ergebe sich aus der Schwere des Verstoßes, erklärt eine Sprecherin. Bei erheblichen Verstößen würden auch die wirtschaftlichen Verhältnisse der Betroffenen einbezogen werden. Gegen den Bußgeldbescheid kann innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung Einspruch einlegen werden.
Bei einem Verstoß gegen das Waffengesetz muss allerdings mit einer Strafanzeige gerechnet werden.
Waffen und Messer bleiben in der Regel sichergestellt. Das Innenministerium stellt aber eine Einzelfallbewertung der örtlich zuständigen Waffenbehörde in Aussicht. Gegebenenfalls können erlaubte Messer dann wieder abgeholt werden.
Seit Ende Oktober 2024 dürfen in Schleswig-Holstein keine Messer mehr mit auf öffentliche Veranstaltungen geführt werden. Für Waffen galt das Verbot, wie auch im ÖPNV, ohnehin. Unter solche Veranstaltungen fallen laut Innenministerium beispielsweise Volksfeste, Sportveranstaltungen, Messen, Ausstellungen und Märkte. Auch in Theatern, Kinos, Diskotheken und bei anderen Tanzveranstaltungen dürfen seitdem keine Messer mehr mitgeführt werden. Hintergrund ist eine erhöhte Gefährdungslage durch die hohe Zahl an Menschen auf begrenztem Raum. Städte und Gemeinden hätten aber das letzte Wort, was das Verbot angeht, so das Ministerium.
Reisende müssen sich weiterhin auf Kontrollen einstellen
Trotz der teils kritischen Kommentare in den sozialen Netzwerken beteuert das Innenministerium: Viele Bürgerinnen und Bürger würden sich freiwillig an das Messerverbot im öffentlichen Nahverkehr halten. Und auch die Polizei berichtet, dass viele der kontrollierten Reisenden Verständnis für die Maßnahmen hätten. "Messer und andere Waffen haben in Bus und Bahn nichts zu suchen", betont die Landespolizei in Schleswig-Holstein.
Die Beamten wollen deshalb auch in Zukunft weiterhin unangekündigt im Nah- und Fernverkehr sowie zu unterschiedlichen Zeiten Fahrgäste auf Waffen und Messer kontrollieren.
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27.03.2025 | 16:45 Uhr
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