SPD in Schleswig-Holstein stellt sich neu auf
Auf dem SPD-Parteitag wählen die Delegierten einen neuen Landesvorstand. Serpil Midyatli will Parteichefin bleiben. Bei ihren Stellvertretern setzt sie auf Know-how aus Kiel und von der Westküste.
Blick zurück auf die verlorene Landtagswahl im Mai vergangenen Jahres und gleichzeitig der Blick nach vorn auf die bevorstehende Kommunalwahl - die Nord-SPD stellt sich heute und am Sonntag in Husum neu auf. Etwa 220 Delegierte werden erwartet. Im Mittelpunkt steht dabei die Wahl eines neuen Landesvorstandes. Serpil Midyatli kandidiert zum dritten Mal für den Posten der Parteichefin. "Es waren ehrlich gesagt, die Genossinnen und Genossen, die mich dazu verleitet haben, auch zu sagen, ich kandidiere erneut. Und dann werden wir gucken, wie es dann ausgehen wird", so Midyatli.
Schwierige Wahlnachlese nach verlorener Landtagswahl
In den vergangenen Monaten war sie viel in Schleswig-Holstein unterwegs, um in den Kreisverbänden vor Ort über die Wahlniederlage zu sprechen, das Ergebnis und mögliche Ursachen zu analysieren und aus gemachten Fehlern zu lernen. Mit dem damaligen Spitzenkandidaten Thomas Losse-Müller hatte die SPD auf neue Impulse gehofft, wollte inhaltliche Akzente setzen und gegenüber einem populären Amtsinhaber punkten - am Ende landete die SPD hinter den Grünen auf Platz drei und musste die Hoffnung auf eine Regierungsbeteiligung aufgeben. Lediglich zwölf SPD-Abgeordnete gehören der SPD-Fraktion im Landtag noch an. "Da ist natürlich immer noch der eine oder andere enttäuscht. Kann ich total gut auch nachvollziehen. Das hat bei mir ja auch etwas länger gedauert", kommentiert Midyatli die Niederlage.
Die Aufarbeitung in der Partei habe ihr selbst sehr gut getan. Man sei aber noch lange nicht fertig. Die Analyse habe gezeigt, dass sich die SPD stärker auf Themen konzentrieren müsse. Der Fokus müsse dabei auf die sozialen Themen gelegt werden, so Midyatli. Ihre Partei ist in der Oppositionsrolle angekommen. Midyatli sieht in Fraktionschef Losse-Müller eine große Unterstützung. Er mache einen "großartigen Job im Parlament" und außerdem könne man sich in den unterschiedlichen Funktionen die Arbeit einfach besser aufteilen.
Kämpfen mit Kämpfer
Im Landesvorstand holt sich Midyatli einen erfahrenen Kommunalpolitiker an ihre Seite - Kiels Oberbürgermeister Ulf Kämpfer. Er kandidiert erstmals als Stellvertreter. Bis zur Landtagswahl 2027 wollen sie zur alter Stärke zurückfinden, so Kämpfer. Doch das passiere nicht von alleine. "Was ich dazu beitragen kann, das möchte ich jetzt gerne im Landesvorstand tun", so Kämpfer.
Das Ziel sei die Staatskanzlei, betont Serpil Midyatli. Es gehe darum, die schwarz-grüne Landesregierung abzulösen, macht Kämpfer deutlich. Der Verwaltungsjurist war Staatssekretär, ist seit 2014 Oberbürgermeister der Landeshauptstadt. Auf die Frage, ob er sich als Spitzenkandidat warm laufe, sagt er: "Ich laufe mich für gar nichts warm. Wir müssen stärker werden. Wenn wir 2027 wieder bei 16 Prozent landen, dann stellt sich die Frage eines Ministerpräsidenten der SPD gar nicht. Und ich sehe mein Talent und meinen Beitrag jetzt dazu, dass wir gemeinsam stark werden. Und alles andere wird sich zu gegebener Zeit finden."
SPD will Akzente setzen und kritisiert Günthers "Schenkelklopferwitzchen"
Mit der schwarz-grünen Landesregierung gehen sowohl Kämpfer als auch Landeschefin Midyatli hart ins Gericht und werfen ihr vor, in den Bereichen wie Energiewende, Verkehr oder auch bei den Wohnkosten zu versagen. Viele Chancen würden verspielt. Jedes Problem werde an den Bund adressiert, wirft sie Ministerpräsident Daniel Günther vor. "Hier im Landtag gibt es einen Ministerpräsidenten, der durchs Land läuft und überall seine Schenkelklopferwitzchen erzählt und eher vorkommt, wie einer, der nur für Grußworte zuständig ist. Und nicht die Herausforderungen und Probleme im Land angeht", greift Midyatli Günthers Politik an.
Da wolle die SPD eigene Akzente setzen und Ideen erarbeiten. Serpil Midyatli will die Nord-SPD weiter als Team führen.
"Rede muss funzen"
Wie sehr sich Frust und Enttäuschung bei dem Parteitag auf das Wahlergebnis niederschlagen, ist unklar. Bis zuletzt hat die 47-Jährige an ihrer Bewerbungsrede gefeilt. Denn obwohl sie schon seit einiger Zeit dabei sei, sei sie vor der Partei immer noch wahnsinnig nervös. "Das wird wahrscheinlich dann auch bleiben. Ich habe schon gehört, die Rede muss funzen …", so Midyatli.
Auf den weiteren Stellvertreterposten bewirbt sich die stellvertretende Kreisvorsitzende in Dithmarschen, Martina Claussen. Sie ist 47 Jahre alt und arbeitet in der Touristinformation in Büsum. In ihrer Bewerbung schreibt sie: "Der Landesvorstand ist für mich ein Ort der Vernetzung. Hier müssen Impulse aus den Kreisverbänden, Ortsverbänden und Arbeitsgemeinschaften aufgenommen und weitergetragen werden, um gemeinsam dafür zu sorgen, dass daraus eine sozialdemokratische Politik für Schleswig-Holstein wird." Laut Midyatli ist Claussen auch jemand, der, wie sie selbst, das Herz ein bisschen auf der Zunge trägt. Sie freue sich auf die Unterstützung, weil gerade auch an der Westküste die großen Themen bewegt würden.
Claussen kenne Land und Leute und die großen wichtigen Themen, Transformation, Industriepolitik, Klima und sei eine Verbündete, so Midyatli. Die seit 2019 amtierenden Landesparteivizes, die Landtagsabgeordnete Sophia Schiebe und der Bundestagsabgeordnete Sönke Rix, treten nicht wieder an. Neben der Wahl wird es auf dem Parteitag um zwei Leitanträge zur Kommunalwahl und zur Klima-Wende gehen. Sonntag wird dann Bundeskanzler Olaf Scholz in Husum erwartet, um auf dem Parteitag eine Rede unter anderem zur aktuellen Lage zu halten.