Provinziell oder voller Chancen: Wie holt man Lehrer aufs Land?
Das Projekt "Dithmarschen macht Schule" soll mehr Lehrer in den Kreis holen. Eine Koordinierungsstelle vermittelt den Kontakt zu Schulen und sucht kostenlose Unterkünfte für ein Orientierungs-Praktikum.
Auf dem Land arbeiten? Das ist für viele junge Lehrerinnen und Lehrer offenbar nicht attraktiv. Laut dem Bildungsministerium sind in Schleswig-Holstein im Schuljahr 2022/23 insgesamt 147 von 19.564 Stellen an Grundschulen und Förderzentren nicht besetzt. An Gymnasien und Gemeinschaftsschulen habe es bei der letzten Erhebung keine offenen Stellen gegeben. An den berufsbildenden Schulen seien 76 von 4.042 Lehrerstellen laut der letzten Erhebung aus dem Oktober 2022 nicht besetzt.
Auch der Kreis Dithmarschen hat zu wenige Lehrer. Um hier gegenzusteuern, hat das Bildungsministerium vor zweieinhalb Jahren das Projekt "Dithmarschen macht Schule" ins Leben gerufen. Dafür wurde ein sogenanntes Lehrkräfte-Servicebüro bei der Dithmarscher Schulrätin eingerichtet.
Schnittstelle zwischen Studierenden und Schulen
Leiterin ist Daniela Holst. Vom achten Stock im Dithmarscher Kreishaus koordiniert sie Anfragen von Studierenden, Referendaren und jungen Lehrkräften mit den Angeboten und offenen Stellen der Schulen. "Es geht bei uns vor allem um Grundschulen und Gemeinschaftsschulen. Gymnasien sind nicht das Problem", sagt sie.
Ländlich, verschlafen, provinziell?
Viele junge Leute hätten ein falsches Bild von Dithmarschen, sagt die Projekleiterin: "Ländlich, verschlafen, provinziell." Viele Studierende aus Lehramts-Studiengängen seien entweder vor Jahren einmal oder noch nie im Kreis Dithmarschen gewesen, so Holst. Um mit Vorurteilen aufzuräumen, hat sie die Interseite www.dithmarschen-macht-schule.de gestartet. 39 allgemeinbildende Schulen und 12.776 Schülerinnen und Schüler gibt es laut der Webseite im Kreis. Außerdem 831 Lehrkräfte - und 70.000 Schafe. Zudem gibt es mehrere nicht ganz ernst gemeinte Videoclips von den Schulen - und einen "Dithmarscher Lehrersong" - getextet und komponiert von Lehrerinnen und Lehrern der Grundschule Meldorf.
Praktikum mit kostenloser Unterkunft
Und es gibt einen weiteren Ansatz: "Wir haben bei Studierenden der Uni Flensburg für ein erstes Praktikum geworben - mit Erfolg", berichtet die Leiterin des Lehrkräfte-Servicebüros. Sie hilft Interessierten bei der Suche nach einer geeigneten Schule. Auch eine kostenlose Unterkunft für das dreiwöchige Orientierungs-Praktikum im Bachelor-Studium besorgt die Projektleiterin. "Die jungen Leute müssen dann nicht zwischen Wohnort und Praktikumsstelle in Dithmarschen hin und her pendeln, sondern können hier in der Region bleiben - und so natürlich viel mehr von Dithmarschen kennenlernen", so Holst. Vor einigen Wochen waren elf Studentinnen und Studenten zu einem dreiwöchigen Praktikum an einer Schule zwischen Brunsbüttel und Büsum.
Positive Rückmeldungen
Viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer an den Schulpraktika hätten den Schulleitungen zurückgemeldet, sie würden gerne noch mal nach Dithmarschen kommen, weil sie so positiv überraschend gewesen seien. Ein Lehramtsstudent, der sein Praktikum an der Gemeinschaftsschule Hennstedt absolvierte, war demnach von der digitalen Ausstattung der Schule angetan. "Er hat mir von einer App berichtet, auf der alle Vertretungspläne aktuell abzulesen waren. Er war rundum begeistert", berichtet Holst.
Ihre Hoffnung: Wenn von den Praktikantinnen und Praktikanten einige auch ihr Referendariat in Dithmarschen machen und sich dann vielleicht auch als junge Lehrkraft in Dithmarschen bewerben, hätte man schon viel erreicht.
Weitere Zielgruppe : Quereinsteigerinnen
Meike Schreiner ist eine Quereinsteigerin in den Job. Die zweifache Mutter wollte nach einigen Jahren noch mal beruflich neu durchstarten. "Ich war eigentlich Bekleidungs-Ingenieurin in Hamburg, bin dann durch meinen Mann nach Dithmarschen gekommen", erzählt sie. "Der Beruf Lehrerin hat mich immer interessiert. Ich habe dann erstmal ein Praktikum an einer Grundschule in der Region Heide gemacht." Danach informierte sich Schreiner über die Möglichkeit, sich als Quereinsteigerin weiter zu qualifizieren, um später als Lehrerin an einer Grundschule arbeiten zu können.
Wichtigste Vorraussetzung: ein Masterabschluss. Den holte Meike Schreiner an der Fachhochschule Westküste (FHW) in Heide nach. "Ich habe dort den Studiengang Wirtschaft, Medien und Psychologie belegt." Sie konnte ihn online machen und sich besser weiter um ihre beiden Kinder kümmern. Den Master hat Schreiner nun in der Tasche.
Von der Aushilfskraft zur hauptamtlichen Lehrkraft
Mittlerweile arbeitet sie als Aushilfskraft an der Grundschule Wesseln. "Es war für mich die beste Entscheidung, auch wenn es manchmal anstrengend war", sagt sie. "Vielleicht kann ich ja auch hier an der Grundschule Wesseln bleiben", hofft sie.
Quereinsteiger müssen in Schleswig-Holstein nach Erhalt ihres Masterabschlusses noch eine zweijährige Zusatzausbildung absolvieren, bevor sie als hauptamtliche Lehrkraft an einer Grundschule arbeiten dürfen.
Vorreiter aus Dithmarschen?
Seit dem Start vermittelte das Lehrkräfte-Servicebüro laut Holst neun Lehrkräfte nach Dithmarschen. Dazu kommen vier Referendare und viele Anfragen von potenziellen Quereinsteigern. Aus dem Bildungsministerium heißt es: "Seit dem Start hat das Projekt eine Strahlkraft über den Kreis Dithmarschen hinaus entwickelt." In anderen Kreisen in Schleswig-Holstein und sogar in anderen Bundesländern überlege man ähnliche Initiativen.