Plötzlich unter Verdacht: Fake-Videos und die Folgen
Ein Video mit rassistischen Gesängen aus der Sylter "Pony"-Bar wurde massenhaft geteilt. Die Polizei hat keinen Zweifel daran, dass das Video echt ist. Im Netz kursiert ein zweiter Clip von der Insel, der manipuliert worden ist.
Immer wieder tauchen in sozialen Netzwerken und auf Internetseiten gefälschte Videos und Fotos auf. Wer sich darauf wiedererkennt, hat es oft schwer, dagegen vorzugehen. Diese Erfahrung macht gerade auch eine Familie aus Norddeutschland. Ihr Sohn war an Pfingsten auf der Nordseeinsel Sylt, um zu feiern. Auf einem Party-Video, das seit der vergangenen Woche über soziale Netzwerke verbreitet wird, tanzt Nico (Name von der Redaktion geändert) in einer großen Menge. Zu hören sind das Lied "L'amour toujours" von Gigi D'Agostino - und rassistische Gesänge.
Doch anders als das Video aus dem "Pony"-Club ist dieser Clip aus dem Lokal "Sturmhaube" nicht echt. Die Tonspur wurde ausgetauscht. Eigentlich tanzen diese Menschen zu einem Song von ABBA. Woher das Fake-Video stammt, ist unklar. Doch die Verbreitung im Netz ist rasend schnell. Nico erhält unter anderem Nachrichten von seinen Freunden. Sie fragen, was er da mache, sie hätten das Video auf Instagram gesehen.
Vorgehen gegen Fake-Video bedeutet großen Aufwand
Nico ist schockiert. Sofort benachrichtigt er seinen Arbeitgeber, stellt klar, dass das Video eine Fälschung ist. Danach beginnt jedoch erst die eigentliche Arbeit, um sich selbst zu schützen. Nicos Vater meldet das Video auf Instagram, schreibt direkt Personen an, die das Fake-Video weiterverbreiten. Doch nicht alle sind bereit dazu, es zu löschen. Manchmal scheitert er auch an den Betreibern der Social-Media-Plattformen, erhält nur den Hinweis, dass dieses Video nicht gegen Richtlinien verstoße - ohne eine weitere Info.
Betroffene Personen, die so etwas erleben, sind oft hilflos und machtlos, weil sie sehr auf die Mithilfe der Plattformen angewiesen sind. Ein Fake-Video, das so oft kopiert und geteilt worden ist, wieder gänzlich aus dem Netz zu bekommen, ist schwer. Auch Nutzerinnen und Nutzer, die es gepostet haben, sind manchmal nicht bereit dazu, es zu löschen. So passiert es auch Nicos Vater - trotz des Hinweises, dass das Video manipuliert ist.
Medienrechtlich relativ eindeutiger Verstoß
Im Fall des Videos aus dem Lokal "Sturmhaube" sieht Lucas Brost, Anwalt für Medienrecht, ein gutes Beispiel für ein Fake-Video, das eine Verletzung des Rechts am eigenen Bild darstellt: "Denn es wird da ja eine unwahre Bildaussage transportiert. Das heißt, durch die Unterlegung des Videos mit einem falschen Song wird ja so getan, als hätten die Leute genau das gesungen."
Das Problem sei auch, dass viele verschiedene Plattformen unterschiedliche Meldesysteme haben, sagt Brost. Instagram, Tiktok, Facebook, X - die Liste ließe sich erweitern. Alle haben unterschiedliche Regeln, wann sie Videos entfernen, sodass es nicht möglich ist, mit einem Schreiben bei allen Plattformen um die Löschung zu bitten.
Juristischer Weg kostet oft viel Zeit
Verweigern sich die Plattformen, wie in diesem Fall auch Instagram, bleibt noch der gerichtliche Weg, dann muss anwaltlich eine einstweilige Verfügung beantragt werden. Da ist aber das Problem, dass diese direkt zugestellt werden müssen, um wirksam zu werden - und die Plattformen sitzen in der Regel im europäischen Ausland. "Das heißt, ich muss eine Zustellung im europäischen Ausland erwirken, das kostet Zeit und so lange kann dann eine Sache im Netz sein", sagt der Anwalt für Medienrecht. Das ist für die betroffenen Personen eine schwer auszuhaltende Situation. Sie fühlen sich machtlos, sind auf die Hilfe der Plattformen angewiesen.
NDR sendete eine Richtigstellung
Auch NDR Info und die tagesschau nutzten wenige Sekunden des Fake-Videos in einer Sendung. "Dieses Video hätte auch unter Aktualitätsdruck genau geprüft werden müssen. Dies ist in dem Fall ausgeblieben, da das gefälschte Video im ersten Moment irrtümlich nur für eine verlängerte Version des Originalvideos gehalten wurde", erläutert die zuständige Redaktion des NDR. Nach einmaliger Sendung wird der Beitrag zurückgezogen, es erfolgt eine Richtigstellung in der folgenden NDR Info Sendung. Das Video wurde vollverpixelt verwendet - anders als im Netz. Dort verbreitet sich das falsche Video weiter, alle Personen sind zu erkennen.
Ein echtes Ende gibt es selten
Viermal hat Nicos Vater versucht, das Video, das seinen Sohn beim Feiern auf Sylt mit falscher Tonspur zeigt, bei Instagram zu melden. Einmal wird es gelöscht, drei Mal erhält er die Standardantwort, dass Instagram keine Diffamierung erkennen kann. Medienrechtler Brost spricht sich deshalb für eine höhere Sensibilität aus: Wer ein Video in einer Whatsapp-Gruppe teile, verliere damit schon die Kontrolle über die Verbreitung.
Insgesamt müssten die Leute sich mehr fragen, ob sie sich in Situationen begeben wollen, in denen sie damit rechnen müssen, gefilmt zu werden. Wenn man merke, dass man gefilmt wird, solle man mindestens nachfragen, für welchen Zweck oder welche Plattform die Person das Video erstelle. "Das ist in dem Moment da vielleicht nicht irgendwie der Party-Stimmung zuträglich, aber ich muss genau drauf achten, um meine Persönlichkeitsrechte zu schützen", sagt Brost.
Für Nico kommt das zu spät. Das Fake-Video, das ihn auf einer Party auf Sylt zeigt, ist immer noch im Netz. Selbst wenn er es schafft, dass es bei Instagram oder X komplett entfernt ist - einen echten Schutz, dass es nicht doch wieder auf einem anderen Account hochgeladen wird, gibt es nicht.