Selbstbestimmungsgesetz: Viele Trans-Menschen in SH wollen Pass ändern
Das Selbstbestimmungsgesetz ist seit dem 1. November in Kraft. Das macht es einfacher, Geschlecht und Vornamen im Ausweis ändern zu lassen. In Schleswig-Holstein gibt es viele Anmeldungen dafür.
Das Transsexuellengesetz ist ab November Geschichte - nach fast 44 Jahren. Bisher mussten Betroffene für eine Änderung des Geschlechts im Ausweis einen komplizierten Weg gehen: Benötigt wurde eine gerichtliche Entscheidung über die Antragstellung und zwei Sachverständigengutachten. Seit 1. November brauchen Menschen, die ein anderes Geschlecht im Ausweis wählen wollen, nur noch eine schriftliche oder persönliche Anmeldung beim Standesamt. Nach drei Monaten kann man die Änderungswünsche dann - ebenfalls beim Standesamt - beurkunden lassen.
Zahlreiche Anmeldungen in Kiel, Lübeck und Südholstein
Seit August ist eine solche Anmeldung möglich. Schon jetzt zeigt sich: Das neue Selbstbestimmungsgesetz hat viele in Schleswig-Holstein dazu bewegt, den Geschlechtseintrag im Ausweisdokument ändern lassen zu wollen. Die meisten Anmeldungen meldet mit 134 (Stand 7. Oktober) das Standesamt Kiel. In Flensburg haben laut Stadt 14 von 60 Angemeldeten direkt für den ersten möglichen Tag - am 1. November - einen Termin beim Standesamt gebucht.
- Flensburg: 58 Anmeldungen
- Kiel: 134 Anmeldungen
- Lübeck: 80 Anmeldungen
- Elmshorn (Kreis Pinneberg): 19 Anmeldungen
- Norderstedt: 19 Anmeldungen
- Bad Oldesloe (Kreis Stormarn): 15 Anmeldungen
- Ahrensburg (Kreis Stormarn): 13 Anmeldungen
- Wedel (Kreis Pinneberg): 13 Anmeldungen
- Quickborn (Kreis Pinneberg): 12 Anmeldungen
- Pinneberg (Kreis Pinneberg): 10 Anmeldungen
Auch der Vorname kann geändert werden
Wer sein Geschlecht künftig ändern lassen will, muss eine sogenannte Erklärung mit Eigenversicherung beim Standesamt abgeben. Der Vorname kann geändert werden - beziehungsweise muss geändert werden, wenn man einen klar weiblichen oder männlichen Vornamen hat und den Geschlechtseintrag konträr dazu ändert. Generell kann man laut Gesetz erst nach einem Jahr wieder eine Erklärung abgeben, falls das Geschlecht erneut geändert werden soll. Der Kieler Verein HAKI e.V., der unter anderem Hilfe und Beratung zu allen queeren Themen anbietet, weist auf seiner Internetseite darauf hin, dass unter Umständen nicht alle Standesämter in Schleswig-Holstein auf gleiche Weise informiert und/oder aufgestellt sind.
pro familia: Gesetz ist ein Schritt in die Selbstbestimmung
Das Selbstbestimmungsrecht richtet sich an trans, inter und nichtbinäre Menschen. Sie können zwischen männlich, weiblich und divers wählen oder ihren Geschlechtseintrag komplett streichen lassen. "Wir als pro familia sind sehr froh, dass es dieses Gesetz gibt", freut sich Andreas Gloël, Fachreferent für Sexuelle Bildung in Schleswig-Holstein. Es sei ein wichtiger Schritt zur Selbstbestimmung für alle Menschen, die sich mit ihrem bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht nicht identifizieren.
"Die meisten Menschen haben das Privileg, dass das bei der Geburt zugewiesene Geschlecht dem eigenen Empfinden entspricht und der eigene Name dieses auch widerspiegelt. Für diese Person ändert sich nichts. Aber eben für viele Menschen, die dieses Privileg nicht haben, die teilweise einem großen Leidensdruck ausgesetzt sind, und Diskriminierung und vielfältige Formen von Gewalt erfahren, ist dieses Gesetz ein Schritt in die Selbstbestimmung, ein Schritt dahingehend, diese Ungerechtigkeit ein Stück weit auszugleichen." Andreas Gloël, Fachreferent für Sexuelle Bildung bei pro familia
Gloël hofft, dass die unkomplizierte Änderung des Geschlechtseintrags und des Vornamens dabei hilft, die strukturelle Benachteiligung von Trans-Menschen im Alltag zu reduzieren. Generell gibt es mehrere Beratungsangebote im Land, die explizit über das Thema Selbstbestimmungsgesetz informieren, unter anderem bei HAKI e.V. in Kiel und bei pro familia in Flensburg.
Text des Gesetzes online
Den Text des Gesetzes über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag und zur Änderung weiterer Vorschriften finden Sie auf der Internetseite des Bundes. Darüber hinaus hat das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend ein umfassendes FAQ veröffentlicht.