Plattdeutsch im Sinkflug: Ist die Sprache zu retten?
Im Hamburger Umland gibt es nur noch wenige original Platt-Schnackerinnen und -Schnacker. Ein Lehrer aus Rellingen will diese Entwicklung stoppen - und unterrichtet Grundschüler.
"Goden Morgääähhn" - zwölf Kinder im Alter ab neun Jahren nehmen an der Plattdeutsch-AG der Erich-Kästner-Grundschule in Rellingen (Kreis Pinneberg) teil. Dann stimmen sie "Leve Lüüd" an, ein plattdeutsches Lied und Ritual zu Beginn des Unterrichts. Singen, sprechen, lesen, rechnen - op Platt. So lernen die Kinder Plattdeutsch bei Günther Wehmeier. Er ist pensionierter Berufschullehrer. Jetzt macht er ehrenamtlich weiter - als Plattdeutsch-Lehrer: "Wat uns fehlt is, dat Platt wedder in den Alldag torüch kummt." Es sei wichtig, dass Plattdeutsch wieder täglich gesprochen werde und zu hören sei, sagt Wehmeier. Denn die Kinder sähen Plattdeutsch heutzutage als Fremdsprache, weil sie im Alltag meist keine Berührungspunkte hätten. In der heutigen Elterngeneration spreche so gut wie niemand mehr Platt, so Wehmeier.
Kaum noch Platt in Hamburger Speckgürtel
In ganz Deutschland schnacken mehr als zwei Millionen Menschen platt. Klingt viel, aber die Zahlen nehmen stark ab. Sprachwissenschaftler Professor Michael Elmentaler von der Christian Albrechts Universität zu Kiel (CAU) ergänzt, dass insbesondere in großen Städten und den Speckgürteln das Plattschnacken weniger wird. Die Bevölkerung sei besonders dort sehr unterschiedlich zusammengesetzt. Dort treffe man mehr Menschen mit Migrationshintergrund. "Die können und kennen natürlich kein Plattdeutsch", sagt Elmentaler. Außerdem gebe es dort wenige Berufe in denen man Platt schnacke - etwa landwirtschaftliche und handwerkliche Berufe.
Platt verstehen - ja. Selber sprechen - Fehlanzeige.
Eine Stichprobe von NDR Schleswig-Holstein bei zwei Männern und zwei Frauen mittleren Alters zeigt: die Eltern haben teils selbst noch Platt gesprochen, die nachfolgende Generation versteht es deshalb auch noch. Selbst reden tun sie aber nicht. Keine gute Entwicklung, finden die Befragten.
Lehrer setzt bei Grundschülern an
Deshalb hat Wehmeier die Platt-AG gerade für junge Grundschulkinder ab neun Jahren in Rellingen (Kreis Pinneberg) ins Leben gerufen: "Wir kämpfen für das Plattdeutsche, damit es sich nicht weiter zurückzieht." Er hofft, dass seine Platt-AG "wie ein Samenkorn" bei der einen oder dem anderen aufgeht und "wie eine Pflanze" wächst.
Plattdeutsch als Fremdsprache
Und so lernen die Kinder Plattdüütsch genauso wie eine Fremdsprache. Dazu gehört es auch, Vokabeln zu lernen. Isabell Schulz macht in der Platt-AG in Rellingen mit: "Ich find's schön, eine andere Sprache zu können, und die dann auch meinen Eltern beizubringen, weil die können das nicht", freut sich die Zehnjährige. Und die neunjährige Lisa Westhoff ist nach ihren Worten ganz "jeck" nach Plattdeutsch: "Also ich mag Plattdeutsch sehr, weil das manchmal so witzige Wörter sind, die ich erstens gar nicht kenne und zweitens unbedingt kennenlernen will. Das macht mir einfach Spaß."
Regulärer Unterricht hilft, Platt zu erhalten
Sprachwissenschaftler Elmentaler vermutet, dass die typischen Mundarten wohl verschwinden werden, die früher mit ganz feinen Unterschieden von Dorf zu Dorf immer ein wenig anders gesprochen wurden. Aber inzwischen gebe es in Schleswig-Holstein regulären Plattdeutsch-Unterricht an insgesamt 46 Modellschulen und in einigen freiwilligen AGs - wie etwa in Rellingen. Daher könne das Plattdeutsche - als eine Art "Hoch-Plattdeutsch" - erhalten werden.