Ein kleines Kind nimmt Tabletten von einem Tisch. © Imago Images / Panthermedia Foto: Imago Images / Panthermedia
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AUDIO: Seit Jahren steigen die Anfagen zu Vergiftungen bei Kindern (1 Min)

Vergiftung bei Kleinkindern: Gefahren lauern vor allem im Haushalt

Stand: 10.10.2024 09:41 Uhr

Jedes Jahr gehen tausende Anrufe beim Giftnotruf für Norddeutschland ein. Aus Schleswig-Holstein gab es im vergangenen Jahr 6.274 Anrufe wegen Vergiftungsfällen und -verdachtsfällen. Am häufigsten ist die Altersgruppe der Ein- bis Vierjährigen betroffen.

von Lisa Pandelaki

Manchmal geht es zu schnell. Während ein Kind die Zähne geputzt bekommt, schnappt sich ein anderes die Zahnpastatube und schluckt einen großen Teil der Paste. Während man Gemüse schnippelt, greift das Kind unbemerkt ein buntes Spülmaschinentab und kaut darauf herum. Und wie schmecken eigentlich diese bunten Pillen, die dort auf der Ablage liegengeblieben sind?

Gefahr: Putzmitteln sind bunt wie Süßigkeiten

Sobald Kinder krabbeln könnten, kämen sie an vieles ran, wovon Eltern sie lieber fernhalten möchten, erklärt Dr. Tobias Ankermann, Chefarzt der Kinder- und Jugendklinik am Städtischen Krankenhaus Kiel. "Überlegen Sie sich, wo Sie Ihre Reinigungsmittel Zuhause haben: Oftmals unterhalb der Spüle, genau in der Griffweite von Kinder, die hin krabbeln. Und gucken Sie sich die Farbe an: Das ist bunt." Kriegen Kinder das in die Hand, wandert es deshalb auch schnell in den Mund. "Nehmen Sie mal das weiß-blau-rot Muster von Kinderschokolade und gucken Sie sich mal Reinigungsverpackungen an. Das ist nicht zu unterscheiden, wenn man nicht lesen kann und kein Risikobewusstsein hat", beschreibt Ankermann die Gefahr.

Vergiftungen passieren vor allem im Haushalt

Ein kleines Kind hält ein buntes Spülmaschinentab in den Händen. © NDR Foto: Lisa Pandelaki
Für Kinder sind Reinigungsmittel und Süßigkeiten oft nicht voneinander zu unterscheiden.

Die Zahlen des Giftinformationszentrums zeigen, dass es in Schleswig-Holstein im vergangenen Jahr 6.274 Vergiftungsverdachtsfälle gab. Bei wie vielen es sich dabei um tatsächliche Vergiftungen handelt, ist nicht nachzuvollziehen, da dies nur selten an den Giftnotruf zurückgemeldet wird. Hauptsächlich betroffen waren mit 2.284 Fällen ein- bis vierjährige Kinder. Die zu einem großen Teil unbeabsichtigten Vorfälle ereigneten sich demnach vor allem im Haushalt. Hauptvergiftungsquellen waren chemische Produkte wie Reinigungsmittel, gefolgt von Arzneimitteln.

Stress oder andere besondere Situationen führten dazu, dass Betreuungspersonen doch mal etwas offen liegen ließen, auch wenn sie es eigentlich besser wüssten, gibt Ankermann zu bedenken. Auch ihm selbst sei das schon passiert, auch wenn er bei der Geburt seines ersten Kindes bereits einige Jahre als Arzt gearbeitet hatte - also immer wieder mit den Folgen solcher Unachtsamkeiten konfrontiert war.

Bei Verdacht auf Vergiftung Giftnotruf wählen

Besteht der Verdacht auf eine Vergiftung gibt es über die Nummer des Giftnotrufs (0551-19240) schnelle erste Hilfe: Soll etwas hinterhergetrunken werden, um Giftstoffe zu binden - oder auf gar keinen Fall, um ein Aufschäumen zu verhindern? Muss nichts weiter unternommen werden, reicht ein Besuch beim Kinderarzt oder sollte sofort die 112 gewählt werden? Jede potentielle Vergiftung verlangt nach einem anderen medizinischen Vorgehen. Selbst Ärztinnen und Ärzte auf Kinderstationen im Krankenhaus wissen nicht für jedes Szenario aus dem Kopf den richtigen Behandlungsansatz. Auch sie greifen dann immer wieder zum Telefon und lassen sich beim Giftnotruf beraten. Ankermann rät außerdem dazu, alles aufzuheben, was Aufschluss über die Art und Menge der geschluckten Substanz geben könnte.

Seit 2002 verzeichnet der Giftnotruf eine kontinuierliche Steigerung der Anfragen. Wieso das so ist, dazu hat Ankermann keine Vermutung. Doch seiner Einschätzung nach, nehmen nur die Anfragen bei Verdachtsfälle zu. "Ich habe nicht den Eindruck, dass die echten Vergiftungsfälle zunehmen."

Meiste Vergiftungen verlaufen harmlos

Die meisten Verdachtsfälle und tatsächlichen Vergiftungen verlaufen harmlos, doch ein Grundrisiko für eine schwerere Vergiftung besteht besonders bei Kleinkindern immer. Denn das Risikobewusstsein entwickelt sich erst im Schulalter. Davor hilft nur, das Kind im Auge zu behalten und nichts herumstehen zu lassen. "Medikamente sollten nicht für Kinder zugänglich, also eigentlich unter Verschluss sein", rät Ankermann. Reinigungsmittel sollten hoch genug gestellt werden, damit die Kinder nicht einfach rankommen.

In seiner beruflichen Laufbahn hat Ankermann einige Fälle erlebt, bei denen alle Vorsorge nichts genützt hat. Fälle von Leberversagen nach einer Paracetamol-Überdosis oder schwere Schäden nach dem Verschlucken einer Knopfbatterie. "Man denkt eigentlich an alles, aber das ist das worst-case-scenario. Man denkt nicht daran, dass Kinder sich irgendwas bauen, um hochzuklettern. Es gibt immer ein potenzielles Grundrisiko." Und für diese Fälle, in denen aus dem Risiko ein Verdacht wird, steht das Team hinter dem Giftnotruf jeden Tag rund um die Uhr zur Beratung und schnellen Hilfe zur Verfügung.

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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Welle Nord | Nachrichten für Schleswig-Holstein | 11.10.2024 | 06:00 Uhr

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