VIDEO: Fake-Videos: Manipulierte Videos im Netz (1 Min)

Plötzlich unter Verdacht: Fake-Videos und die Folgen

Stand: 31.05.2024 18:59 Uhr

Ein Video mit rassistischen Gesängen aus der Sylter "Pony"-Bar wurde massenhaft geteilt. Die Polizei hat keinen Zweifel daran, dass das Video echt ist. Im Netz kursiert ein zweiter Clip von der Insel, der manipuliert worden ist.

von Elin Halvorsen

Immer wieder tauchen in sozialen Netzwerken und auf Internetseiten gefälschte Videos und Fotos auf. Wer sich darauf wiedererkennt, hat es oft schwer, dagegen vorzugehen. Diese Erfahrung macht gerade auch eine Familie aus Norddeutschland. Ihr Sohn war an Pfingsten auf der Nordseeinsel Sylt, um zu feiern. Auf einem Party-Video, das seit der vergangenen Woche über soziale Netzwerke verbreitet wird, tanzt Nico (Name von der Redaktion geändert) in einer großen Menge. Zu hören sind das Lied "L'amour toujours" von Gigi D'Agostino - und rassistische Gesänge.

Doch anders als das Video aus dem "Pony"-Club ist dieser Clip aus dem Lokal "Sturmhaube" nicht echt. Die Tonspur wurde ausgetauscht. Eigentlich tanzen diese Menschen zu einem Song von ABBA. Woher das Fake-Video stammt, ist unklar. Doch die Verbreitung im Netz ist rasend schnell. Nico erhält unter anderem Nachrichten von seinen Freunden. Sie fragen, was er da mache, sie hätten das Video auf Instagram gesehen.

Vorgehen gegen Fake-Video bedeutet großen Aufwand

Nico ist schockiert. Sofort benachrichtigt er seinen Arbeitgeber, stellt klar, dass das Video eine Fälschung ist. Danach beginnt jedoch erst die eigentliche Arbeit, um sich selbst zu schützen. Nicos Vater meldet das Video auf Instagram, schreibt direkt Personen an, die das Fake-Video weiterverbreiten. Doch nicht alle sind bereit dazu, es zu löschen. Manchmal scheitert er auch an den Betreibern der Social-Media-Plattformen, erhält nur den Hinweis, dass dieses Video nicht gegen Richtlinien verstoße - ohne eine weitere Info.

VIDEO: Deepfakes - so erkennt man manipulierte Videos (3 Min)

Betroffene Personen, die so etwas erleben, sind oft hilflos und machtlos, weil sie sehr auf die Mithilfe der Plattformen angewiesen sind. Ein Fake-Video, das so oft kopiert und geteilt worden ist, wieder gänzlich aus dem Netz zu bekommen, ist schwer. Auch Nutzerinnen und Nutzer, die es gepostet haben, sind manchmal nicht bereit dazu, es zu löschen. So passiert es auch Nicos Vater - trotz des Hinweises, dass das Video manipuliert ist.

Medienrechtlich relativ eindeutiger Verstoß

Im Fall des Videos aus dem Lokal "Sturmhaube" sieht Lucas Brost, Anwalt für Medienrecht, ein gutes Beispiel für ein Fake-Video, das eine Verletzung des Rechts am eigenen Bild darstellt: "Denn es wird da ja eine unwahre Bildaussage transportiert. Das heißt, durch die Unterlegung des Videos mit einem falschen Song wird ja so getan, als hätten die Leute genau das gesungen." 

Das Problem sei auch, dass viele verschiedene Plattformen unterschiedliche Meldesysteme haben, sagt Brost. Instagram, Tiktok, Facebook, X - die Liste ließe sich erweitern. Alle haben unterschiedliche Regeln, wann sie Videos entfernen, sodass es nicht möglich ist, mit einem Schreiben bei allen Plattformen um die Löschung zu bitten.

Weitere Informationen
Blick auf das Lokal "Pony" in Kampen auf Sylt. © dpa bildfunk Foto: Georg Wendt

Nach Nazi-Parolen: Polizei ermittelt in weiteren Fällen auf Sylt

Nicht nur im "Pony"-Club: Die Polizei ermittelt auch wegen zwei weiterer mutmaßlich rassistisch motivierter Vorfälle auf Sylt. mehr

Juristischer Weg kostet oft viel Zeit

Verweigern sich die Plattformen, wie in diesem Fall auch Instagram, bleibt noch der gerichtliche Weg, dann muss anwaltlich eine einstweilige Verfügung beantragt werden. Da ist aber das Problem, dass diese direkt zugestellt werden müssen, um wirksam zu werden - und die Plattformen sitzen in der Regel im europäischen Ausland. "Das heißt, ich muss eine Zustellung im europäischen Ausland erwirken, das kostet Zeit und so lange kann dann eine Sache im Netz sein", sagt der Anwalt für Medienrecht. Das ist für die betroffenen Personen eine schwer auszuhaltende Situation. Sie fühlen sich machtlos, sind auf die Hilfe der Plattformen angewiesen.

NDR sendete eine Richtigstellung

Auch NDR Info und die tagesschau nutzten wenige Sekunden des Fake-Videos in einer Sendung. "Dieses Video hätte auch unter Aktualitätsdruck genau geprüft werden müssen. Dies ist in dem Fall ausgeblieben, da das gefälschte Video im ersten Moment irrtümlich nur für eine verlängerte Version des Originalvideos gehalten wurde", erläutert die zuständige Redaktion des NDR. Nach einmaliger Sendung wird der Beitrag zurückgezogen, es erfolgt eine Richtigstellung in der folgenden NDR Info Sendung. Das Video wurde vollverpixelt verwendet - anders als im Netz. Dort verbreitet sich das falsche Video weiter, alle Personen sind zu erkennen.

Weitere Informationen
Besucher einer Party tanzen im Scheinwerferlicht. © picture-alliance / dpa | Arne_Dedert Foto: picture-alliance / dpa | Arne_Dedert

FAQ zu rassistischen Gesängen auf Festen: Was droht Beteiligten?

Vorfälle wie zuletzt in Löningen haben heftige Debatten ausgelöst. Mit welchen Strafen müssen Mitsingende und Unbeteiligte rechnen? mehr

Ein echtes Ende gibt es selten

Viermal hat Nicos Vater versucht, das Video, das seinen Sohn beim Feiern auf Sylt mit falscher Tonspur zeigt, bei Instagram zu melden. Einmal wird es gelöscht, drei Mal erhält er die Standardantwort, dass Instagram keine Diffamierung erkennen kann. Medienrechtler Brost spricht sich deshalb für eine höhere Sensibilität aus: Wer ein Video in einer Whatsapp-Gruppe teile, verliere damit schon die Kontrolle über die Verbreitung.

Insgesamt müssten die Leute sich mehr fragen, ob sie sich in Situationen begeben wollen, in denen sie damit rechnen müssen, gefilmt zu werden. Wenn man merke, dass man gefilmt wird, solle man mindestens nachfragen, für welchen Zweck oder welche Plattform die Person das Video erstelle. "Das ist in dem Moment da vielleicht nicht irgendwie der Party-Stimmung zuträglich, aber ich muss genau drauf achten, um meine Persönlichkeitsrechte zu schützen", sagt Brost.

Für Nico kommt das zu spät. Das Fake-Video, das ihn auf einer Party auf Sylt zeigt, ist immer noch im Netz. Selbst wenn er es schafft, dass es bei Instagram oder X komplett entfernt ist - einen echten Schutz, dass es nicht doch wieder auf einem anderen Account hochgeladen wird, gibt es nicht.

Weitere Informationen
Menschen tanzen auf einer Party. © Imago Images / Funke Foto Services Foto: Imago Images / Funke Foto Services

Partysong "L’amour toujours" auf Travemünder Woche verboten

Man wolle vermeiden, dass alkoholisierte Gäste der Travemünder Woche Dinge täten, die sie hinterher bereuten, erklärte der Veranstalter Uwe Bergmann. mehr

Auf einem Handy sieht man das Video mit singenden jungen Menschen, die rassistische Parolen rufen © NDR

Arbeitsrechtliche Folgen von Sylt-Video: Freistellen, prüfen, kündigen

Nach dem Grölen fremdenfeindlicher Parolen auf Sylt seien Kündigungen unter bestimmten Bedingungen möglich, meint Arbeitsrechtlerin Nele Urban. mehr

Auf einem Handy sieht man das Video mit singenden jungen Menschen, die rassistische Parolen rufen © NDR

Rechtsextremismus-Experte Kraske: Sylt-Video ist ein Warnsignal

Rassistische Tendenzen gebe es in allen gesellschaftlichen Bereichen, sagt der Autor. Bei NDR Info live ging es auch um juristische Konsequenzen. mehr

Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Welle Nord | Nachrichten für Schleswig-Holstein | 31.05.2024 | 17:00 Uhr

Nachrichten aus Schleswig-Holstein

Zeichnung, wie ein Jugendlicher einen anderen verprügelt und die Szene mit dem Handy filmt. © NDR

Jugendgewalt in SH: Maßnahmenpaket im Landtag vorgestellt

Gewalt unter Jugendlichen nimmt zu. CDU, Grüne, FDP und SSW fordern, entschiedener zu handeln und legen ein 13-Punkte-Maßnahmen-Paket vor. mehr

Videos