Papierfabrik in Tornesch - Nachhaltige Verpackungen aus Gras
Schon in den 50er-Jahren wurde Stroh in der Papierproduktion eingesetzt. Jetzt experimentiert die Papierfabrik Meldorf in Tornesch mit immer mehr alternativen Fasern - unter anderem für mehr Nachhaltigkeit.
Sie sehen auf den ersten Blick aus wie Pferdeleckerlis. Doch die kleinen grünen Pellets, die auf dem Gelände der Papierfabrik Meldorf neben großen Stapeln von Altpapier lagern, werden nicht an Tiere verfüttert. Aus dem getrockneten und zusammengepressten Gras entsteht in Tornesch (Kreis Pinneberg) Papier - und daraus dann Bierdeckel, Verpackungskartons oder Kosmetikschachteln.
Ganz neu ist die Idee, statt Holz oder Altpapier alternative Fasern einzusetzen, im Unternehmen nicht. In den 50er-Jahren begann die Fabrik, damals noch in Meldorf (Kreis Dithmarschen), als Strohpappen- und Papierfabrik Schleswig-Holstein und verwendete für die Produktion Stroh von umliegenden Bauernhöfen. 2017 wollte das Unternehmen dann neue Wege gehen und entdeckte die alte Idee wieder, erzählt Vertriebsleiter Sebastian Finck. Nach ersten Versuchen ist das Graspapier seit sechs Jahren fester Bestandteil im Sortiment.
Papierfabrik Meldorf Vorreiter in Schleswig-Holstein
Das liegt auch daran, dass die Nachfrage bei Kunden steige, so Finck. "Es ist natürlich so, dass im Prinzip alle Unternehmen im Moment vor der Herausforderung stehen nachhaltigere und bessere Wege zu finden", erklärt er. "Und da ist unser Graspapier etwas, was viele Kunden schnell begeistert und wo auch immer mehr auf diesen Zug aufspringen." Die Produktionsstandorte sind dagegen noch überschaubar. Von etwa 150 Papierfabriken in Deutschland stellen laut dem Verband der Papierindustrie nur etwa ein Dutzend Graspapier her. Die Papierfabrik Meldorf ist der einzige Anbieter in Schleswig-Holstein.
Pellets haben derzeit keinen anderen Nutzen
Für die Produktion wird hier Altpapier mit Graspellets zusammen in Wasser aufgelöst. Aus dieser Pappmaschémasse entstehen dann in mehreren Schritten große Papierrollen. Zwanzig Prozent des Papiers, das die Fabrik in Tornesch verlässt, beinhaltet derzeit Grasfasern. Und die bringen einige Vorteile, betont Finck. Im Vergleich zu normalem Recyclingpapier können zum Beispiel rund zehn Prozent CO2 eingespart werden. Außerdem auch Wasser und Energie, weil sich Grasfasern leichter auflösen lassen, als Holzfasern. Die Pellets werden aus einem Umkreis von maximal 150 Kilometern nach Tornesch geliefert. "Und die Gräser, die wir verwenden, haben derzeit auch keinen anderen Nutzen", betont der Vertriebsleiter. Sie sind zum Beispiel Abfall der Landschaftspflege. Tierfutter wäre für die Produktion zu reich an Proteinen und Nährstoffen.
Alternative Fasern als sinnvolle Ergänzung
Noch ist Graspapier ein Nischenprodukt und damit auch teurer als reines Recyclingpapier. "Das hängt ein Stück damit zusammen, dass der Prozess Grasfaser in pelletierter Form zu bekommen, noch im Aufbau ist", so Finck. Und auch wenn es technologisch möglich ist, Papier aus 100 Prozent alternativen Fasern zu machen, fehlen dafür die Ressourcen, sagt Dr. Friedrich Steffen. Als wissenschaftlicher Mitarbeiter der Uni Hamburg im Bereich Holzchemie forscht er seit rund zehn Jahren in diesem Bereich. Er sieht alternative Fasern vor allem als gute Ergänzung zum hart umkämpften Rohstoff Holz.
"Der Kreislauf braucht regelmäßig eine frische Faser"
Zwar wird in Deutschland laut Steffen rund 70 Prozent des Papiers aus Altpapier gemacht, "was der Kreislauf aber braucht, ist regelmäßig eine frische Faser", so Steffen. Im asiatischen Raum hätten Fasern aus Stroh oder Zuckerrohrbagasse einen höheren Stellenwert, "weil es dort Holz gar nicht in den Mengen gibt, wie wir das in Europa oder Nordamerika haben". Als Bagasse werden die faserigen Pflanzenreste bezeichnet, die bei der Zuckerproduktion nach dem Auspressen der Zuckerrohre übrig bleiben. Nachhaltiger sei die Produktion vor allem dann, wenn auf Regionalität geachtet wird. Gerade im Hygienepapierbereich werde immer wieder auch Eukalyptus-Zellstoff aus Brasilien eingesetzt. "Und da kann sich jeder denken, welchen Fußabdruck das hinterlässt." Sinnvoller seien da heimische Rohstoffe - ob Holz oder eben Grasfaser.
Experimente mit Hanf, Tulpenstängeln und Zwiebeln
In der Papierfabrik Meldorf wird deshalb weiter experimentiert. Neben Grasfasern gab es auch schon Versuche mit Tulpenstängeln und Zwiebelfasern. Bei Letzteren hat der Geruch dazu geführt, dass es das Papier nicht ins Sortiment geschafft hat. Und auch an Papier mit Hanffasern haben sie sich in Tornesch schon versucht. Die könnten laut Vertriebsleiter Finck künftig noch an Bedeutung gewinnen.