Pflegevorsorge: Wie spreche ich mit meinen Eltern darüber?
Wenn Eltern pflegebedürftig werden, müssen oft Kinder wichtige Entscheidungen treffen. Ob Patientenverfügung oder Vorsorgevollmacht: Eine gute Pflegevorsorge kann die Situation für alle erleichtern.
Nach dem Schlaganfall ihres Vaters hat Ines Elker aus Norderstedt (Kreis Segeberg) versucht, mit ihren Eltern über das Thema Pflegevorsorge zu sprechen. Doch diese blockten ab. Mit schwerwiegenden Folgen. Denn als ihre Mutter gestorben war und der Vater ins Krankenhaus kam und nicht mehr für sich selbst entscheiden konnte, war Elker plötzlich in der Verantwortung. Der Vater kam in ein Pflegeheim. "Ich hätte so etwas lieber mit meinen Eltern in Ruhe besprochen, bevor es akut ist und mein Vater im Delirium ist und selber gar nichts entscheiden kann", sagt Elker.
Gute Vorbereitung auf mögliche Pflegebedürftigkeit
Dieses Erlebnis hat die heute 69-Jährige sehr geprägt. Sie hat beschlossen, sich auf die eigene mögliche Pflegebedürftigkeit besser vorzubereiten. "Was ich daraus gelernt habe ist, was ich nicht entscheide, das mute ich meiner Tochter zu und damit belaste ich sie." Ines Elker hat deshalb eine Vorsorgevollmacht ausgefüllt, in der geregelt ist, dass ihre Tochter sie rechtlich vertreten darf, wenn sie selbst nicht mehr in der Lage dazu sein sollte. Zusätzlich ist in einer Patientenverfügung geregelt, wie sie medizinisch versorgt werden möchte.
Vollmachten - für alle Volljährigen sinnvoll
Das Interesse an der Beratung rund um das Thema Vorsorge ist in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen, heißt es sowohl von der Notarkammer Schleswig-Holstein als auch von den Betreuungsvereinen. Die Betreuungsvereine bietenin allen Kreisen eine kostenlose Beratung zum Thema Vorsorgevollmachten und Patientenverfügung an. "In einer Vorsorgevollmacht geht es immer um rechtliche Angelegenheiten, wie zum Beispiel die Vermögensverwaltung und vor allem die Zustimmung in ärztliche Maßnahmen", erklärt Andreas Lüdke, der Geschäftsführer des Betreuungsvereins im Kreis Pinneberg.
Vorsorgevollmacht auch ohne Notar gültig - doch es gibt Ausnahmen
Die Vorsorgevollmacht ist auch gültig, wenn sie selbst zuhause ausgefüllt und nicht von einem Notar beurkundet wurde. Es gibt allerdings Ausnahmen. "Eine notarialle Beurkundung ist zum Beispiel dann sinnvoll, wenn es komplizierte Vermögensverhältnisse mit vielen Konten gibt oder ein Erwerbsgeschäft von einem Bevollmächtigten weitergeführt werden soll", sagt Lüdke. Auch in Immobilienangelegenheiten ist eine Beurkundung demnach nicht zwingend notwendig, allerdings muss die Unterschrift unter der Vollmacht in diesen Fällen beglaubigt sein.
Ärtze dürfen mit Vertrauensperson wie mit dem Patienten sprechen
Liegt diese Vorsorgevollmacht vor, sind Ärzte von der Schweigepflicht entbunden und können dem Bevollmächtigten Auskunft geben, als wäre es der Patient selbst. Dadurch könne man sicherstellen, dass man von einer Vertrauensperson vertreten wird, die die eigenen Wünsche kennt, so Lüdke. Das sei nicht nur im Alter wichtig, sondern zum Beispiel auch bereits bei der Gründung einer Familie oder dem Kauf von Immobilien.
Pflegestützpunkte bieten kostenlose Beratung
Wer sich über Pflegevorsorge insgesamt informieren möchte, findet zahlreiche Angebote beim Verband der Ersatzkassen (vdek) in Schleswig-Holstein. Sie liefern online über das Portal Pflegelotse Antworten auf wichtige Fragen zum Thema Pflege und Pflegeversicherung. Vor Ort finden Interessierte zudem bei den Pflegestützpunkte Unterstützung, die es in allen Kreisen in Schleswig-Holstein gibt. An diese kann man sich ebenfalls wenden, wenn bereits ein Pflegefall eingetreten ist und Fragen beispielsweise zur ambulanten und stationären Pflege bestehen. Dieses Angebot nutzt auch Ines Elker regelmäßig beim Pflegestützpunkt in Norderstedt. Dabei geht es beispielsweise um medizinische Fragen oder eine Beratung zum Umgang mit ihrem inzwischen dementen Vater.
"Wir müssen davon ausgehen, irgendwann pflegebedürftig zu werden"
Tanja Barthel und ihre Kolleginnen und Kollegen im Pflegestützpunkt im Kreis Segeberg führen pro Jahr mehrere Tausend Beratungen durch, sowohl am Telefon als auch an den verschiedenen Standorten und bei Hausbesuchen. Sie rät, sich mit dem Thema Pflege zu beschäftigen, lange bevor sie benötigt wird.
Pflege beginnt nie gleich. Es ist manchmal ein schleichender Prozess. Dann sind die Angehörigen vielleicht schon mitten in der Pflege, machen die Einkäufe, machen den Haushalt mit oder müssen beim Duschen helfen. Oder es ist so ein akuter Fall wie bei einem Sturzereignis, durch das man wirklich von jetzt auf gleich nicht mobil ist und dann die Hilfe braucht. Tanja Barthel, Pflegestützpunkt Kreis Segeberg
Grundsätzlich müssten wir davon ausgehen, irgendwann pflegebedürftig zu werden, sagt Barthel mit Blick auf eine immer älter werdende Gesellschaft.
Offenheit zwischen Eltern und Kinder besonders wichtig
Zwischen Eltern und Kindern sei das Thema, wie im Fall von Frau Elker häufig kompliziert. Tanja Barthel rät dazu, ein offenes Gespräch zu suchen, in dem alle ihre Wünsche und Vorstellungen, aber auch Ängste und Sorgen äußern können. "Sich mit dem eigenen körperlichen oder mentalen Abbau, der dann irgendwann passiert, auseinanderzusetzen, fällt vielen Menschen wirklich schwer. Auch für Kinder ist es nicht immer leicht, wenn sie sich vorstellen, dass ihre Eltern, die eigentlich immer im Saft standen und vielleicht ein Vorbild waren, irgendwann mal pflegebedürftig werden", so Barthel. Trotzdem dürfe man die Realität nicht ausblenden. "Wir wollen auch diesen späten Lebensabschnitt immer noch aktiv und selbstbestimmt gestalten", sagt sie.
Im Pflegefall: Zu Hause oder betreutes Wohnen?
Inhaltlich sollte neben der rechtlichen Absicherung durch eine Vorsorgevollmacht laut Barthel zum Beispiel die Überlegung eine Rolle spielen, ob im Pflegefall das eigene Zuhause weiter bewohnt werden kann oder welche Möglichkeiten es mit Blick auf barrierefreies oder betreutes Wohnen oder auch Pflegeheime in der Umgebung gibt. Ines Elker hat sich entschieden, sich für betreutes Wohnen anzumelden, auch wenn sie den Platz noch nicht wahrnehmen muss. Mit ihrer Tochter hat sie ihre Pläne besprochen. "Das, was ich jetzt machen kann und jetzt entscheiden kann, das kann ich ihr abnehmen. Wir haben darüber geredet und sie ist meine Bevollmächtigte. Sie weiß die grobe Linie und alles andere wird sich dann zeigen, wenn die Dinge auf mich zukommen", sagt Elker.
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