Unterrichtsausfall: Eltern im Kreis Stormarn fordern mehr Lehrer
Nicht nur der Ausfall einzelner Unterrichtsstunden, sondern ganzer Fächer und häufiger Lehrerwechsel – Elternvertretungen von drei Stormarner Gemeinschaftsschulen kritisieren massiven Lehrermangel.
Dass sie abends nach der Arbeit noch mit ihrem Sohn am Schreibtisch sitzt, ist für Michaela Hintz keine Seltenheit. Ihr Sohn besucht die Friedrich-Junge-Schule in Großhansdorf (Kreis Stormarn). Und Hintz gehört zu den Eltern, die sich jetzt an die Bildungsministerin gewandt haben. Denn der Lehrermangel werde immer mehr zum Problem. "Es ist so, dass viel Unterricht ausfällt, dass Fachkräfte überhaupt nicht vorhanden sind und Unterricht monatelang nur unzureichend oder überhaupt nicht stattfindet", erzählt sie. Teilweise gebe es dann Aufgaben, die die Schüler alleine bearbeiten sollten. Doch: "Die Eigenlernzeit findet dann in der Praxis nicht statt, weil Jugendliche einfach Jugendliche sind", so Hintz. Dann müsse der Unterricht zu Hause nachgeholt werden. "Das machen wir dann mit Videos oder indem wir uns das durchlesen." Könnten Eltern das nicht leisten, würden Schüler abgehängt.
Viele Unterrichtsausfälle im Fachunterricht
146 Stunden seien allein bei einer achten Klasse der Gemeinschaftsschule Reinbek (Kreis Stormarn) ausgefallen, berichten die Eltern. Und manche Fächer würden gar nicht angeboten – wie Physik in der Oberstufe. Von fehlenden Lehrkräften in den Bereichen Mathematik, Informatik und Physik berichten auch die Eltern der Selma-Lagerlöf-Gemeinschaftsschule in Ahrensburg (Kreis Stormarn). Laut den Elternvertretern hatte eine Schulklasse dort von der Jahrgangsstufe 5 bis 10 nur knapp zwei Jahre Matheunterricht durch einen Fachlehrer. Der Rest sei von fachfremden Lehrern oder Studentinnen und Studenten betreut worden. Dass es im MINT-Bereich an Lehrkräften fehlt, bestätigt auch Schulleiter Christian Hack. Im vergangenen Jahr sei ein Kollege unerwartet verstorben. "Wir haben es nicht geschafft, die Stelle zu besetzen, obwohl wir sie mehrfach ausgeschrieben haben", so Hack.
Ständige Lehrerwechsel führen zu Verunsicherung
Außerdem kritisieren die Eltern häufige Lehrerwechsel - durch Krankheitsfälle, Eltern- oder Teilzeit. Besonders, wenn es um Klassenlehrer gehe, sei es für die Kinder nicht möglich Vertrauen aufzubauen. Im Fachunterricht könne kein Interesse der Kinder für ein Fach geweckt werden. Es fehle die Kontinuität, so die Eltern aus Reinbek. Oft wüssten weder Kinder noch Eltern wer jetzt ihr Ansprechpartner sei. das sei Stress für die Schüler, sagt Hintz. "Da ist keine Ortientierung, sodass Schüler überfordert sind mit den ständigen Veränderungen", sagt sie. Gerade auch Schülerinnen und Schülern mit Förderbedarf könne mit so wenig Personal nicht gerecht werden.
Lehrermangel wird sich weiter verschärfen
Im Kreis Stormarn sei besonders die Nähe zu Hamburg ein Problem, vermuten die Eltern. Und auch Schulleiter Hack sagt: "Wir sind hier im Hamburger Rand natürlich in einer Konkurrenz-Situation mit der großen Nachbarstadt und es ist nicht einfach hier Lehrkräfte zu gewinnen." Die Eltern fordern in den Briefen daher unter anderem die Arbeit für die Lehrer in Schleswig-Holstein attraktiver zu machen. Das unterstützt auch der Vorsitzende des Landeselternbeirats für Gemeinschaftsschulen in Schleswig-Holstein, Thorsten Muschinski. Er sagt aber auch: "Grundsätzlich ist das kein Problem, das ausschließlich Schleswig-Holstein oder ausschließlich die Gemeinschaftsschulen betrifft. Es ist ein allgemeines Problem, das überall vorherrscht, in ganz Deutschland." Seine Sorge: wenn in den kommenden Jahren immer mehr Lehrkräfte der Baby-Boomer-Generation in Rente gehen, "wird sich das Ganze nochmal massiv verschlimmern."
Neue Lehrer "kann keiner backen"
Was also tun gegen den Mangel? Auch laut der Gewerktschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) fehlt es an Lehrern, auch Vertretungslehrern. Um die jetzt aktiven Lehrkräfte zu halten, aber auch junge Menschen für den Lehrerberuf zu begeistern müssten die Arbeitsbedingungen verbessert werden, sagt Astrid Henke von der GEW. Besonders die Arbeitsbelastung müsse reduziert werden, weil es sonst künftig immer mehr Krankheitsfälle gebe. Doch ein Problem bleibt: "Die jungen Menschen kann ja keiner backen", sagt Schulleiter Hack. Die Ausbildung von Lehrern und Quereinsteigern sei eher mittelfristig eine Lösung, so auch die GEW. Michaela Hintz hofft dennoch, dass sich auch durch die Briefe bald etwas ändert. Bildungsministerin Karin Prien (CDU) hat sich zu den Briefen noch nicht geäußert. Das Ministerium hat für Freitag eine Stellungnahme angekündigt.